Ein Erfahrungsbericht
Corona-Quarantäne: Das Virus ist einfach schneller als der Amtsweg

Es ist jetzt 10 Tage her, seit wir aus dem Urlaub zurück sind und die Reise ins deutsche Test-und Nachverfolgungswesen begann. Ein Flieger voller Reiserückkehrer aus dem Risikogebiet landet planmäßig am neuen Flughafen BER in Berlin. Eigentlich müssen alle jetzt zum Coronatest und in Quarantäne, doch was machen wir: Aussteigerkarten auf Papier ausfüllen und dem Kabinenpersonal aushändigen. Denen ist das aber ziemlich egal, wer da was ausfüllt und abgibt. Die Infos der Karten über die genaue Reiseroute, Sitzplatz im Flieger und Kontaktdaten können ja zur Nachverfolgung hilfreich sein. Könnten.
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Corona-Testzentren - geschlossen!

Also erstmal zum Coronatest. Das schicke Covid19-Testzentrum am neuen Flughafen ist gefunden, nur hat es leider zu! Geschlossen, obwohl gerade ein Flieger aus dem Risikogebiet gelandet ist, es werde privat betrieben und schließe um 19 Uhr, heißt es am Infoschalter. Aber am Hauptbahnhof gibt es ja auch noch ein Testzentrum. Ab in die S-Bahn und als wir da ankommen, erklärt ein Rote-Kreuz-Mitarbeiter uns und anderen Reisenden, es ist geschlossen und macht auch nicht mehr auf.
Bis hierhin könnte man schon aufgeben und sagen, dann eben nicht. Aber als verantwortungsvolle Reisende weiß ich um die Verpflichtung, mich innerhalb von 72 Stunden testen zu lassen. Also die 116 117 anrufen, im Internet nach Ärzten suchen. Bei der ersten keiner da, bei der zweiten Nummer Test erst ab nächste Woche Montag wieder und bei der dritten Nummer keine Teströhrchen mehr da, deshalb auch kein Test mehr möglich. Nicht aufgeben, oder doch? Schließlich eine Praxis, die uns testen will.
Das Ergebnis des Tests, so heißt es dort, könne ich in meiner Corona-Warn-App abrufen. Bis heute zeigt mir die App an: Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Der Test ist jetzt eine Woche her. Seitdem sind wir in Quarantäne.
Positives Testergebnis: Aber die Arzthelferin weiß nicht von wem...
Plötzlich Freitag nachmittag ein Anruf auf dem Handy, man teilt uns das Testergebnis mit: POSITIV. Kurze Verwirrung, die Arzthelferin weiß nicht so genau, wessen Ergebnis genau. Es sei wohl der Test meines Mannes und das positive Ergebnis werde jetzt ans Gesundheitsamt gefaxt, die würden sich melden. Mein Test ist nicht zu finden. Achselzucken. Schönes Wochenende! Und, was jetzt? In Quarantäne sind wir ja schon, Symptome haben wir keine! Und waren im Urlaub nur zu zweit wandern, keine Partys, keine Restaurantbesuche, Natur pur! Wo haben wir uns denn bloß angesteckt? Wie schwer werden wir erkranken?
War es der Flieger, trotz Fiebermessen vorm Einstieg, Abstand halten und Maskenpflicht? Werden jetzt alle Mitreisenden informiert? Denkt man. Es gibt doch die Aussteigerkarten, die landen bei den örtlichen Gesundheitsämtern, heißt es, nur wann und was machen die damit? Müssen ja ziemliche Papierberge sein. Wir bleiben zuhause und hoffen, dass wir nicht krank werden und dass wir niemanden angesteckt haben.
Aber wie verhält man sich zu zweit in Quarantäne, wenn ein Testergebnis positiv ist? Im Zimmer verbarrikadieren, nicht mehr miteinander reden, zuhause Maske tragen, Türklinken und das Klo nach jeder Benutzung desinfizieren... irgendwie kommt mir das unpraktikabel und auch unmenschlich vor. Braucht man doch mit einem positiven Testergebnis in erster Linie Zuspruch und Zuwendung und nicht Abschottung und Alleinsein. Aber wir wollen nichts falsch machen und rufen das Gesundheitsamt an. Besser wollen das Gesundheitsamt anrufen. Zwischen 8 und 16 Uhr ist immer besetzt und nach 16 Uhr läuft der AB. Keine Auskunft, keine Info.
Die häusliche Isolation schlägt uns aufs Gemüt

Im Netz findet sich die Verordnungen „Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I“ Darin so schöne Sätze wie die „Während der Zeit der Isolation hat die Kontaktperson der Kategorie I ein Tagebuch zu führen, in dem – soweit möglich – zweimal täglich (mit einem Zeitabstand von mindestens sechs Stunden zwischen den Messungen) die Körpertemperatur und – soweit vorhanden – der Verlauf von Erkrankungszeichen sowie allgemeine Aktivitäten und der Kontakt zu weiteren Personen festzuhalten sind.“ Wir treffen niemanden und haben auch keine der üblichen Symptome wie Husten, Fieber, Geschmacksverlust. Viel ist da nicht zu notieren.
Langsam reicht es uns, wir zählen die Tage bis zum Ende der Quarantäne, aber sind es nun 10 oder 14 Tage und zählt man ab dem Datum der Reiserückkehr, dem Tag des Tests oder dem Datum des Testergebnisses? Wir würden ja gern das Gesundheitsamt fragen, aber da geht ja keiner ran. Derweil schlägt uns die häusliche Isolation aufs Gemüt, wir erfreuen uns zwar bester Gesundheit, sind aber eingesperrt. Einmal war die Nachbarin für uns einkaufen, aber wie oft können wir sie bitten? Wir bestellen online, was wir brauchen, es wird eine lange Liste im Warenkorb. Vor dem Bezahlen noch das Lieferdatum wählen: AUSGEBUCHT, und zwar die nächsten vierzehn Tage!
Ob wir nicht doch schnell mal in den Supermarkt gehen mit Maske und Abstand, sieht ja keiner, merkt ja keiner, aber nein: Quarantäne heißt zuhause bleiben, sicher ist sicher. Quarantäneverstöße werden laut Bußgeldkatalog übrigens mit 500 - 2.500 Euro Strafe belegt. Muss ja auch nicht sein.
Dann, eine Woche nach dem positiven Testergebnis, wir hatten damit schon nicht mehr gerechnet, meldet sich ein Herr vom Gesundheitsamt bei uns. Mit unterdrückter Rufnummer. Zwei Fragen – leicht sächselnd –, ihr Geburtsdatum bitte und haben Sie Symptome? Auch er verwechselt die Personen. Er teilt uns mit: Die Quarantäne endet am 14.11. um 0 Uhr. Und das bekommen Sie auch noch schriftlich, per Post als Bestätigung für den Arbeitgeber. Bleiben Sie gesund. Das wars.
10 Tage Quarantäne: Eine schweigende Corona App, Zweifel am Testergebnis, von wegen Kontaktnachverfolgung, keine Info, kein Ansprechpartner.
10 Tage, in denen mir klar geworden ist, warum sich das Virus in Deutschland so schlecht eindämmen lässt: Es ist einfach schneller als der Amtsweg.
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