Im Nachbarland dürfen die Salons weiter öffnen

Bis zu 500 Kilometer Anreise für Haarschnitt: Deutsche Friseur-Touristen in Luxemburg

Friseure in Luxemburg können sich vor Kunden kaum retten Hier wird noch geschnitten
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Hier wird noch geschnitten
Friseure in Luxemburg können sich vor Kunden kaum retten

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Luxemburger Friseure können sich vor Andrang kaum retten

Während Deutschlands Friseure im Lockdown verzweifelt um ihre Existenz bangen, blüht in der deutsch-luxemburgischen Grenzregion das Geschäft. Bei Friseurin Anja Meyer aus Wasserbillig steht das Telefon nicht still, sie hat Anfragen aus ganz Deutschland, sogar eine Kundin aus dem über 500 Kilometer entfernten München war schon da. Mehr dazu – in unserem Video.

Friseure
Friseur Kai Weinand aus Trier muss seinen Salon in der Pandemie schließen und Friseurin Anja Meyer aus Wasserbillig, Luxemburg, darf weiter Haare schneiden.

Deutsche Friseure verzweifeln und verstehen die Bürokratie-Welt nicht mehr

Ihr deutscher Kollege Kai Weinand ist hingegen regelrecht verzweifelt. Zwischen seinem Salon und dem von Anja Meyer liegen ganze zwölf Kilometer. Trotzdem darf er keine Kunden bedienen, während im Nachbaarland weiter Haare geschnitten werden. Er kann nicht verstehen, dass in ein und derselben Region derart unterschiedliche Regeln gelten, nur weil hier zufällig eine Landesgrenze verläuft.

Es gebe so viele Regeln und Bestimmungen der EU, sagt er und fragt sich, warum das ausgerechnet bei einer Pandemie nicht der Fall ist. „Ich kann nicht verstehen, dass unser EU-Nachbar Luxemburg eine völlig andere Schiene fährt. Das Corona-Virus macht doch an keiner Grenze halt“, sagt der Friseurmeister.

Deutscher Friseur: "Das Wasser steht uns bis zum Hals"

Kai  Weinand
Kai Weinand in seinem leeren Salon. Er würde lieber heute als morgen wieder öffnen.

Weinand schildert seine Lage ruhig und sachlich, obwohl er aufgebracht ist. Sauer auf die deutsche Politik und die Behörden. „Immer diese Parolen! Ich wäre froh, wenn sie wenigsten das auszahlen würden, was ursprünglich angekündigt war. Selbst das kommt nicht an“, klagt er. Denn die von der Politik beschlossenen Hilfsgelder für kleinere Unternehmen in Rheinland-Pfalz können bisher noch nicht einmal beantragt werden. Weil es kein Formular dafür gebe, habe ihm sein Steuerberater gesagt.

„Das Wasser steht uns bis zum Hals“, sagt er. „Wir werden kaputt gemacht. Meine Existenzgrundlage, die ich mir über Jahrzehnte lang aufgebaut habe, wird mir gerade genommen.“

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Friseurmeister Kai Weinand bangt um seine Existenz

„Und dann sehe ich die ganzen großen Konzerne, Lufthansa, TUI, die mit Milliarden ausgestattet werden. Und wir mit unseren zehn Leuten, wir kriegen nichts. Von uns wird erwartet, dass wir die Füße stillhalten. Es wird von Alternativlosigkeit gesprochen. Es ist nur noch beschämend“, findet der enttäuschte Friseur.

Dabei ist das Friseurhandwerk in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Es gibt hierzulande mehr als 80.000 Friseursalons mit über 240.000 Beschäftigten und rund 20.000 Auszubildenden. Der Jahresumsatz liegt laut Branchenverband bei über 7,5 Milliarden Euro.

In Anja Meyers Salon steht das Telefon nicht still

Nur zwölf Kilometer von Trier entfernt laufen die Geschäfte bestens. „Das Telefon klingelt den ganzen Tag. Die Nachfrage ist riesengroß“, erzählt Friseurin Anja Meyer. Obwohl ihre Stammkunden natürlich Vorrang hätten, habe sie inzwischen 30 Prozent mehr Kunden – aus Deutschland.

Auch Roman Wengler aus Trier sehnte sich nach einem Friseurbesuch. Warum er nach Wasserbillig gekommen ist? „Weil bei uns alles zu ist. Mittlerweile kann ich nicht mehr in den Spiegel sehen“ sagt er. Durch Zufall habe er gelesen, dass in Luxemburg Friseurbesuche möglich seien. „Ich habe ein paar Tage gezögert. Richtig gut fühle ich mich nicht“ sagt er vor dem Besuch. Als er Anja Meyers Salon mit gestutztem Haar verlässt, strahlt er. „Ich fühle mich wie ein neuer Mensch.“

"Viele Menschen sehnen sich nach einem Wohlfühl-Gefühl"

Anja Meyer
Volles Haus bei Anja Meyer- mit Abstand, Masken und Hygiene.

Die Kunden kommen bei weitem nicht nur aus der Region. Friseurin Meyer sagt, sie habe Anfragen aus Köln und Bonn, auch aus Frankfurt und Hamburg hätten Frauen angerufen. Am Vortag sei eine Kundin aus München bei ihr gewesen. München ist über 500 Kilometer entfernt, fünfeinhalb Stunden dauert die Fahrt bei normalem Verkehr.

Warum nehmen Menschen das auf sich? „Viele Menschen sehnen sich nach einem Wohlfühl-Gefühl, sie möchten sich im Spiegel gut ansehen.“, sagt Meyer. Ihre Kundinnen seien „total happy, dass sie einen Termin kriegen und dass sie verschönert werden.“

Mit ihren deutschen Kollegen habe sie großes Mitgefühl, sagt sie. Sie ist froh, dass sie noch arbeiten darf. Kai Weinand würde gern mit ihr tauschen.