Wenn zu viel (Für)Sorge schadet
Helikopter-Eltern aufgepasst! Expertin: Darum müssen Kinder Fehler machen

Wenn zu viel (Für)Sorge zum Problem wird…
Kinder sollen Fehler machen – wie wichtig das ist, weiß Erziehungs-Expertin Hannah Blankenberg, die gleichzeitig auch Psychologin und Systemische Beraterin ist. Im Gespräch mit RTL erklärt sie, welche Folgen es haben kann, wenn man sein Kind überfürsorglich behandelt, wie man mit Fehlern umgehen sollte und woran man erkennt, dass man selbst zur/m Helikopter-Mutter oder -Vater mutiert.
Warum es wichtig ist, Fehler zu machen
Im Allgemeinen ist es für Menschen wichtig, auch scheitern zu lernen. „Nur wenn ich Fehler machen darf, kann ich Strategien entwickeln, um damit umzugehen“, erklärt Psychologin Hannah Blankenberg. Dann könne man lernen, sich zu entschuldigen, für Fehler geradezustehen und diese wiedergutzumachen.
Wichtig sei dabei ein gesunder Umgang mit Fehlern: „Schaffe ich es, mir Fehler einzugestehen, sie zuzugeben und dafür geradezustehen? Verfalle ich in Selbstverurteilung? Sehe ich selbst Fehler als etwas Positives oder sind sie in meinen Augen etwas Schlechtes und sollten um jeden Preis vermieden werden?“ Das seien Fragen, die man sich als Elternteil laut Blankenberg auf jeden Fall stellen sollte.
Die richtige Reaktion auf Fehler von Kindern
Kinder sollten nie für Fehler bestraft werden oder, noch schlimmer, sich bloßgestellt fühlen. „Kinder sollten ihre Fehler den Eltern immer mitteilen können und keine Angst haben vor Strafen. Nur so können sie lernen, dass Fehler nichts Schlimmes sind und dass sie - wenn nötig – Hilfe erhalten“, betont Blankenberg.
Wenn Kinder Fehler machen, sollte man beschreiben, was man wahrnimmt, sagen, was genau an der Situation falsch ist und schlussendlich ein persönliches Bedürfnis zum Ausdruck bringen.
Blankenberg gibt ein Beispiel: „Ich sehe, dass du die Tapete mit Filzstiften angemalt hast. Ich ärgere mich, weil wir vereinbart haben, dass die Wände sauber bleiben. Ich möchte, dass wir das gemeinsam entfernen.“ Im Anschluss sollte man, je nach Alter des Kindes, über die Situation sprechen, Fehler einordnen und überlegen, was in Zukunft anders laufen sollte.
Wichtig: Kinder sollten nie wegen Fehlern und Fehlentscheidungen leiden müssen. Auch hier gibt Blankenberg ein Beispiel: „Ermögliche ich meinem Kind beispielsweise, sich für die falsche Kleidung zu entscheiden, weil ich möchte, dass es selbst bemerkt, dass ein T-Shirt bei 11 Grad keine gute Idee ist, dann bin ich als Elternteil in der Verantwortung, dennoch die richtige Kleidung dabeizuhaben und mein Kind nicht mit Sprüchen wie ‚Ich habe es dir ja gesagt, jetzt siehst du, was du davon hast‘ zu bestrafen.“
Lese-Tipp: Diese Elternsätze von früher wären heute undenkbar - oder sogar strafbar!
Diese Probleme können Kinder von Helikopter-Eltern bekommen
Damit es zu einer guten Fehler-Kultur kommt, muss vorher vor allem eins passieren: Das Kind muss einen Fehler machen. Doch das ist für viele Eltern nicht einfach. Gerade die sogenannten „Helikopter-Eltern“, die immer über ihrem Kind kreisen, wollen jegliches Scheitern verhindern. Das kann problematisch werden.
„Wenn ich nicht zulasse, dass mein Kind das Glas beim Einschenken vollkommen überfüllt, sich für die falsche Sorte Eis entscheidet oder sich zu viel Essen auf den Teller lädt, dann verhindere ich wichtige Lernerfahrungen“, betont Psychologin Blankenberg.
Eine Studie der University of Minnesota Twin Cities, der University of North Carolina und der Universität Zürich aus dem Jahr 2018 hat die Zusammenhänge zwischen überfürsorglicher Erziehung und späterer Impulskontrolle, sowie schulischer Leistung und Emotionsregulation untersucht. Dabei zeigte sich, dass Kinder, die nie Frustration erlebt und bewältigt hatten, später auf all diesen Gebieten Defizite zeigten.
Lese-Tipp: Jesper Juul: Überbehütete Kinder sind vernachlässigte Kinder
Ihre Meinung ist gefragt
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.
Wie kann ich selbst erkennen, dass ich als Elternteil übervorsichtig bin?
Es ist also wichtig, dass Kinder nicht mit übervorsichtigen Helikopter-Eltern aufwachsen. Tatsächlich sind sich dessen wohl die meisten Mütter und Väter bewusst. Doch wann wird vorsichtig zu ÜBER-vorsichtig?
Blankenberg empfiehlt, zunächst die eigenen Gefühle und Verhaltensweisen zu reflektieren: „Wenn ich merke, dass ich es nicht ertrage, mein Kind traurig oder frustriert zu erleben, darf ich mich fragen, warum das für mich so schwer ist. Wurde ich vielleicht selbst früher nicht angemessen begleitet, wenn ich traurig oder frustriert war? Habe ich mich mit diesen Gefühlen allein gefühlt? Habe ich heute Strategien, um mit schwierigen Gefühlen umzugehen?“ Wenn man sich selbst solche Fragen stellen würde, könne man erkennen, ob man auch das eigene Kind zu sehr behüte.
Wichtig ist die Einsicht, dass Kinder Scheitern und Fehler gut verarbeiten können, wenn sie jemanden an ihrer Seite haben, der sie durch dieses Gefühl begleitet und Strategien aufzeigt, damit umzugehen.
Lese-Tipp: Bloß nicht! Eine Logopädin verrät acht typische Eltern-Fehler
Im Video: U-Boot-Eltern sind eine Gefahr für ihre Kinder
Wunsch nach einem glücklich Kind ist nicht schlimm
Falls Sie sich nun selbst in der Rolle als Helikopter-Elternteil wiedererkannt haben: keine Panik! Schlussendlich ist es menschlich, dass man das Beste für sein Kind möchte. Auch Blankenberg sagt: „Es ist kein Fehler, dass Eltern sich wünschen, dass es ihrem Kind immer gut geht.“
Dennoch fordert sie dazu auf, das eigene Verhalten immer zu hinterfragen. „Wenn wir als Eltern vermeintliche Fehler machen, sind diese wichtige Hinweisgeber für uns. Sie können uns helfen, genauer hinter unser Verhalten oder auch unsere Gefühle zu schauen.“