"Herr" oder "Frau": Queere Community fordert UmdenkenRené_ Hornstein fühlt sich ausgeschlossen - Ticketverkauf bringt Deutsche Bahn vor Gericht

Die Gesellschaft entwickelte in den letzten Jahren zunehmend mehr Raum für Toleranz und Diversität, egal wen die Menschen lieben oder welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen. René_ Hornstein – der Unterstrich im Vornamen zeigt die nicht-binäre Variante, also eine dritte geschlechtliche Option – zog nun stellvertretend für alle Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen, vor Gericht. Verklagt wurde die Deutsche Bahn, weil es beim Online-Ticketverkauf nur die Anrede „Herr“ oder „Frau“ zur Auswahl gibt. Die Forderung vor dem Frankfurter Oberlandesgericht am Dienstag war zum einen eine Klage auf Unterlassung, sprich, dass man beim Ticketerwerb überhaupt kein Geschlecht angeben muss. Zum anderen ging es um Schmerzensgeld und ein Umdenken der Gesellschaft.

"Divers" - nicht bei der Deutschen Bahn

René_ Hornstein ist einer von vielen Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen. „Frau“, „Mann“ oder „Divers“ sind die häufigsten Anredeoptionen, die in Kontaktformularen zu finden sind, doch nicht bei der Deutschen Bahn.

Nun stand René_ vor dem Frankfurter Oberlandesgericht und kämpfte für die Rechte der queeren Community – gegen die Deutsche Bahn: "Das Problem liegt darin, dass ich, wenn ich ein Ticket kaufen möchte, ich gezwungen bin, entweder als Herr oder Frau bezeichnet zu werden und das auf dem Ticket abgedruckt wird." Auch in Briefen oder Rechnungen werde René_ unerwünscht als „Herr“ angeschrieben.

René_: "Mich hat das ziemlich umgehauen"

So wie die Bahn ließ auch die Vertreterin der Rechtsabteilung auf sich warten. Auch sonst schienen die Anwälte René_s Problem nicht wirklich verstehen zu wollen. Fast zwei Stunden versuchte der Senat die Parteien für einen Vergleich zusammenzuführen – die Situation während der Verhandlung bedrückte René_ sehr: „Ich wurde mit dem falschen Pronomen benannt und es wurde sich dafür nicht entschuldigt und auch nicht angesprochen. Es wurde einfach gemacht. Mich persönlich in der Situation hat das ziemlich umgehauen, also ich bin sehr traurig geworden und hatte Schwierigkeiten, dem Verlauf der Verhandlung noch zu folgen."

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Das Ziel: Ein Urteil, kein Vergleich

Bei der Verhandlung ging es René_ um das Umdenken der Gesellschaft. Die Rechtsanwältin Friedericke Boll versteht die Situation sehr gut, denn sie setzte sich bereits mehrfach für die Interessen queerer Menschen ein: „Wenn man sich jetzt auf einen Vergleich einlässt statt auf ein Urteil, dann verpufft eigentlich diese Austrahlungswirkung von diesem Urteil und wir wollen, dass Diskriminierung auch darüber hinaus abgeschafft und beseitigt wird."

Die klagende Seite forderte eine schnelle und neutrale Lösung für alle nicht-binäre Personen, indem zum Beispiel kein Geschlecht beim Ticketkauf angegeben werden muss. Aber auch Schmerzensgeld wird von René_ gefordert: „Ich erwarte, dass das Gericht mir ein Schmerzensgeld zuspricht, die Höhe ist abzusehen, aber das Signal das davon ausgeht, ist das Misgenderung in Deutschland Strafe mit sich bringt."

Eine Änderung der IT-Systeme bis 2023

Die Bahn bietet eine Änderung der IT-Systeme bis 2023 an. Obendrauf würde René_ eine Bahncard 100 bekommen, die bis dahin gültig sei. Für die klagende Seite ist das keine Grundlage für einen Vergleich – René_ geht es bei dem Prozess nicht um die eigenen Vorteile.

Das Oberlandesgericht Frankfurt kündigte nach den Verhandlungen ein Urteil für den 21. Juni an. Das Landesgericht Frankfurt gab René_s Klage zwar inhaltlich statt, verweigerte aber eine Entschädigung. (hdi/bch/dpa)