Ist die Personalnot womöglich hausgemacht?
Hohe Teilzeitquote: Über 40 Prozent der Lehrer haben Stunden reduziert

Unsere Schulen sind an vielen Stellen eine einzige Baustelle: Unterricht fällt aus, Lehrer und Lehrerinnen fühlen sich überlastet, es fehlt Personal. Zur Wahrheit gehört aber auch: Personal gibt es durchaus – ein sehr großer Teil der Lehrerschaft arbeitet aber in Teilzeit, wie Zahlen des Statistischen Bundesamt nun zeigen. Ist so zumindest ein Teil des Lehrermangel-Problems hausgemacht?
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Besonders Lehrerinnen reduzieren ihre Arbeitszeit
Im Schuljahr 2021/2022 haben an den allgemeinbildenden Schulen rund 709.000 Lehrerinnen und Lehrer gearbeitet – 40,6 Prozent davon in Teilzeit. Damit lag die Teilzeitquote auf dem höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre, so das Statistische Bundesamt. Besonders Frauen reduzieren häufig ihre Arbeitszeit: Die Teilzeitquote war bei Lehrerinnen mit 48,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei Lehrern, von denen 20,1 Prozent in Teilzeit arbeiteten.
Zum Vergleich: Insgesamt liegt die Teilzeitquote in Deutschland bei 28 Prozent, bei den Frauen sind 47 Prozent in Teilzeit, die Männer-Teilzeitquote liegt bei 10,7 Prozent, wie das Statistische Bundesamt im Dezember veröffentlichte.
Zwischen den verschiedenen Bundesländern gibt es deutliche Unterschiede: Während in Bremen und Hamburg (je 52,4 Prozent) im Schuljahr 2021/2022 mehr als die Hälfte des Lehrpersonals an allgemeinbildenden Schulen in Teilzeit arbeitete, waren es in Thüringen (21,9 Prozent) und Sachsen-Anhalt (20,7 Prozent) nur gut ein Fünftel.
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Das Ergebnis der Umfrage ist nicht repräsentativ.
2030 fehlen mehr als 80.000 Lehrer - Teilzeit noch nicht berücksichtigt
Eltern schlagen angesichts des Lehrermangels an Schulen immer wieder Alarm. So hat zum Beispiel der Landeselternrat Niedersachsen am Donnerstag von einer „desolaten Lage“ gesprochen. Der Vorsitzende Michael Guder glaubt nicht, „dass wir den Lehrkräftemangel ohne Quereinstieg bewältigen können“. So könnte Fachpersonal aus bestimmten Bereichen Lehrkräfte ersetzen, wie beispielsweise Informatiker, schlägt der Elternvertreter vor. Zudem benötige man „für das System Schule eine ganzheitliche Personalstrategie aus einer Hand“. Die derzeitige Abstimmung zwischen verschiedenen Ministerien und weiteren Interessensverbänden sei zu langsam.
Wissenschaftler Klaus Klemm ist davon überzeugt, dass im Jahr 2030 mehr als 80.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Und die Teilzeit-Frage sei bei diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt: Allein dafür müssten rund 75.000 Menschen zusätzlich eingestellt werden, erklärte Klemm laut eines „Spiegel“-Berichts von Ende Januar.
36,6 Prozent der Lehrer und Lehrerinnen sind älter als 50 Jahre alt
Das Problem des Lehrer-Bedarfs wird sich in den nächsten Jahren verschärfen – das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamts schon jetzt: Gut ein Viertel (25,7 Prozent) der Lehrerinnen und Lehrer ist zwischen 50 und 59 Jahre alt, 10,9 Prozent 60 Jahre und älter. Dementgegen steht der Anteil der jüngeren Berufseinsteigerinnen und -einsteiger: Die unter 35-Jährigen machten 21,1 Prozent der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen aus.
Ausreichend Nachwuchs ist nicht in Sicht: Denn auch die Zahl der Studierenden, die Lehrer werden wollen, ist erstmals seit dem Studienjahr 2015/2016 wieder rückläufig: 2021/2022 begannen knapp 32.300 junge Leute ein Lehramtsstudium – das waren 13,7 Prozent weniger als im Studienjahr 2020/2021. Der Rückgang fiel dabei deutlich stärker aus als der demografisch und pandemiebedingte Rückgang bei den Studienanfängerinnen und -anfängern aller Studiengänge, der um 3,7 Prozent zurückging.
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Um dem dramatischen Lehrermangel im Land zu begegnen, sollten nach Expertenansicht ein höheres Unterrichtspensum für Lehrkräfte geprüft, weniger Teilzeitmöglichkeiten eingeräumt und gegebenenfalls auch größere Klassen gebildet werden. Das hatte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz (KMK) bereits Ende Januar vorgeschlagen. Kritik kam dazu prompt: Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger sagte: „Wer Teilzeit und Altersermäßigungen einschränken oder abschaffen will, treibt noch mehr Lehrkräfte in die Frühpensionierung und den Burnout“. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, kritisierte, wenn die Kommission als Ausgleich „Achtsamkeitstraining und Yoga“ empfehle, sei das „blanker Hohn“. „Mit diesen Maßnahmen wird das Versagen der Politik auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen!“, sagte Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). (eku, mit dpa)
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