Ungeheure Umweltkatastrophe

Dramatisches Fischsterben in der Oder: "Davon wird sich der Fluss auf Jahre nicht erholen"

Fische sterben in der Oder aufgrund von Gift Fischsterben in der Oder
02:21 min
Fischsterben in der Oder
Fische sterben in der Oder aufgrund von Gift

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Als wären die Fische in Deutschland durch die Hitzewellen und die vertrockneten Seen und Flüsse nicht schon genügend Gefahren ausgesetzt, sorgt nun eine Umweltkatastrophe in der Oder für Lebensgefahr und bereits Tonnen von toten Fischen.

Zu spät gewarnt?

Die Bilder sind furchtbar: Unzählige tote Fische liegen flach auf dem Wasser der Oder und werden ans Ufer geschwemmt. Noch ist die Ursache unklar, doch das brandenburgische Umweltministerium hat laut eigenen Angaben mithilfe von Untersuchungen erste Hinweise auf einen hoch giftigen Stoff bekommen.

Am Donnerstag hatte sich bereits die polnische Umweltschutzbehörde gemeldet und angegeben, dass der Auslöser für das Fischsterben wahrscheinlich eine Verschmutzung durch die Industrie sei, was aber wohl nicht die ganze Wahrheit ist.

Kritik kam nämlich von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne), der auf fehlende Informationen der polnischen Behörden verwies und um Aufklärung bat. Die Folgen werden seiner Einschätzung nach noch lange zu spüren sein. „Für die Oder als ökologisch wertvolles Gewässer ist das ein Schlag, von dem sie sich mehrere Jahre vermutlich nicht mehr erholen wird“, sagte der Grünen-Politiker am Freitag. Die Fischbestände müssten erst langsam neu aufgebaut werden. Er sagte zudem, dass man festhalten müsse, dass die Meldeketten zwischen der polnischen und der deutschen Seite in diesem Fall nicht funktioniert haben.

11.08.2022, Brandenburg, Brieskow-Finkenheerd: Tote Fische schwimmen in der Oder bei Brieskow-Finkenheerd. In der Oder ist es zu einem massiven Fischsterben gekommen. Behörden in Brandenburg warnen davor, das Flusswasser zu nutzen oder in Kontakt dam
Tote Fische treiben auf der Oder und verenden unter der Sonne.
fht cul, dpa, Frank Hammerschmidt

Naturschützer gehen von weitreichenden Folgen für den Nationalpark Unteres Odertal aus. „Die Auswirkungen sind einfach furchtbar“, sagte der stellvertretende Nationalparkleiter Michael Tautenhahn der Deutschen Presse-Agentur. „Für den Nationalpark ist das schlichtweg eine Katastrophe.“ Die Vergiftungswelle sei komplett durch die Oder gegangen. Über die gesamte Strombreite habe man tote Fische treiben sehen. Betroffen seien etwa Zander, Welse, Gründlinge und Steinbeißer. Seeadler und andere Vögel könnten Gift durch die toten Fische aufnehmen. Der Nationalpark Unteres Odertal zählt zu den artenreichsten Lebensräumen in Deutschland.

Giftiger Stoff gelang in die Oder

Mittlerweile hat sich auch das Landeskriminalamt (LKA) in den Fall eingeschaltet und Ermittlungen eingeleitet. In diesen Stunden werden von den Behörden Proben ausgewertet und die Ergebnisse laut des Ministeriums in Potsdam am heutigen Freitag veröffentlicht.

Zudem bleiben die offiziellen Warnungen, Kontakt mit dem Wasser aus der Oder zu meiden, bestehen.

Nach Angaben der polnischen Umweltschutzbehörde wurde das Fischsterben wahrscheinlich von einer Wasserverschmutzung durch die Industrie ausgelöst. Man versuche, mit Drohnenüberflügen potenzielle Verschmutzungsquellen aufzuspüren. Polen wird die Untersuchungsergebnisse von massenweise verendeten Fischen aus der Oder aber frühestens am Sonntag vorlegen können. Bislang habe das Staatliche Forschungsinstitut in Pulawy noch keine Fische erhalten, sagte der Leiter Krzysztof Niemczuk am Freitag der Nachrichtenagentur PAP.

Die Fische sollen auf Metalle, Pestizide und andere giftige Stoffe untersucht werden. „Es gibt so viele Substanzen, die das Fischsterben verursacht haben könnten, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen können, was die Ursache sein könnte“, sagte Niemczuk.

 Thousands of dead fish in a river on a Polish-German border Photo: NewsLubuski/East News Members of National Fishing Guard pick up dead fish from the Oder river near Krosno Odrzanskie on August 10, 2022 in western Poland near the German border. In r
An der deutsch-polnischen Grenze hatten Helferinnen und Helfer alle Hände voll zu tun.
www.imago-images.de, IMAGO/Eastnews, IMAGO/NewsLubuski
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Tonnenweise toter Fisch

Über die Gesamtanzahl der toten Fische konnten beide Behörden keine Angaben machen. Von der polnischen Wasserbehörde heißt es aber, dass Mitarbeiter, Angler und freiwillige Helfer bereits zehn Tonnen verendeten Fisch geborgen hätten.

Das bedeutet für sie im Umkehrschluss, dass es alle Beteiligten mit einer gigantischen und entsetzlichen Umweltkatastrophe zu tu haben.

Nach Einschätzung des Naturschutzbunds (Nabu), müsse der Verursacher des Fischsterbens in der Oder zur Rechenschaft gezogen werden. Das Fischsterben an der Oder zeige, wie wichtig die konsequente Überwachung von Umweltauflagen sei, teilte der Nabu-Landesverband am Freitag in Potsdam mit. Auf polnischer Seite sei das offenbar vernachlässigt worden. Dadurch würden nun weite Teile der Oder und ihres Umfeldes gefährdet.

Bereits Ende Juli tote Fische gefunden

Gegenüber der dpa klagte Fischermeister Henry Schneider aus dem Kreis Oder-Spree: „Sowas haben wir noch nicht erlebt. Tote Fische sind überall zu sehen. Es sind viele.“

Und auch die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Antje von Brook, sparte nicht mit Kritik: „Diese ökologische Katastrophe hätte kein solches Ausmaß, wenn deutsche und polnische Behörden intensiver zusammengearbeitet hätten“, eine umfassende politische Aufarbeitung sei nötig.

Aus dem brandenburgischen Umweltamt heißt es, dass es keine offizielle Meldung von polnischer Seite erhalten habe, aber auch in Polen ist man sich nicht ganz einig. Demnach gibt es dort Vorhaltungen, dass die Bevölkerung nicht gewarnt worden sei, keine Fische aus der Oder zu essen und nicht im Fluss zu baden. Dabei waren in Polen schon Ende Juli tote Fische gefunden und Wasserproben entnommen worden.

 Thousands of dead fish in a river on a Polish-German border Photo: NewsLubuski/East News Dead fish are seen on the bank of the Oder river near Krosno Odrzanskie on August 10, 2022 in western Poland near the German border. In recent days thousands of
Die toten Fische werden ans Ufer gespült und locken Tiere wie Schlangen an.
www.imago-images.de, IMAGO/Eastnews, IMAGO/NewsLubuski

Bevölkerung soll nicht ins Wasser

Der Kreis Märkisch-Oderland kündigte noch am Donnerstag an, dass die Kadaver der Fische an den Ufern entsorgt werden sollen. Ein Sprecher sagte, Vögel und Schlangen würden durch das Aas angelockt werden. Dabei solle aber nicht die Bevölkerung helfen, die Entsorgung der Kadaver solle koordiniert ablaufen.

Im polnischen Fernsehen wurden Bilder von Freiwilligen veröffentlicht, die tote Fische in großen Mengen aus dem Fluss holten und einer der Helfer beklagte, er habe durch die Berührungen mit dem Wasser rötliche Hautreizungen an den Händen bekommen. Die polnische Armee wurde zur Unterstützung gerufen.

Warn-Apps funktionierten

In Brandenburg wurde in der Stadt Frankfurt (Oder), im Kreis Märkisch-Oderland und auch in den Kreisen Oder-Spree, Uckermark und Barnim dazu aufgerufen, direkten Kontakt mit dem Wasser zu vermeiden. Dazu zählt selbstredend auch das Baden in den Gewässern.

In Schwedt wurde eine Flussbadestelle vorsorglich gesperrt, über offizielle Warn-Apps wurde die Bevölkerung bereits vor Kontakt mit dem Wasser gewarnt. (nul)