Vorstand der Ärztekammer Nordrhein befürchtet chaotische Zustände
Wenn die Priorisierung weg ist - "Jeder wird sich selbst der Nächste sein"

Wenn am 7.Juni die Impfpriorisierung fällt, bricht gleichzeitig einiges zusammen: Nämlich die Struktur und Organisation, die sich viele Hausärzte in den letzten Wochen aufgebaut haben. Und das war schon kräftezehrend – ohne Priorisierung wird es jetzt wohl ein „Hase und Igel-Rennen“ werden, befürchtet Dr. Oliver Funken, Vorstandsmitglied der Ärztekammer Nordrhein im RTL-Interview.
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Corona-Impfungen bedeuten für Praxen Dauerstress
Wegen zunehmenden Schwierigkeiten bei der Regelversorgung, wollen einige Hausärzte sogar schon jetzt nicht mehr impfen. „Die Impfung ist ja eine zusätzliche Leistung der Praxen on top. Gleichzeitig ist es so, dass die Informationen, wann welcher Impfstoff kommt, sehr kurzfristig kommen. Patienten müssen einbestellt und abbestellt werden. Das ist eine zusätzliche Arbeit, die die Mitarbeiter so belastet, dass sie eigentlich schon überlastet sind. Und das ist ja ein Dauerstress. Das halten die ja gar nicht aus. Und dann kann man verstehen, dass viele Kolleginnen und Kollegen sagen, wir machen mal eine Pause oder hören ganz auf“, so Funken.
Patienten zwischen Vorfreude und Frust
Der Wegfall der Priorisierung wird den Stress wohl noch verstärken. Denn dann darf sich jeder impfen lassen, kann aber nicht. „Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist zu hoch und die Vorfreude auf die Impfung ist gepaart mit dem Frust, keinen Termin zu bekommen“, sagt Funken im RTL-Interview. Wenn die Priorisierung für die Corona-Impfung weg sei, werde es ein Hase und Igel-Rennen, glaubt er. „Wir haben ja keinen Moralkontext mehr, der das regeln würde. Sondern es heißt ja: Jeder ist sich selbst der Nächste und das werden wir auch merken.“
Bedrohungen und Bestechungsversuche
Schon jetzt gebe es immer wieder „aggressive Anrufe“ in den Hausarztpraxen. Funken spricht unter anderem von Bestechungsversuchen: „Es kommen die theatralischsten Anrufe, es kommen Mails rein, in denen drin steht, wir können Ihnen ein Angebot machen, dass sie nicht ablehnen können. Wir können gerne eine großzügige Spende für Ihre Praxis machen, wir wollen aber gerne morgen in Urlaub fahren, so ungefähr.“ Und für den Impftermin gehen manche sogar noch weiter: „Es gibt aber auch die andere Seite, wo unter massiven Drohungen Termine eingefordert werden. Zum Beispiel: ‘Wenn sie das nicht machen, wird unsere Familie Ihre Praxis verlassen’.“
Ärztekammer muss Praxen bei Laune halten
Kein Wunder, dass einige Hausarztpraxen nicht mehr impfen möchten, wenn dieser Druck vom Patienten noch on top kommt. Die Ärztekammer arbeite jetzt daran, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen trotzdem bei der Stange zu halten. „Wir müssen als Verband jetzt sehen, ob wir eine Organisationsstruktur vorschlagen können, in der sie freiwillig teilnehmen können, damit sie kooperativ solche Impftage durchführen und ihre Praxen entlasten“. Für Patienten gelte auch nach dem 7. Juni noch: Geduld haben.
(mol)
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