Jurist macht schwere Vorwürfe

Staatsanwältin lässt Würger und Vergewaltiger laufen: „Ausfallen der Strafverfolgung“

Polizei im Einsatz, Ein Streifenwagen der Berliner Polizei mit Blaulicht im Einsatz an der Frankfurter Allee Berlin Berlin Deutschland *** Police in action, A Berlin police patrol car with blue lights in action at Frankfurter Allee Berlin Berlin Germany
Der 25-Jährige soll kurz nach seiner Freilassung eine Frau vergewaltigt haben (Symbolbild).
www.imago-images.de, IMAGO/A. Friedrichs, IMAGO/Andreas Friedrichs
von Sabrina Hübscher und Sebastian Stöckmann

Weshalb ist ein Mann, der eine Frau fast zu Tode gewürgt hat, einen Tag später wieder auf freiem Fuß? Zwei Gewalttaten eines 25-Jährigen in Berlin bringen die Staatsanwaltschaft in Erklärungsnot. Der Mann hatte am Freitag eine 78-Jährige brutal überfallen und soll kurz nach seiner Freilassung am Folgetag eine Frau (23) vergewaltigt haben. Rechtsanwalt Daniel Lehnert macht der Behörde schwere Vorwürfe.
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Rechtsanwalt: Staatsanwaltschaft hätte Haftbefehl beantragen müssen

Dass kein Haftbefehl gegen den 25-Jährigen erging, sei ein „punktuelles Ausfallen der Strafverfolgung“, sagt der Jurist im Gespräch mit RTL. „Dass die Staatsanwaltschaft nicht bereits im ersten Fall, in dem offensichtlich eine Rentnerin und damit ein besonders schützenswerter Teil unserer Gesellschaft Opfer einer Gewalttat wurde, einen Haftbefehl beim Richter wenigstens beantragte, offenbart, dass dies in den Augen der Justiz ,alles nicht so schlimm’ ist.“

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Berlin: Mann würgt 78-Jährige fast zu Tode

Am Freitagnachmittag klingelt der 25-Jährige laut Polizei bei der 78-jährigen Berlinerin. Als sie die Tür öffnet, drängt er die Frau in die Wohnung, nimmt sie in den Schwitzkasten und würgt sie so stark, dass sie fast stirbt. Im Haus lebende Verwandte hören die Schreie der Frau und eilen ihr zur Hilfe. Nur mit großem körperlichem Einsatz können sie die 78-Jährige aus dem Griff des Täters lösen.

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Vergewaltigung in Flüchtlingsunterkunft Lichterfelde

Der 25-Jährige flieht, doch die Polizei stellt ihn kurze Zeit später und nimmt ihn fest. Eine Vorführung beim Haftrichter lehnt die Bereitschaftsstaatsanwältin ab.

Nach seiner Freilassung am Sonntag kehrt der 25-Jährige in die Flüchtlingsunterkunft in Lichterfelde zurück, in der er wohnt. Am Abend eilen Polizisten zu dem Wohnheim: Eine 23-Jährige ist von einem Mann an ihrer Zimmertür überwältigt und anschließend missbraucht worden. Es soll sich um den 25-jährigen Tatverdächtigen handeln, der am Tag zuvor die Seniorin überfallen hatte. Er kann fliehen.

Berliner Staatsanwältin sah keinen dringenden Tatverdacht

Am Montag äußert sich die Staatsanwaltschaft zu den Vorfällen. „Der Beschuldigte war aufgrund des Angriffs auf die 78-Jährige vorläufig festgenommen und die Vorführung zum Zwecke des Erlasses eines Haftbefehls von der Polizei telefonisch angeregt worden“, heißt es in der Mitteilung. „Durch die Bereitschaftsstaatsanwältin wurde dies abgelehnt: In der Annahme einer nicht hinreichend gesicherten Identifizierung ging sie davon aus, dass bereits der für den Erlass eines Haftbefehls erforderliche dringende Tatverdacht nicht bestünde. Daher erfolgte die Freilassung des Beschuldigten.“

Weil Untersuchungshaftbefehle neben dem dringenden Tatverdacht immer auch einen Haftgrund voraussetzten, habe die Staatsanwaltschaft „eine einzelfallbezogene Prognose vorzunehmen, ob ein solcher Haftgrund vorliegt. Diesen hat die Bereitschaftsstaatsanwältin verneint. Nach ihrer Bewertung hätten weder für die Begehung weiterer Straftaten noch für eine Flucht des Beschuldigten Anhaltspunkte nach dem Angriff auf die 78-Jährige vorgelegen.“

Mögliche Versäumnisse der Staatsanwaltschaft könnten noch nicht abschließend beurteilt werden, würden aber „selbstverständlich geprüft“, erklärt die Staatsanwaltschaft. Beide Tatvorwürfe würden in einer Spezialabteilung für Sexualdelikte zusammengeführt, der 25-Jährige sei noch auf der Flucht.