Schenkungen, Bustickets, MerchandiseDas Geschäft mit dem Querdenken - wie sich die Bewegung finanziert

In der Nacht vom 15. und 16. Mai brennt in Stuttgart ein Lastwagen. Darin verstaut ist Bühnentechnik der Stuttgarter „Querdenken“-Bewegung, die auf den Cannstatter Wasen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen abhält. Der Brand lässt nichts übrig – und „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg wirbt um Geldschenkungen, um den Verlust auszugleichen. Wenig später meldet er Erfolg: 220.000 Euro sind zusammengekommen.

Privatpersonen und Unternehmen schicken ihr Geld zu Querdenken

An dieser Episode zeigt sich, wie viel finanzielles Potential in der Bewegung steckt. Anwalt Chan-jo Jun beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Corona-Demonstranten: „Es sind nicht nur die Demonstranten, die auf den Veranstaltungen einen kleinen Schein in einen Sammelkarton stecken“, sagt er. „Es sind auch Unternehmen, die in der Corona-Krise Probleme bekommen haben. Da hofft man, dass sie es der Politik schwer machen, weitere Einschränkungen vorzunehmen.“

 Demonstrant posiert auf der Querdenken-Demo im Rheinpark Golzheim mit einem Grundgesetz und wendet sich gegen die Impfpläne von Bill Gates. Düsseldorf, 06.12.2020 *** Demonstrator poses at the Lateral Thinking Demo in the Rheinpark Golzheim with a Basic Law and opposes the vaccination plans of Bill Gates Düsseldorf, 06 12 2020 Foto:xC.xHardtx/xFuturexImage
Demonstrant auf einer Querdenker-Demo in Düsseldorf
www.imago-images.de, imago images/Future Image, Christoph Hardt via www.imago-images.de

Auch "Honk for Hope" finanziert sich durch Querdenken-Demos

Auch in die „Querdenken“-Infrastruktur fließt viel Geld. Die Interessengemeinschaft „Honk for Hope“ hatte sich ursprünglich gegründet, um auf die Belange der Reisebusindustrie in der Corona-Krise aufmerksam zu machen. Seit Mitte Juli aber kümmert sich die Gruppe um die Demofahrten von Querdenken, man arbeitet eng zusammen. „Honk for Hope“-Chef Alexander Ehrlich spricht sogar auf Demonstrationen und erklärt in internen Telegram-Chats, weshalb Reichsbürger harmlos sind und die Maskenpflicht in den Bussen zwar gilt, aber nicht kontrolliert wird.

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200.000 Euro mit Bustickets - für eine einzige Anti-Corona-Demo

RTL hat mit dem ehemaligen Pressesprecher Joachim Jumpertz gesprochen, der daran nicht mehr beteiligt sein wollte. Der rechnet uns vor: „Zehn bis zwanzig Prozent aller Demoteilnehmer fahren mit dem Bus zum Beispiel zu den Großveranstaltungen nach Berlin. Ein Ticket kostet im Durchschnitt 80 Euro. Allein bei der Großdemo am 1.8. in Berlin hat ‚Honk for Hope‘ mit Bustickets 200.000 Euro eingenommen.“ Die Hälfte geht an die ausführenden Busunternehmen, 100.000 blieben laut Jumpertz bei Ehrlich und Honk for Hope. Selbst nach Steuern und Ausgaben bleibt da etwas übrig.

Was das für die doppelt so große Demo Ende August in Berlin und die weiteren Veranstaltungen im ganzen Land bedeutet, kann man sich vorstellen. „Dazu kommen noch die Schenkungsaufrufe am Ende jeder Buchung“, ergänzt Jumpertz.

"Querdenken" setzt auf Schenkungen statt Spenden

Der Begriff „Schenkung“ taucht immer wieder auf. Sowohl Ballwegs „Querdenken“ als auch Ehrlichs Organisation nutzen diesen juristischen Kniff. Über Schenkungen bis 19.999 Euro muss man nicht Auskunft erteilen, das tun beide auch nicht. Noch dazu ist eine Schenkung nicht zweckgebunden.

Bedeutet: Wer unter einem YouTube-Video eine Schenkung für einen gewissen Zweck, etwa eine Klage wegen Schließungen im Einzelhandel, durchführt, der könnte getäuscht werden. Das Geld läuft auf einem Privatkonto von Michael Ballweg ein und verschwindet dort wie in einem schwarzen Loch. Vielleicht wird es für die Klage benutzt, vielleicht für Rücklagen, andere Investitionen oder auch für den privaten Bedarf von Herrn Ballweg. Oben drauf kommen natürlich noch Einnahmen aus dem Verkauf von „Querdenken-Merchandise“, T-Shirts, Jacken, Pullover.

"Anders als Parteien unterliegt der Querdenken-Gründer als Privatperson keiner Transparenzpflicht"

Solange die Meinungs- und Kontoführer dieser Bewegung darüber keine Auskunft erteilen, öffnet das Spekulationen Tür und Tor. Das sollte sich jeder überlegen, der Geld an „Querdenken“ oder „Honk for Hope“ überweist. Schenkungen lassen sich nämlich nur äußert kompliziert zurückfordern.

Alexander Ehrlich antwortete auf unsere Anfrage bisher nicht - Querdenken äußert sich dazu folgendermaßen: "Anders als Parteien unterliegt der Querdenken-Gründer als Privatpersonen keiner Transparenzpflicht."