"Sozial nicht gerecht!"
Bundestag beschließt Gas- und Strompreisebremse ab Januar 2023

Es ist vollbracht: Der Bundestag hat für die Gas- und Stompreisbremse abgestimmt. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte für das milliardenschwere Gesetzespaket, dass Haushalte und Unternehmen wegen steigender Energiekosten entlasten soll. Ziemliche Bauchschmerzen dürften die Abgeordneten nicht nur wegen der gigantischen Kosten haben. Viele Experten halten die Entlastungen auch für sozial ungerecht.
Strom- und Gaspreisbremse greift ab Januar
Die Gas- und Strompreisbremse soll ab Januar bis zunächst April 2024 Haushalte und Gewerbe entlasten. Das stimmte der Bundestag am Donnerstagvormittag ab. Insgesamt hat die Regierung bis zu 200 Milliarden Euro für Strom- und Gaspreisbremse in Aussicht gestellt. Das soll Verbraucher und Unternehmen wegen der steigenden Energiekosten durch den Ukraine-Krieg entlasten.
Lese-Tipp: Entlastungspakete der Regierung: Was bleibt für eine Durchschnittsfamilie übrig?
Die Deckelung des Gas-, Fernwärme- und Strompreises soll zwar erst ab März umgesetzt, aber für die Monate Februar und Januar rückwirkend angerechnet werden.
Dabei werden bei Gas die Kosten für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf 12 Cent pro Kilowattstunde für Haushalte und Gewerbe begrenzt. Für alles, was darüber hinaus verbraucht wird, gilt der reguläre höhere Marktpreis. Der Strompreis soll auf 40 Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden.
Neben Gaskunden können sich auch Nutzer von Holz-Pellet- und Öl-Heizungen freuen. Die Regierung einigte sich auf Hilfen von bis zu 2000 Euro pro Haushalt.
Lese-Tipp: Hilfen auch für Öl- und Pelletsheizungen: Das ist der Plan der Regierung
Nicht nur Verbraucher und kleine Unternehmen, sondern auch die Industrie soll entlastet werden. Für die rund 25.000 Groß-Verbraucher der Industrie gilt ab Januar ein Preis von 7 Cent für 70 Prozent des Gasverbrauchs und von 13 Cent beim Strom.
Energie-Produzenten sollen Gewinne abgeben
Um das milliardenschwere Entlastungspaket zu finanzieren, sollen im Gegenzug Energie-Produzenten einen Teil ihrer derzeit hohen Erlöse abgeben. Außerdem sollen erneuerbare Energien stärker gefördert werden, um in Zukunft weniger abhängig von fossilen Brennstoffen zu sein.
Damit große Konzerne nicht zu viel profitieren, dürfen sie, wenn sie Hilfen von über 50 Millionen Euro in Anspruch nehmen, keine Boni an Manager und auch keine Dividenden ausschütten. Zudem müssen sie weiterhin Arbeitsplätze garantieren.
Zusätzliche Entlastungen für Kliniken und Pflegeheime
Neben der Gas- und Strompreisbremse hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zusätzliche Entlastungen für Kliniken und Pflegeheime, die ebenfalls unter steigenden Energiekosten leiden, zugesichert. Es sei eine Regelung gefunden worden, die Mehrkosten für Gas und Strom zu 100 Prozent ausgleiche, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag.
Konkret sollen acht Milliarden Euro zur Verfügung stehen, für Kliniken sechs Milliarden Euro, für Pflegeheime zwei Milliarden Euro. Diese Regelung gehe noch über die Entlastungen durch die beschlossenen Energiepreisbremsen hinaus. Trotzdem werde das laut dem Gesundheitsminister nicht gewährleisten, dass „nicht ein einziges Krankenhaus, nicht eine einzige Reha-Klinik“ aufgrund höherer Strom- und Gaspreise aus dem Markt ausscheiden müsse.
Gesetz nicht durch Bundesrat zustimmungspflichtig
Am Freitag soll sich der Bundesrat abschließend mit dem beschlossenen Entlastungspaket befassen. Da das Gesetz allerdings nicht zustimmungspflichtig ist, sind Änderungen ausgeschlossen. Die Entlastungen rund um Strom und Gas werden also ab Januar wie am Donnerstag beschlossen in Kraft treten.
Kritik an Gas-und Strompreisbremse
An den beschlossen Entlastungen gibt es allerdings viel Kritk. „Die soziale Balance der Maßnahmen stimmt nicht“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der Deutschen Presse-Agentur. Die Leistung der Regierung bei der Sicherheit der Energieversorgung verdiene die Note befriedigend, bei den Preisinstrumenten aber nur ausreichend bis mangelhaft. „Beispielsweise Mieterinnen und Mieter einer schlecht isolierten Zweizimmerwohnung haben kaum eine Chance, 20 Prozent einzusparen“, so der Verdi-Chef. „Über den Daumen bedeutet das für sie eine Verdoppelung der Preise im Verhältnis zu 2021. Damit sind unverändert viele Menschen überfordert.“
Außerdem kritisiert Werneke die Ungerechtigkeit bei der Verteilung: „Unterm Strich bedeutet das für die Mieter mit niedrigem oder mittlerem Einkommen aufs Jahr gerechnet eine Unterstützung von einigen 100 Euro. Besitzer eines großen Hauses mit höheren Verbräuchen werden gegebenenfalls mit mehreren tausend Euro unterstützt.“
Auch die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Ramona Pop, findet die Preisbremsen an einigen Stellen verbesserungsbedürftig, „weil sie nicht gezielt wirken.“ Wer viel verbraucht habe, solle mehr bekommen als diejenigen, die schon in der Vergangenheit sparsam unterwegs waren. Gebraucht hätte es ein Mindestkontingent für jene, die in den letzten Jahren bereits gespart haben.
Werneke und Pop machten sich dafür stark, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einem neuen Instrument von direkten staatlichen Zahlungen geholfen werden kann. „Es ist dringend erforderlich, 2023 Haushalte mit geringem bis mittleren Einkommen direkt zu unterstützen - als Energiegeld“, forderte Werneke.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, kündigt deshalb für 2023 mögliche Änderungen bei den Hilfen an. Im Gespräch mit RTL verteidigt sie aber auch die beschlossenen Lösungen: 2Bis wir so ein Instrument gefunden hätten, wären wir wahrscheinlich im nächsten September gewesen.“ Und das wäre in der Tat zu spät.(dpa/jbr)
Spannende Dokus und mehr
Sie lieben spannende Dokumentationen und Hintergrund-Reportagen? Dann sind Sie bei RTL+ genau richtig: Sehen Sie die Geschichte von Alexej Nawalny vom Giftanschlag bis zur Verhaftung in „Nawalny“.
Außerdem finden Sie Dokus zu Politikern wie die persönlichen Einblicke zu Jens Spahn oder zur aktuellen politischen Lage: „Klima-Rekorde – Ist Deutschland noch zu retten?“
Spannende Dokus auch aus der Wirtschaft: Jede sechste Online-Bestellung wird wieder zurückgeschickt – „Retouren-Wahnsinn – Die dunkle Seite des Online-Handels“ schaut hinter die Kulissen des Shopping-Booms im Internet.