Immobilienkredite werden teurer
Gehetzte Hauskäufer, steigende Zinsen: Jetzt noch ein Darlehen abschließen?

Wer hierzulande von den eigenen vier Wänden träumt, dürfte sich bald fragen, wann der Albtraum endlich ein Ende hat. Die Inflation und steigende Zinsen führen dazu, dass Baumaterial und Immobiliendarlehen immer teurer werden. Künftigen Häuslebauern raucht der Kopf: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt eine Immobilie zu kaufen? Bekomme ich noch ein gutes Darlehen? Und was passiert mit meiner Anschlussfinanzierung? Ein Ende des Zinsanstiegs scheint nicht in Sicht. Was jetzt zu tun ist.
Angst vor steigenden Preisen führt zu Ansturm bei Banken
Innerhalb der letzten Monate haben sich die Kosten für Immobiliendarlehenen mehr als verdoppelt: Während im Januar der durchschnittliche Jahreszins bei 0,97 Prozent lag, liegt er im Mai bereits bei 2,44 Prozent. "Wir erwarten weitere Zinssteigerungen und halten im Jahresverlauf 3 Prozent für zehnjährige Darlehen für realistisch", so Mirjam Mohr, die Mitglied im Vorstand des Kreditvermittlers und Baufinanzierers Interhyp ist.
Die Angst vor weiter steigenden Preisen führt zu einem Ansturm bei Banken. So hat die Landesbausparkasse Bayern in den ersten vier Monaten dieses Jahres rund 890 Millionen Euro an Darlehen zugesagt. "Das sind über 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres", berichtet ein Sprecher in München. Ähnlich ist die Entwicklung beim Schwesterinstitut in Nordrhein-Westfalen: Die LBS West - die neben NRW auch Bremen betreut - meldet einen Anstieg von 50 Prozent. Darunter sind bei beiden Instituten neben Neukäufern auch viele Kunden, die Anschlussfinanzierungen abschließen oder ihr Eigenheim modernisieren wollen.
So kann man sich vor den Folgen der Kostenexplosion schützen
Viele Eigenheimbesitzer müssen schon jetzt mit einer höheren Restschuld nach Ablauf ihrer Zinsbindung rechnen. "Bei wem innerhalb der nächsten fünf Jahre die Sollzinsbindung der Finanzierung ausläuft, sollte sich jetzt die Konditionen für die Anschlussfinanzierung sichern", empfiehlt Dr. Marco Adelt vom digitalen Versicherungsmanager Clark. Denn wer bei der Anschlussfinanzierung plötzlich mit höheren Zinsen konfrontiert wird, hat laut Adelt nur zwei Optionen: "Entweder wird die monatliche Tilgungsrate erhöht oder der Zeitraum, in dem man den Kredit abbezahlt, wird verlängert. Letzteres kann vor allem dann problematisch werden, wenn man schon etwas älter ist und kurz vor der Rente steht." Fünf Jahre vor Ablauf der Zinsbindung gebe es meist die Option einer Sondertilgung. Damit könne man sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Anschlussfinanzierung zum gegenwärtigen Zins sichern.
Dabei muss die Verlängerung des Darlehens bei der bisherigen Bank nicht unbedingt die beste Option sein. Wichtig ist es, sich unabhängig beraten zu lassen und einen Überblick einzuholen. Dies ist etwa im Internet mit einem unabhängigen Vergleich der Angebote wie bei RTL Kredit möglich.
Jetzt noch ein Haus oder eine Wohnung kaufen oder lieber abwarten?
Was aber ist mit Menschen, die gerade überlegen: Lieber jetzt bauen oder kaufen, oder doch lieber abwarten? Die über Jahre extrem niedrigen Zinsen machten stetig steigende Immobilienpreise für viele Käuferinnen und Käufer erträglicher. Diese Zeiten scheinen vorbei. "Es zeichnet sich eine Zinswende ab", sagt der Ökonom Ludwig Dorffmeister, Fachmann für Bau und Immobilienmarkt am Münchner Ifo-Institut. "Die Interessenten, die sich in den vergangenen Jahren einen Immobilienerwerb nur wegen der extrem niedrigen Zinsen leisten konnten, fallen jetzt aus dem Markt."
Im historischen Langzeitvergleich sind die Kreditzinsen nach wie vor niedrig, ein Einstieg zum aktuellen Zeitpunkt ist also nicht ausgeschlossen. Dennoch will dieser Schritt wohlüberlegt sein, denn der derzeitige Anstieg bringt bereits erhebliche Mehrkosten mit sich. "Jedes Zehntel tut richtig weh", kommentiert Stephan Kippes, der Marktforscher des Immobilienverbands IVD Süd in München.
Der Zinsanstieg bei zehnjährigen Darlehen von 1 auf 2,6 Prozent bedeute bei einem Immobilienkredit über 300.000 Euro und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent den Anstieg der monatlichen Rate von 1.000 auf 1.400 Euro, rechnet Interhyp-Vorständin Mohr vor - in zehn Jahren wären das 48.000 Euro. Bei 500.000 Euro Kreditsumme würden sich die Zinsmehrkosten in einem Jahrzehnt auf rund 80.000 Euro summieren.
Materialmangel: Vorerst keine Entspannung erwartet
Auch der Materialmangel im Baugewerbe bereitet Verbrauchern Sorgen. Seit den Corona-Turbulenzen hat sich die Situation verschärft, sagt Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister. "Mit einem Anstieg der Hochbaupreise um fast 10 Prozent war der Kostendruck vergangenes Jahr bereits immens. Seit März dieses Jahres dürfte sich das Preiswachstum sogar noch einmal beschleunigt haben."
Entspannung scheint vorerst nicht in Sicht. "Mit einer wesentlichen Beruhigung ist bis zum Sommer/Herbst nicht zu rechnen, auch weil sich die Hafensperrungen in China hierzulande erst mit einiger Verzögerung bemerkbar machen werden", sagt der Wissenschaftler.
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Immobilienkrise in Sicht?
Könnte die doppelte Last steigender Zinsen und steigender Baukosten eine Immobilienkrise nach sich ziehen? Prognosen seien derzeit extrem schwierig, sagen die Fachleute. Ifo-Experte Dorffmeister könnte sich einen "gewissen Dämpfer beim Mehrfamilienhausbau" vorstellen. "Ich teile aber nicht die Sorge, dass es zu einem Immobiliencrash kommen könnte. Vielerorts gibt es eine substanzielle Wohnraumnachfrage und die Kreditfinanzierung war bis zuletzt weitestgehend solide."
Dorffmeister geht davon aus, dass Immobilienbesitz mittel- und langfristig "ausreichenden Inflationsschutz" bieten wird, "wenn die Löhne entsprechend angepasst werden", wie der Ökonom sagt. "Ich glaube also nicht, dass massiv Geld abgezogen wird, eine vorübergehende Dämpfung des Preisanstiegs ist aber denkbar."
IVD-Süd Marktforscher Kippes analysiert: "Wir haben mehrere gegenläufige Sondereffekte." Baukosten, Materialmangel und Zinsentwicklung könnten ebenso dämpfend wirken wie die noch nicht überstandene Corona-Pandemie. Auf der anderen Seite befördern nach alter Lehrmeinung Inflation, Krisen und Kriege die Neigung zum Immobilienkauf. "Sachwerte gelten als sicher", sagt Kippes. (dpa/mst)
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