„Es kommen härtere, raue Jahre auf uns zu"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Tiefste Krise im wiedervereinten Deutschland“
Hohe Energiepreise, Inflation, politische Polarisierung und Proteste – der Ukraine-Krieg hat auch Deutschland in eine tiefe Krise gestürzt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht in seiner Rede in seinem Amtssitz Schloss Bellevue von der „tiefsten Krise in unserem wiedervereinten Deutschland.“
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Angriff auf die Ukraine war "Epochenbruch"
Er warnt gleich zu Beginn der Rede: „Es kommen härtere Jahre, raue Jahre auf uns zu. Die Friedensdividende ist aufgezehrt. Es beginnt für Deutschland eine Epoche im Gegenwind.“
Der Tag, an dem Putin die Ukraine angegriffen habe, sei laut Steinmeier ein „Epochenbruch“.
Steinmeier zitiert nach Ukraine-Besuch ältere Frau: "Enkel sah sie an & fragte: Oma, müssen wir jetzt sterben?"
Für niemanden sei der Schrecken des 24. Februar so entsetzlich wie für die Menschen in der Ukraine selbst. Aber: „Er hat auch uns in Deutschland in eine andere Zeit, in eine überwunden geglaubte Unsicherheit gestürzt: eine Zeit, gezeichnet von Krieg, Gewalt und Flucht, von Sorge vor der Ausweitung des Krieges zum Flächenbrand in Europa.“
Die wirtschaftlichen Verwerfungen, Energiekrise und explodierenden Preise haben, so Steinmeier, auch „unser Erfolgsmodell der weltweiten vernetzten Volkswirtschaft unter Druck gesetzt. Es sei „eine Zeit, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt, das Vertrauen in Demokratie, mehr noch: das Vertrauen in uns selbst, Schaden genommen hat.“
Steinmeier sagt Einschränkungen voraus: „Diese Krise verlangt, dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden“
Die Bundesrepublik könne in diesen Jahren auf ihre Kraft und Stärke bauen, die sie sich in den vergangenen Jahren erarbeitet habe, sagte Steinmeier weiter. Das Land sei wirtschaftlich stark, habe gute Forschung, starke Unternehmen und einen leistungsfähigen Staat sowie eine große und starke Mitte in seiner Gesellschaft.
„Diese Krise verlangt, dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden“, sagte Steinmeier weiter. Aus seiner Sicht sind in den nächsten Jahren Einschränkungen für jeden Einzelnen unvermeidbar. „Das spüren die meisten längst. Jeder muss beitragen, wo er kann“, sagte er und räumte zugleich ein: „Das mag nun wie Hohn klingen in den Ohren derer, die schon heute nicht über die Runden kommen.“ Deshalb müsse am Beginn jeder Debatte die Versicherung stehen, dass der Staat seine Kraft einsetze, „um denen zu helfen, die es allein nicht schaffen“.
Steinmeier überzeugt: "Unser Land hat die Kraft, Krisen zu überwinden"
Der Gegenwind bläst tief in unser Land hinein. Die neue Zeit fordert uns heraus wie lange nicht mehr. Es ist eine Zerreißprobe, die uns keiner abnimmt und für die es keinen einfachen Ausweg gibt.“
Und doch sei Steinmeier überzeugt: „Unser Land hat die Kraft, Krisen zu überwinden. Es hat die Menschen, die immer wieder dafür arbeiten, die Unternehmerinnen, die Forscher, die Ingenieure, die Facharbeiterinnen. Unser Land hat das Wissen und die Ideen, die Erfahrung von Generationen und den Ehrgeiz der Jugend.“ Er fordert: „Vertrauen wir einander – und vertrauen wir uns selbst! Und lassen wir uns nicht entmutigen vom Gegenwind, der uns in dieser neuen Zeit entgegenweht.“
Es komme nicht darauf an, dass alle dasselbe tun – „aber dass wir eines gemeinsam im Sinn haben: alles zu stärken, was uns verbindet!“
Steinmeier schließt seine Rede an die Nation hemdsärmelig und fordert schlicht: „Das ist die Aufgabe. Tun wir’s.“ Darauf folgt im Schloss Bellevue langanhaltender Applaus mit Standing Ovations. (eku/dpa/epd)
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