Neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung
Rund jeder Fünfte hat das Vertrauen in die Regierung verloren
Untersuchung über demokratiegefährdende Einstellungen
„Die Regierung betrügt das Volk“ – dieser Aussage stimmen 16 Prozent der Deutschen zu. Ein nicht geringer Teil unterstützt diese Aussage zumindest teilweise. Das hat die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in einer Studie herausgefunden. Alle zwei Jahre untersucht die Stiftung in der so genannten „Mitte-Studie“ rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland. Sie kommt aber auch zu dem Schluss: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland nehmen ab, dafür wächst der Antisemitismus.
Mehrheit der Deutschen sind überzeugte Demokraten
Für ihre Studie befragten die Forscher und 1.700 repräsentativ ausgesuchte Menschen in Deutschland. Gut 72 Prozent der Befragten sehen sich selbst als überzeugte Demokraten, weniger als zehn Prozent unterstützen diese Aussage gar nicht. Rund 70 % der Befragten fordern: „Wir müssen uns stärker für eine vielfältige und offene Gesellschaft engagieren.“ Ebenso viele Befragte sehen im Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Gesellschaft, noch vor dem Klimawandel, Sozialer Spaltung und der Coronapandemie.
Rechtsextremismus ist rückläufig
Ein geschlossen rechtsextremes Weltbild findet sich laut Studie nur bei einer kleinen Minderheit. Hier beobachten die Wissenschaftler im Vergleich zu früheren Jahren einen deutlichen Rückgang. Relativ gesehen besonders häufig findet sich ein rechtsextremes Weltbild bei Menschen mit geringer Schulbildung. Während 3,2 Prozent der Menschen mit niedriger Schulbildung solche Einstellungen vertreten, sind es bei denjenigen, die einen höheren Abschluss haben, lediglich 0,8 Prozent. Insgesamt befürworten zum Beispiel nur 2,2 % der Befragten eine rechtsgerichtete Diktatur. Nicht wenige teilen aber zumindest latent demokratiefeindliche Ansichten: So befinden sich über 15% mit ihren Antworten in einem Graubereich zwischen Zustimmung und Ablehnung einer solchen Diktatur.
Empfehlungen unserer Partner
Teile anfällig für Populismus
Rund ein Viertel der Bevölkerung ist ganz deutlich offen für populistische Meinungen, doch zumindest in der Tendenz seien es noch mehr, sagen die Autoren der Studie. Der Rechtspopulismus macht dabei aber nur einen Teil aus: Insgesamt teilten 13 Prozent der Befragten deutlich rechtspopulistische Einstellungen. Der Aussage „Die Regierung betrügt das Volk“ stimmen 16 Prozent zu, weitere knapp 20 Prozent sind zumindest teilweise dieser Meinung.
Ablehnung von Antisemitismus nimmt ab
Auch wenn der Großteil Rechtsextremismus ablehnt, nimmt im Vergleich zu den Vorjahren die klare Ablehnung antisemitischer Einstellungen ab. „Die deutliche Ächtung des Antisemitismus weicht auf“, so Prof. Dr. Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein, Co-Autorin der Mitte-Studie. 7,5 Prozent stimmten offen antisemitischen Meinungen zu. Der Graubereich sei mit 14 Prozent aber sehr hoch. Einen israelbezogenen Antisemitismus teilten sogar 13 Prozent mit einem Graubereich von 30 Prozent.
„Die Mitte ist aufgewacht“
Insgesamt bestätige die Auswertung der Umfragedaten einen Trend der Vorjahre. „Generell lässt sich ein Rückgang rechtsextremer und rechtspopulistischer, auch von verschwörungsmythischen Einstellungen [...] beobachten“, fasst Beate Küpper die Auswertungen zusammen. Dass sich auf der einen Seite weniger Menschen zu rechtsextremen Einstellungen bekennen, auf der anderen Seite aber die Zahl der von Rechtsextremisten verübten Gewalttaten zuletzt gestiegen war, ist für sie kein Widerspruch. Sie sagt, ein Teil der Mitte der Gesellschaft sei durch rechtsterroristische Anschläge „erschrocken und aufgewacht“.
Im Juni 2019 hatte ein Rechtsextremist den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen. Im Oktober des gleichen Jahres versuchte ein bewaffneter Attentäter in Halle an einem jüdischen Feiertag vergeblich, in eine Synagoge einzudringen. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss. Im Februar 2020 tötete ein psychisch kranker Rassist in Hanau neun Menschen mit Migrationsgeschichte, seine Mutter und dann sich selbst.