Abfrage der Deutschen Umwelthilfe
Plastiktütenflut geht weiter – trotz Verbot
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Von Philip Scupin
Seit einem halben Jahr sind die meisten Plastiktüten gesetzlich verboten, viele Händler aber bieten sie trotzdem weiterhin an. Zu diesem Ergebnis kommt eine Abfrage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die RTL/ntv exklusiv vorliegt.
Viele Händler bieten weiter Plastiktüten an
Demnach haben 6 der 13 größten deutschen Supermarkt- und Drogerieketten noch immer Einweg-Tüten aus Kunststoff im Sortiment. Dies betrifft die Firmen Edeka, Netto Nord, Netto Markendiscount, Norma, Müller und Rossmann. Die Umwelthilfe wirft ihnen vor, „verantwortungslos“ und „verlogen“ zu agieren. „Einweg-Plastiktüten stehen wie kaum ein anderes Produkt für sinnlose Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung“, sagt Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Ketten nutzen legales Schlupfloch im Gesetz
Illegal ist das Vorgehen der Händler nicht, sie nutzen aber eine bewusst eingebaute Lücke im Gesetz aus. Demnach sind nur Plastiktüten verboten, die zwischen 15 und 49 Mikrometer dick sind. Die betroffenen Supermärkte und Drogisten bieten laut der Abfrage nun Tüten mit einer etwas höheren Wandstärke zwischen 50 und 60 Mikrometern an und deklarieren sie als Mehrweg.
Die Umwelthilfe spricht stattdessen von umweltschädlichen Einweg-Produkten mit erwartbar kurzer Lebensdauer. „Händler wie Norma, Rossmann und Edeka versuchen, ihre unökologischen Tüten durch entsprechende Mehrweg-Slogans schönzureden“, sagt der Leiter Kreislaufwirtschaft bei der DUH, Thomas Fischer.
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Supermarktketten verteidigen sich
Die meisten Händler verweisen auf Anfrage von RTL/ntv darauf, dass ihre Kunden Plastiktüten weiterhin wollten. Von den Kunden bekomme man zudem gespiegelt, dass sie dickere Tüten tatsächlich mehrfach nutzten, so die Drogeriekette Rossmann. Edeka schreibt, man motiviere sie genau dazu über entsprechende Aufdrucke. Alle Händler betonen, ihre Tüten bestünden in der Regel aus recyceltem Plastik. Sie seien wegen ihres hohen Recyclinganteils sogar mit Umweltsiegeln ausgezeichnet worden, schreiben Norma und Netto Marken-Discount.
Viele der Firmen weisen zudem daraufhin, dass die noch erhältlichen Plastiktüten nicht gratis seien. Allerdings sind sie zum Beispiel beim Drogisten Müller bereits für 10 Cent und bei Netto Nord für 25 Cent zu bekommen.
Gesetzesverschärfung durch die Bundesregierung?
Die Umwelthilfe fordert die Bundesregierung jetzt zum Handeln auf. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) müsse die Verbotsregelung so anpassen, dass Kunststoff-Tragetaschen nur noch in Mehrwegform angeboten werden dürften, so Geschäftsführerin Metz. Zweifelsfrei Mehrweg seien sie nur ab einer Wandstärke von mindestens 120 Mikrometern – also 0,12 Millimetern.
Das Bundesumweltministerium verteidigt die aktuelle Gesetzeslage. Die dünneren Tüten seien Wegwerfprodukte gewesen, dickere aber würden länger halten, sagt ein Sprecher der Ministeriums bei RTL/ntv. „Somit kann man hoffen, dass sie eine Mehrweg-Alternative sind.“ Man müsse sich zudem an die Regeln der EU-Verpackungsrichtlinie halten, die ein Verbot dickerer Tüten nicht vorsehe. Die Bundesregierung werde aber mit den europäischen Partnern darüber sprechen, ob man weitergehen könne.
"Hemdchenbeutel" weiterhin erlaubt
Ganz von dem Verbot ausgenommen sind übrigens besonders dünne Plastiktüten zum Einpacken von Obst, Gemüse oder Fleisch. Diese sogenannten „Hemdchenbeutel“ will die Bundesregierung vor allem aus hygienischen Gründen weiter erlauben. Zudem fürchtet sie, dass Händler im Falle eines Verbots viele bislang lose Artikel wieder vorverpackt anbieten würden. Das hätte vermutlich einen noch größeren Kunststoffeinsatz zur Folge.
Durch die Ausnahmen für dicke und sehr dünne Tüten fallen unter das seit Januar geltende Verbot allerdings nur 1,5 Milliarden der zuletzt noch 4,7 Milliarden in Deutschland verbrauchten Tüten pro Jahr.
Die Umwelthilfe fordert noch mehr Verbraucherinnen und Verbraucher dazu auf, mit wiederverwendbaren Tragetaschen, Körben, Netzen oder Rucksäcken einkaufen zu gehen. Einwegtaschen aus Papier hält sie dagegen wegen ihrer miesen Ökobilanz für keine gute Alternative.
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