Immer mehr Länder weltweit planen Auffrisch-Impfungen
Ist der Booster-Pieks gegen Corona doch sinnvoll für alle?

Ein dritter Pieks - und dann ist wirklich Ruhe: Der Schutz wirkt lange und nachhaltig. Zumindest bei den Jüngeren. Doch medizinisch notwendig sind Booster-Impfungen in nächster Zeit vor allem für Senioren und andere Risikogruppen. Immer mehr Länder weltweit haben aber bereits Auffrischungsimpfungen für alle in Planung. Lässt sich damit das Infektionsgeschehen beeinflussen? Und ist das gerecht? Das sagen die Experten!
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Ungeimpfte und die Risikogruppen im Fokus
Die vierte Welle der Corona-Pandemie in Deutschland hat längst begonnen. Und nicht nur Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) denkt öffentlich darüber nach, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Experten betonen, dass eine solche Booster-Impfung zunächst älteren Menschen und anderen Risikogruppen ermöglicht werden sollte. Für das Infektionsgeschehen sei zudem wichtiger, jene jungen und gesunden Menschen zu impfen, die bislang noch gar kein Vakzin erhalten haben.
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Länder wie die USA und Israel haben sich bereits für Booster-Impfungen für sämtliche Bürger entschieden. Wie sinnvoll wäre eine dritte Impfung für alle mit Blick auf das im Herbst und Winter drohende Infektionsgeschehen hierzulande?
Größere Zahl an Gedächtniszellen
Laut Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, fällt die Antwort auf diese Frage differenziert aus: "Aus immunologischer Sicht ist das sehr sinnvoll: Das Immunsystem verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreaktion auf diesen deutlich." Eine Auffrischungsimpfung würde zum einen wegen einer größeren Zahl an Gedächtniszellen eine langanhaltendere Immunisierung bedeuten. Zum anderen falle der Impfschutz auch stärker aus, weil deutlich mehr Antikörper vorhanden seien.
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Gerade für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogruppen sei dies auch medizinisch sinnvoll, betont der Infektiologe Leif Erik Sander mit Verweis auf jüngst als Preprint veröffentlichte Zwischenergebnisse einer Studie seiner Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité. Diese bestätigt, dass die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlässt als bei jüngeren.
Bei Älteren nach einem Jahr keine Antikörper mehr
Bei vier von zehn Menschen in einer Gruppe, deren Durchschnittsalter in der Studie bei 82 Jahren lag, seien nach einem halben Jahr keine neutralisierenden Antikörper mehr gegen die Delta-Variante feststellbar. Im Vergleich dazu bestimmte die Forschungsgruppe auch den Antikörperspiegel bei Charité-Mitarbeitern, die im Durchschnitt 35 Jahre alt waren. Diese hatten immer noch zu über 97 Prozent neutralisierende Antikörper gegen die Delta-Variante - obwohl beide Studiengruppen zur gleichen Zeit mit dem gleichen Vakzin von Biontech geimpft worden waren.
Trotzdem ethisch und virologisch problematisch
Sowohl ethisch als auch virologisch stellten Booster-Impfungen laut Watzl, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist, indes Probleme dar: "Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden." Zudem mutiere das Virus vor allem dort, wo es sich ungehindert ausbreiten könne. "Es gibt eine Korrelation zwischen der Anzahl der Virusmutanten und dem Impfstatus eines Landes: Gerade in Ländern, wo die Impfquote sehr niedrig ist, beobachten wir eine viel höhere Mutationsrate." (dpa/ija)