Psychologe Michael Thiel Doktorspiele: Hier sollten Eltern auf jeden Fall einschreiten!

Doktorspiele bei Kindern sind normal - aber wann sollten Eltern besorgt sein?
Doktorspiele bei Kindern sind normal - aber wann sollten Eltern besorgt sein?
NN, picture alliance, dpa

Doktorspiele sind voll okay! Aber wann geht es zu weit?
Schon seit Langem ist eine verbietende und strafende Erziehung im Hinblick auf die sexuelle Entwicklung von Kindern nicht mehr gewünscht. Kinder sollen sich in einer geschützten Zone selbst und gegenseitig erforschen dürfen. Eine Voraussetzung dafür, dass sich kein gestörtes Verhältnis zur Sexualität entwickelt – da sind sich Psychologen sicher.

Der Schutz des Kindes hat erste Priorität

Trotzdem sind Eltern auch heutzutage oft noch verunsichert, wenn sie von Handlungen Kenntnis bekommen. RTL hat mit dem Psychologen Michael Thiel darüber gesprochen.

Er sagt dazu: „Der Schutz Ihres Kindes hat erste Priorität, ziehen Sie es unaufgeregt, aber bestimmt, zum Beispiel mit den Worten ‚Ich möchte nicht, dass ihr das jetzt spielt‘ aus der Situation heraus.“ Dann sollten Eltern ihrem Kind altersgerecht erklären, warum sie das tun mussten, zum Beispiel mit dem Satz: „Ich sah, wie mit Dir etwas gemacht wurde, was Du nicht mochtest.“ Im Anschluss sollten Eltern das Gespräch mit dem anderen Kind und dessen Eltern suchen und dann klare Grenzen setzen, was mit ihrem Kind erlaubt ist und was nicht, so der Experte.

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Im Video: Doktorspiele - darauf müssen Eltern und Erzieher achten

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Doktorspiele sind eine normale Entwicklungserfahrung

Der derzeitige Stand der psychologischen Forschung deute aber insgesamt darauf hin, dass Doktorspiele bei Kindern eine normale Entwicklungserfahrung sind. „Generell wollen Kinder bei Doktorspielen in den meisten Fällen nur schauen, weil sie neugierig sind“, so Thiel. Das ermögliche es den Kindern, ihren Körper zu erkunden und soziale Rollen zu verstehen. „Sexuelle Befriedigung hat damit nichts zu tun.“

Für Psychologen seien offene Kommunikation mit Kindern und angemessene Aufklärung über Privatsphäre dabei wichtige Aspekte, um eine gesunde Einstellung zur Sexualität zu fördern. Aber: „Es ist wichtig, auf die Altersangemessenheit solcher Spiele zu achten“, so Thiel. Dabei gilt auch: „Kinder, die zusammen ihre Körper erkunden wollen, sollten im gleichen Alter sein, also meistens im Kindergartenalter. Darunter oder darüber sollte die Altersgrenze nicht liegen.“

Wurde ein Kind Opfer von Missbrauch?

Aber was sollten Eltern tun, wenn sie den Eindruck haben, dass das Spielverhalten etwa eines Spielkameraden oder einer Spielkameradin seltsam ist - und befürchten, dass es Opfer von Missbrauch ist? „Spezifische Anzeichen im Verhalten von Kindern, die eindeutig auf einen sexuellen Missbrauch hindeuten, gibt es nicht“, klärt dazu die Info-Stelle der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes auf.

„Das Verhalten von missbrauchten Kindern ist alters- und persönlichkeitsbedingt sehr verschieden und entspricht keinem vorhersehbaren Muster.“ Relativ sichere körperliche Anzeichen für sexuellen Missbrauch sind demnach: Unterleibsverletzungen, Blutergüsse und Bisswunden im Genitalbereich sowie Geschlechtskrankheiten.

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Manchen Kindern merke man aber nichts an, andere würden sich verändern und Auffälligkeiten zeigen, klärt die Info-Stelle weiter. Darunter fallen zum Beispiel starke Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Bauchschmerzen, Einnässen oder Ängste. „Bisher sehr aufgeschlossene Kinder ziehen sich vielleicht zurück, andere werden gegen sich oder andere aggressiv. Einige spielen altersuntypisch sexuelle Handlungen nach oder benutzen eine auffällig sexualisierte Sprache.“

Generell gelte: Verhaltensauffälligkeiten von Kindern sind immer ein Hilferuf, dessen Ursache mit fachlicher Unterstützung abgeklärt werden sollte. Eine Meldung beim Jugendamt und/oder Polizei sollte dann erfolgen.

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Seien Sie immer aufmerksam!

Psychologe Michael Thiel
Psychologe Michael Thiel rät zur Wachsamkeit, auch wenn Doktorspiele generell harmlos sind.
Michael Thiel, Privat, Privat/Michael Thiel

Auch Thiel rät zur Wachsamkeit! „Seien Sie immer aufmerksam, wenn ein älteres Kind oder ein Erwachsener mit Ihrem Kind etwas machen will, was sexuellen Charakter hat! Greifen Sie sofort ein und ziehen Sie Ihr Kind aus der Situation.“ Denn sexuelle Übergriffe – selbst wenn es nur die leiseste Unfreiwilligkeit gibt – brächten massive Probleme für das missbrauchte Kind mit sich. „Missbrauchte Kinder werden später als Erwachsene viermal so häufig wie andere wegen psychischer Krankheiten behandelt“, erklärt er uns. „Ob der Übergriff von Geschwistern oder einem Erwachsenen ausging, ist für die Folgen dabei unerheblich, fand eine kanadische Studie heraus.“

Doktorspiele: Diese Regeln sollten Sie Ihrem Kind beibringen!

Um Kindern einen sicheren und selbstbewussten Umgang bei der Erkundung des Körpers mit auf den Weg zu geben, rät Psychologe Thiel dazu, folgende Regeln zu vermitteln:

  • Deinen Körper abzutasten, Spaß an und mit ihm zu haben - was in der Regel im Kindergartenalter der Fall ist – ist schön und vollkommen in Ordnung! Kids können sich so von Kopf bis Fuß kennenlernen, ein positives Körpergefühl und damit ein hohes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entwickeln.

  • Ganz wichtige Regel: Wenn Du den Körper eines anderen Mädchens, eines anderen Jungen kennenlernen möchtest, dann fragst Du vorher, ob er/sie damit einverstanden ist! Ihr solltet möglichst gleich alt sein. Ihr beide dürft jederzeit „Nein!“ sagen, wenn es euch nicht gefällt, was der andere mit euch macht.

  • Auch sehr wichtig: Wenn jemand – egal ob Kind oder Erwachsener – etwas mit Dir macht, was Du nicht willst und er auf Dein „Nein!“ nicht reagiert, kommst Du jederzeit zu mir und erzählst mir das. Ich werde Dir dann helfen. Es gibt da keine Geheimnisse zwischen uns, okay?

  • Was Du mit Deinem Körper machst, ist allein Deine Sache. Gerade wenn mehrere Menschen zusammen sind und du Spaß mit Deinem Körper haben willst, ziehe Dich lieber in Dein Zimmer zurück. Das nennen wir „privat“.