Katastrophe in der Türkei und in Syrien
Horror-Szenario: Vereinte Nationen befürchten 50.000 Tote nach Erdbeben

Es wird noch geraume Zeit dauern, bis das gesamte Ausmaß der Erdbeben-Katastrophe in Syrien und der Türkei sichtbar ist. Aber schon knapp eine Woche nach dem Beben zeichnen Experten ein Horrorszenario. Die UN rechnen mit 50.000 Toten, so Nothilfekoordinator Martin Griffiths. In den Notstandgebieten wächst zudem die Angst vor Seuchen. Die Arbeiten der Rettungsmannschaften werden teilweise von Ausschreitungen und Plünderungen erschwert. Meldungen über Gerettete aus den Trümmern werden seltener.
Opferzahl könnte sich „verdoppeln oder mehr“
Die Zahl der Toten liegt offiziell mittlerweile bei mehr als 28.000 Menschen. Allein in der Türkei waren es 24.617. Aus Syrien wurden zuletzt 3.574 Tote gemeldet. Die Situation sei „zutiefst schockierend“, so Nothilfekoordinator Martin Griffiths.
Er habe viele Konflikte und Kriege erlebt, aber Zehntausende Menschen in einer Nacht zu verlieren, das habe er bei anderen Konflikten noch nicht gesehen. Er befürchte, die Zahl der Todesopfer könnte sich „verdoppeln oder mehr“.
Helfer in Sorge vor Ausschreitungen

Unterdessen überschattet die Angst vor möglichen Tumulten die Arbeit der Helfer. Das Technische Hilfswerk (THW), die Hilfsorganisation I.S.A.R Germany und das österreichische Bundesheer verwiesen auf die Sicherheitslage.
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„Es gibt zunehmend Aggressionen zwischen Gruppierungen in der Türkei. Es sollen Schüsse gefallen sein“, sagte Heeressprecher Pierre Kugelweis vom österreichischen Bundesheer der Nachrichtenagentur APA. I.S.A.R-Einsatzleiter Steven Bayer sagte: „Es ist festzustellen, dass die Trauer langsam der Wut weicht.“ THW-Sprecherin Tamara Schwarz sprach von „tumultartigen Szenen“.
Video: Helfer geben alles für Verschüttete
Überlebenschancen schwinden - aber immer wieder "kleine Wunder"
Die Überlebenschancen schwinden immer mehr. Normalerweise kann ein Mensch höchstens 72 Stunden ohne Wasser auskommen. Hinzu kommen die kühlen Temperaturen. Dennoch werden noch immer werden Menschen lebend gefunden. Einige Rettungen vom Wochenende, die zumindest ein bisschen Hoffnung machen:
In der Provinz Hatay wurden eine schwangere Frau und ihr Bruder nach 140 Stunden sowie ein sieben Monate altes Baby lebend von Rettungsteams aus den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes gezogen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
In der türkischen Stadt Kahramanmaras wurde ein 26-Jähriger aus den Trümmern eines elfstöckigen Gebäudes gerettet.
In Antakya sei ein fünf Monate altes Baby nach 134 Stunden lebend aus den Trümmern geholt worden, berichtete der staatliche türkische Fernsehsender TRT. Dort wurde laut Anadolu zudem ein sechsjähriger Junge gerettet, der 137 Stunden lang unter Schutt begraben war.
In Iskenderun bargen laut Anadolu Hilfskräfte einen 44-jährigen Mann nach 138 Stunden aus den Trümmern.
In der türkischen Stadt Kahramanmaras wurde am Samstag ein neun Jahre alter Junge namens Ridban nach rund 120 Stunden in einem eingestürzten Haus gerettet.
In der Stadt Adiyaman wurde ein Ehepaar nach 129 Stunden befreit.
Angst vor Seuchen und Krankheiten

Knapp eine Woche nach den verheerenden Erdbeben wächst aber auch die Gefahr von Krankheiten. „In den Regionen, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, drohen irgendwann Seuchen“, sagte Thomas Geiner, erdbebenerfahrener Mediziner und Teil des Teams der Katastrophenhelfer vom Verein Navis.
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Katastrophengebiet ist flächenmäßig größer als Deutschland
Die betroffenen Gebiete sind flächenmäßig größer als Deutschland. Durch die vielen ungeborgenen Leichen könne Wasser verunreinigt werden. Vielerorts haben Leute zudem keinen Zugang zu irgendeiner Art von Toiletten.
Auch dadurch könnten Keime in das Grundwasser gelangen. Geiner sagte, die Situation vor Ort erinnere ihn an die in Haiti nach dem Erdbeben 2010. In der Region sehe man alles an Verletzungen, was man sich vorstellen könne. Es brauche alles an möglicher Hilfe. Die Gesundheitsinfrastruktur ist stark beschädigt.
Spendenaufruf: Bitte helfen Sie!

Nach der Katastrophe sind tausende Tote und Verletzte zu beklagen, viele Existenzen wurden zerstört. Betroffen sind auch viele Kinder, die nun dringend Hilfe benötigen.
Mit einer Spende kümmern wir uns gemeinsam mit unseren Partnern wie I.S.A.R. Germany unter anderem um die Bergung von Verschütteten, die medizinische Versorgung von Verletzten sowie um die Durchführung von lebenswichtigen Soforthilfe-Maßnahmen wie der Lieferung von Medikamenten, Wasser und Lebensmitteln. (uvo/dpa)