Erst Einbürgerung, jetzt Zuwanderung

Mit Punkten zu mehr Arbeitskräften: So will die Bundesregierung ausländische Fachkräfte zu uns locken

Ob Autoindustrie, Bäckerei oder Ingenieurwesen: fast alle Branchen in Deutschland kommen mit ihren Aufträgen nicht mehr hinterher, weil Fachkräfte fehlen. Die Folge: oft monatelange Wartezeiten auf Wärmepumpen und ähnliches, viele Handwerksbetriebe müssen sogar ganz schließen, weil der Nachwuchs fehlt.
Doch die Bundesregierung will das Problem beheben und hat im Kabinett nun eine neue Regelung auf den Weg gebracht.

Ausbildung soll weniger Bedeutung bekommen

Das Eckpunktepapier geht dabei teils vollkommen neue Wege. War es bisher so, dass ausländische Fachkräfte eine abgeschlossene Ausbildung in dem Beruf vorlegen mussten, in dem sie hier arbeiten wollen, soll sich das nun grundlegend ändern. Auch fachfremde Arbeiter sollen sich bei uns auf Stellen bewerben können. Ein Mechaniker könnte etwa als Lagerist oder eine Polizistin als Kellnerin angeworben werden.

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Doch ganz ohne Regeln geht es auch nicht. Denn wie bisher benötigt man auch künftig ein Arbeitsvisum, um in Deutschland arbeiten zu dürfen (wenn man aus Nicht-EU-Ländern kommt). Um das zu bekommen, soll künftig ein Punktesystem angewendet werden. Wer bestimmte Kenntnisse (z.B. Sprachkenntnisse) mitbringt und dort Punkte sammelt, hat gute Chancen nach Deutschland kommen und hier arbeiten zu dürfen.

Bewertet werden folgende Kategorien:

  • Sprachkenntnisse

  • Qualifikation

  • Berufserfahrung

  • Deutschlandbezug

  • Alter

Genaue Details – wie viele Punkte man etwa für welches Sprachniveau bekommt – sind noch nicht festgelegt.

Anerkennung von Zeugnissen erleichtern

Um die Einreise von Fachkräften zusätzlich zu vereinfachen, will die Bundesregierung auch bei ausländischen Abschlüssen die Digitalisierung voranbringen und weitere Hürden abbauen. Ämter sollen in Zukunft z.B. Nachweise und Zeugnisse auch in nicht deutscher Sprachen akzeptieren und Zuwanderer sollen diese dann auch digital einreichen können.

Mit der zuletzt diskutierten Reform der Einbürgerung, also der Verleihung des deutschen Passes, hat die Maßnahme aber erst mal nur am Rande zu tun. Vorwiegend sollen Fachkräfte angeworben werden. Die könnten sich aber natürlich nach einer festgesetzten Frist (bisher acht Jahre) auf einen Deutschen Pass bewerben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will diese Frist aber ebenfalls reduzieren – auf fünf Jahre. Doch der Schritt wird in der Ampel-Regierung noch heiß diskutiert.

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Merz fürchtet Schaden für Deutschland

Für die Union ist ein solches Eckpunktepapier schlicht unnötig. CDU-Chef Friedrich Merz sagte im ZDF-Morgenmagazin: „Wir haben in Deutschland ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz (...) aber wir schöpfen die vorhandenen Potenziale nicht aus.“ Es gäbe 2,5 Millionen Arbeitslose und 1,9 Millionen offene Stellen. „Da funktioniert der Arbeitsmarkt nicht“, so Merz.

Der CDU-Chef fürchtet außerdem, dass Fachkräfte aus anderen Ländern die Industrie in Deutschland nachhaltig beschädigen könnten. „Das Problem ist, dass viele gar keinen (Berufsabschluss) haben (...) Wir bekommen nach Deutschland viele Menschen, die hier im Arbeitsmarkt nicht unterzubringen sind. Und die, die wir brauchen, wollen nicht.“

Heißt im Klartext: Merz befürchtet, dass die Ausbildung im Ausland für deutsche Standards zu schlecht sein könnte.

Experte: Bürokratie ist ein Dickicht

Ein weiteres Problem sieht Arbeitsmarktexperte Alexander Spermann. „Wenn Sie Arbeitskräfte z.B. aus Brasilien oder Indien gewinnen wollen, dann sind die im Dickicht der deutschen Bürokratie zwischen Ausländerbehörde, Konsulat und Regierungspräsidium gefangen.“

Hier sieht auch Merz noch enormen Handlungsbedarf. In anderen EU-Ländern warteten ebenfalls „hunderte, wenn nicht tausende“ Fachkräfte darauf hierher kommen zu dürfen. „Sie kommen aber nicht, weil die Bedingungen hier fürchterlich sind.“

(dpa, sst)

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