Unentdeckte SchmerzenLeidet meine Katze still? Eine KI soll das jetzt erkennen

von Lina Schäfer

Oft bleiben Schmerzen bei Katzen lange unentdeckt!
Fast täglich frage ich mich, was in meinem Kater Lio eigentlich so vorgeht. Denn Katzen verstecken gerne ihre Gefühle – und das kann schnell gefährlich werden, wenn es um Schmerzen geht. Doch damit soll jetzt Schluss sein! Eine neue Künstliche Intelligenz soll erkennen, wie es unseren geliebten Haustieren geht. Ich bin skeptisch und teste das Tool mit meinem Kater, wie ihr oben im Video seht! Außerdem frage ich eine Tierärztin: Kann das wirklich funktionieren?

Katzen sind Meister im Verstecken von Schmerzen

Früher hatte Lio regelmäßig Probleme mit seiner Blase. Das habe ich erst nach Monaten erkannt, denn er wollte sich nichts anmerken lassen. Dieses Verhalten ist typisch für Katzen, sagt Tierärztin Tanja Pollmüller, alias Doc Polly aus Ahlen. „Katzen wollen von Natur aus ihre Schmerzen verstecken, denn das würde sie schwächer erscheinen lassen. Und dann kommen natürlich die Fressfeinde.“

Oft besuchen Patienten deshalb erst ihre Praxis, wenn es schon fast zu spät ist. Doc Polly sieht in der neuen Entwicklung also große Chancen: „Wenn wir eine KI haben, die Schmerzen erkennen kann, ist das super. Dann können wir viel früher ansetzen und helfen.“

CatsMe! „Die KI ist zu mehr als 95 Prozent genau”

Professor Kazuya Edamura aus Japan hat CatsMe! mitentwickelt. In seiner Heimat sind Katzen besonders beliebte Haustiere und das Wohlbefinden der Stubentiger steht an erster Stelle. Mit rund 6.000 Katzenbildern hat er die Künstliche Intelligenz trainiert: „Wir haben den Gesichtsausdruck der Katzen, die Schmerzen zeigen, bewertet. Die KI in der Software kann feststellen, inwieweit der aktuelle Gesichtsausdruck der Katze mit den bewerteten Gesichtern übereinstimmt.”

Dafür haben der Professor und sein Team Fallberichte von Katzen verwendet, die tatsächlich Schmerzen hatten. „Das konnten wir der Software als Feedback geben. Deshalb ist die KI zu mehr als 95 Prozent genau”, ist er sich sicher. Ob das Tool auch bei Kater Lio funktioniert, möchte ich jetzt herausfinden.

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Katzen-Selfie – und dann das Ergebnis?

Das Tool analysiert Katzengesichter und soll anhand von Augen-, Ohren- oder Schnurrhaar-Position erkennen, wie es dem Tier geht. CatsMe! läuft klassisch über den Internetbrowser. Als Sprachen stehen ausschließlich Englisch und Japanisch zur Auswahl. Wie die Anmeldung läuft, erfahrt ihr oben im Video.

Und dann heißt es schon: Selfie-Time. Ich fotografiere Lio auf der Couch und finde er sieht total entspannt aus. Seine Ohren sind aufgestellt, sein rechtes Vorderbein ist angewinkelt und er schaut leicht zur Seite. Aber was sagt die KI dazu? Hat Lio vielleicht doch unentdeckte Schmerzen?

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Der erste Schmerz-Check der Katzen-KI: Ich bin überrascht

Ich lade den ersten Schnappschuss von Lio hoch. Knapp zehn Sekunden lang erscheint ein Ladesymbol auf meinem Smartphone. Dann das Ergebnis - und ich bin überrascht. Er soll „mittlere Schmerzen“ haben. Das hätte ich nicht erwartet. Ich bin skeptisch und versuche es nochmal. Vielleicht muss sich Lio einfach etwas mehr entspannen?

Er bekommt sein geliebtes Trockenfutter und legt sich ganz entspannt in sein kuscheliges Körbchen. Ich setze mich zu ihm und streichele seinen Kopf. Jetzt würde es mich wirklich wundern, wenn er Schmerzen hat. Der nächste Check: Foto machen, hochladen und… tatsächlich: alles im grünen Bereich! Doch was sagt die KI zu einem Foto, auf dem Lio nachweislich Schmerzen hat? Ich suche ein Bild das meinen Kater mit einer Blasenentzündung zeigt. Treffer: Hier erkennt das Tool „mittlere Schmerzen”.

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Was sagt Doc Polly zu der neuen Technologie?

Mit meinen – zugegeben – etwas verwirrenden Ergebnissen, gehe ich zu Tierärztin Doc Polly. In ihrer Praxis untersucht sie täglich Katzen und weiß, wie sie Schmerzen erkennen kann. Ich zeige ihr den ersten Schnappschuss von Lio auf der Couch. „Total entspannt. Keine Schmerzen“, platzt es aus der Expertin heraus. Die KI-Diagnose „mittlere Schmerzen“ überrascht auch sie.

Doch sie erkennt auch sofort einen entscheidenden Fehler: Ich habe das Foto nicht im richtigen Winkel geschossen. „Du brauchst wirklich in dem Augenblick ein Foto von ganz frontal. Dass er die Ohren richtig ausmessen kann und wo die Augen auf sind“, schätzt Doc Polly ein. Auf dem Foto mit der Blasenentzündung erkennt aber auch die Tierärztin sofort das Schmerzgesicht von Lio. Hier sind sich Mensch und Maschine also einig. Für mich ist klar: Das neue Tool ersetzt auf keinen Fall den Besuch beim Tierarzt - sondern dient lediglich als Ergänzung, um mich zwischendurch mal abzusichern.

„Als Tierärztin geht mein Herz auf“

Auch wenn das Tool offenbar noch fehleranfällig ist, bleibt Doc Polly zuversichtlich: „Da geht als Tierärztin mein Herz auf. Dass sich überhaupt damit beschäftigt wird und der Tierbesitzer dafür sensibilisiert wird. Weil Tiere nicht sprechen können und still leiden.“

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Doc Polly möchte sich allerdings nicht ausschließlich auf die Künstliche Intelligenz verlassen: „Definitiv müssen auch andere Faktoren eine Rolle spielen, nicht nur der Gesichtsausdruck. Wie bewegt sich meine Katze? Kann sie noch genauso hoch springen wie früher?” Außerdem sollten wir unser Tier regelmäßig wiegen und ins Maul schauen, um Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen. Und Doc Polly hat noch einen wichtigen Appell: „Bitte trotzdem einmal im Jahr zum Tierarzt, denn wir decken doch häufig versteckte Schmerzen und Leiden auf, wo man gar nicht dran gedacht hätte.“