Erschütternde Tierschutzverstöße bei spanischem LieferantenHühner brutal getreten und in Käfige gestopft: Fleischskandal bei Lidl weitet sich aus
Es sind Bilder, die einfach nur fassungslos machen. Warum machen Menschen so etwas? Warum treten, werfen und stopfen Arbeiter die Tiere absichtlich in den Stall oder schlagen Küken auf brutale Weise tot? Die schlimme Tierquälerei ist verdeckt im Hühnermaststall des spanischen Lidl-Lieferanten Sada aufgenommen und der Organisation Equalia zugespielt worden. Es geht hier um klare Verstöße gegen europäisches Tierschutzrecht – obwohl der Betrieb mit einem spanischen „Tierwohl“-Siegel ausgezeichnet ist.
Recherchen decken weitere Misshandlungen an Masthühnern auf
Bereits Ende Oktober sorgten die Aufnahmen der Organisation „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ aus einem Stall in Niedersachsen für viel Aufsehen: Tiere sind auf engstem Raum zusammengepfercht und überzüchtet. Masthühner leiden unter den Folgen ihres Extremwachstums. Die Szenen sind schon schwer zu ertragen. Jetzt decken Recherchen weitere Misshandlungen bei Masthühnern auf – das Fleisch dieser Tiere landet im Discounter.
Sowohl auf den spanischen als auch auf den deutschen Aufnahmen sind viele kranke und tote Hühner zu sehen. Gegen beide Lieferanten sind Anzeigen erstattet worden.
Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Equalia, weitere europäische Tierschutzorganisationen und mehr als 146.000 Unterstützer fordern Lidl erneut auf, seine Tierschutzstandards in der Hühnermast europaweit anzuheben.
Drückt sich Lidl vor richtigem Tierschutz?
„Die neuen Recherche-Videos beweisen, dass Tierschutzverstöße bei Lidl-Lieferanten nicht bloß Ausnahmen sind, wie der Discounter behauptet. Lidl weigert sich nach wie vor, die systemimmanenten Probleme der Hühnermast ernsthaft anzugehen“, sagt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung. Die Tierschutzorganisation fordert Lidl deshalb nochmals auf, mindestens die Kriterien der Europäischen Masthuhn-Initiative umzusetzen. „Das Management muss sich jetzt entscheiden, ob es in Sachen Tierschutz weiter auf der Bremse stehen oder nicht doch lieber eine Führungsrolle übernehmen will. Wegducken kann sich Lidl jetzt jedenfalls nicht mehr“, so Klosterhalfen weiter.
Lidl Spanien habe bereits Kontakt mit dem Lieferanten aufgenommen, um die Vorwürfe zu überprüfen. Das Unternehmen teilte auf RTL-Nachfrage mit, man spreche sich „in aller Deutlichkeit gegen Tierschutzverstöße aus und verurteilt die im genannten Video gezeigten Missstände aufs Schärfste“. Das Unternehmen stehe mit den Lieferanten in Deutschland weiterhin in Kontakt. „Der Lieferant wird den betroffenen Mastbetrieb in den kommenden Wochen engmaschig beobachten und begleiten“, äußerte Isabel Lehmann von Lidl Deutschland. Bisher habe es bei Sonderprüfungen durch externe Sachverständige beim Mastbetrieb des deutschen Lieferanten keine Auffälligkeiten gegeben.
Die Firma werde weiter intensiv daran arbeiten, ihr Sortiment in Zusammenarbeit mit den Partnern und Lieferanten entlang der gesamten Lieferkette tierwohlgerechter zu gestalten. „Langfristig werden wir unser Frischgeflügel vollständig auf die Haltungsstufen 3 und 4 umstellen“, sagte Lehmann.
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Labels wie „Initiative Tierwohl“ ändern nichts an dem Problem Qualzucht
Die Tiere in den Aufnahmen können sich kaum auf den Beinen halten, weil sie auf ein extremes Wachstum hin gezüchtet wurden. Vor allem die Brustmuskulatur wird unnatürlich groß. Heutige Masthühner erreichen ihr „Mastendgewicht“ schon nach etwa fünf Wochen – viermal schneller als noch vor einigen Jahrzehnten. Knochen und Organe der Tiere sind überlastet. Schmerzen, Deformationen und Organversagen sind die Folgen.
Ein weiteres großes Problem: die tristen und voll gestopften Ställe in den Aufnahmen aus Deutschland und Spanien. Die Hühner vegetieren in ihren eigenen Fäkalien und neben den Kadavern ihrer Artgenossen vor sich hin. Beschäftigungs- oder Ruhemöglichkeiten haben die Tiere nicht. Skandalöse Zustände wie diese sind laut Tierschutzorganisationen normal in der konventionellen Tierhaltung. Schätzungsweise sterben rund fünf Prozent der Tiere schon vor der Schlachtung. Labels wie die „Initiative Tierwohl“ ändern daran nichts, denn das Problem Qualzucht werde zu wenig beachtet.
Die Europäische Masthuhn-Initiative, die von der Albert Schweitzer Stiftung mit ins Leben gerufen wurde, fordert für alle Hühner eines Unternehmens mehr Platz, Tageslicht und Beschäftigungsmöglichkeiten. Das brutale Einfangen der Tiere soll auf ein Minimum reduziert werden. Außerdem sollen die Tiere möglichst stressfrei geschlachtet werden.
(Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt/ dpa/ gsc)