Schreckliche Naturkatastrophe mit Tausenden Toten in der Türkei
Können Tiere Erdbeben vorhersagen? Experte erklärt, was es damit auf sich hat
von Denise Kylla und Andreas Popp
Sie erschnüffeln Drogen und Waffen, können sogar Krebs vorzeitig erkennen: Tiere spüren Unheil oft schon, bevor Menschen es kommen sehen. Angeblich sollen einige Arten wie Hunde und Vögel auch Erdbeben vorhersagen können. Was hat es damit auf sich? Im Interview mit RTL sprach Experte Dirk Steffens über die Feinfühligkeit der Lebewesen.
Tiere verhalten sich auffällig bei Erdbeben
„Wir kennen seit vielen Jahrhunderten, sogar Jahrtausenden Berichte, dass sich Tiere vor großen Naturkatastrophen auffällig verhalten“, sagt Steffens. Das Leibniz-Institut habe sogar ein Forschungsprojekt dazu. „Die haben in Norditalien ein paar Tiere ausgestattet mit Sensoren in einen Erdbeben-Gebiet und gucken dann: Benehmen die Tiere sich auffällig, bevor etwas passiert?“ Dafür gebe es sogar Beispiele. Kurz vor dem Tsunami in Indonesien sollen Elefanten ins Inland geflüchtet sein. Doch trotz dieser Anzeichen gebe es noch viel zu erforschen. „Den wissenschaftliche Stand muss man mit dem Satz zusammenfassen: Es gibt Hinweise darauf, dass Tiere etwas fühlen, aber es ist noch nicht bewiesen“, so der Experte.
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Erdbeben: Welche Frühwarnsysteme gibt es?
Aber welche zuverlässigen Hinweise auf ein nahendes Beben gibt es? „Das Problem ist am Epizentrum gibt es keine Möglichkeit der Vorhersage“, so Steffens. Das liege daran, dass die Erdplatten, die für das Beben sorgten, gleichmäßige Wellen auslösten, die man nicht vorhersehen könnte. „Aber dann, je weiter man sich vom Epizentrum entfernt, desto größer wird der Zeitunterschied zwischen den Wellen – aber auch da ist die schlechte Nachricht: Er ist im Idealfall nur einige Sekunden lang.“ Dirk Steffens bringt die erschreckende Realität auf den Punkt: „Es ist nicht möglich, ein Erdbeben, Minuten, Stunden oder gar Tage im Voraus vorherzusagen.“
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Trotzdem gebe es Frühwarnsysteme. Zum einen könne man Wahrscheinlichkeiten berechnen. „Das kann man sich so vorstellen wie die Lottozahlen“, sagt er. Schlussendlich kann man nur berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit für ein Erdbeben an einem bestimmten Ort ist, nicht aber den Zeitpunkt. Eine andere Möglichkeit sei es, Messungen mit Beschleunigungs-Sensoren durchzuführen. Da ein Beben durch die Bewegung zweier Kontinentalplatten passiere, könne man diese Bewegung messen. Auch diese Ergebnisse würden nur wenige Sekunden vor einer ersten Erschütterung vorliegen. „Es wäre nicht möglich, eine Stadt oder das Gebiet zu evakuieren, bevor das Erdbeben dann eintritt.“
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Auch Handys können als Erdbeben-Frühwarnsystem genutzt werden
Eine sinnvolle Möglichkeit der Vorhersage seien Smartphones. „Handys können tatsächlich hilfreich sein, denn im Grunde sind sie nichts anderes, als Bewegungssensoren, die Seismologen auch professionell einsetzen im Boden“, erklärt Steffens. Wenn es beispielsweise ruhig auf dem Nachttisch liege, könne es Vibrationen wahrnehmen.
Bei einer aktivierte Standortfreigabe würden sich die Geräte in der Region vernetzen und könnten auf ein Erdbeben hinweisen. „Wenn das System merkt, dass an einem Ort gleichzeitig sehr viele Handys auf eine bestimmte Art in Bewegung geraten, dann ist das ein sicherer Hinweis auf ein Erdbeben“, so der Experte. Doch auch hier würde man über wenige Sekunden reden – eine Warnung wäre nur kurzfristig möglich.
Bei Twitter: Seismologe warnte vor Erdbeben in der Region
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Apropos Wahrscheinlichkeit: Schon am 3. Februar, also drei Tage vor dem verheerenden Erbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion, warnte ein Seismologe bei Twitter davor, dass eine Erschütterung in der Region wahrscheinlich sei.
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Am Morgen des 6. Februar bebte die Erde dann plötzlich tatsächlich mit einer Stärke von 7,4. Es folgten mehrere Nachbeben. Bei der Katastrophe kamen über 11.000 Menschen ums Leben – Tendenz steigend. Die Bergungsarbeiten laufen unter Hochdruck. Reporter berichten von erschütternden Szenen, weil es an Helfern und Material fehlt.
Ein Mann berichtete: „Es gibt keine Rettungskräfte, keine Soldaten. Niemand. Dies ist ein vernachlässigter Ort.“ Er sei aus Ankara hergekommen, um zu helfen, habe eine Frau aus den Trümmern bergen können, sagt er.