Was hinter dem „Gehetztes-Kind-Syndrom” stecktFühlt ihr das auch? Zwölf Anzeichen dafür, dass ihr zu früh erwachsen werden musstet

Ihr fühlt euch innerlich klein und habt oft Versagensängste?
Vor allem Menschen, die als Kind bestimmte Erwartungen erfüllen und früh funktionieren mussten, empfinden solche Gefühle oft als Erwachsene. Psychologen sprechen dann vom „Gehetztes-Kind-Syndrom”. Die psychologische Beraterin und Familientherapeutin Ruth Marquardt klärt auf, welche Verhaltensweisen dafür typisch sind und wie sich Betroffene selbst helfen können.
„Gehetztes Kind-Syndrom” – was sind die Anzeichen?
Wer zu früh erwachsen werden musste, bei dem ist der eigene Selbstwert oft verrutscht.
Experten wie Ruth Marquardt sprechen dann vom „Gehetztes Kind-Syndrom” oder auch dem „Hurried-Child-Syndrome“. Oft haben Betroffene hierbei das Gefühl, nur geliebt zu werden, wenn sie Leistung erbringen. Dieser falsche Grundgedanke kann dazu führen, dass weitere Verhaltensweisen auftreten:
früher Einstieg ins Berufsleben
Versagensängste
innerer Leistungsdruck
schlechte Verbindung zu eigenen Bedürfnissen und Grenzen
andere Menschen und ihre Erwartungen werden als wichtiger wahrgenommen
Freizeit wird als unproduktiv empfunden
Langeweile ist kaum auszuhalten
emotionale Distanz zu anderen Menschen (Schwierigkeiten, wirklich intime und nahe Verbindungen mit dem Partner oder Freunden aufzubauen)
Themen kreisen seltener um Gefühle oder Bedürfnisse, sondern eher um den eigenen Job, die Karriere, die neuste Leistung oder Errungenschaft
unterschwelliges Erleben von: „Ich bin nicht genug“ oder: „Ich bin nicht gut genug“
sehr hohes Gefühl von Autonomie und Unabhängigkeit (Führung wird als einschränkend empfunden)
„Und auch, wenn sie selbstbewusst nach außen auftreten - innerlich fühlen sie sich klein“, erklärt Familienberaterin Ruth Marquardt.

„Hurried Child Syndrome“ – woher die Symptome kommen
Doch welche Erlebnisse führen zu diesen Verhaltensweisen im Erwachsenenalter?
„All diese Symptome treten häufig bei Menschen auf, die zum Beispiel die Trennung ihrer Eltern miterlebt haben“, erklärt die Expertin. Möglich sei auch, dass Fluchterfahrungen sowie Kriegserlebnisse das Syndrom auslösen.
„Oft hat ein Kind auch die Rolle eines Elternteils bei Tod oder Trennung übernommen: Ein Junge erlebte sich als Vaterersatz. War plötzlich und viel zu jung der Mann im Haus, der sich um vieles gekümmert hat, um die Mutter zu entlasten. Das Mädchen kümmerte sich um die Geschwister und den Haushalt“, führt Marquardt als weiteres Beispiel an. Auch eine lange und zum Beispiel schwere Krankheit eines Elternteils könne dazu führen, dass Kinder schon sehr früh viel Verantwortung übernehmen müssen. Finanzielle Probleme und Existenzängste in der Kindheit können ebenfalls Auslöser sein. Daneben könne auch der Druck durch soziale Medien bei Kindern dazu führen, dass sie im Erwachsenenalter Symptome des Gehetztes Kind-Syndroms aufweisen.
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Gehetztes Kind: Symptome überwinden – geht das?
Was kann man dagegen tun, wenn man sich selbst gehetzt fühlt und die eigene Kindheit als zu kurz empfunden hat?
„Achtsamkeit ist der Schlüssel“, weiß unsere Expertin. Achtet also genau auf euer Verhalten und lernt zum Beispiel in Online-Achtsamkeit-Kursen, solche Verhaltensmuster zu hinterfragen und euch eine neue Umgehensweise anzueignen.
Wem das nicht ausreicht: „Findet mithilfe eines Experten heraus, was euch im Leben glücklich macht und wie ihr ungesunde und schädliche Verhaltensmuster ablegt. Hierbei helfen Hypnose-Sitzungen, eine Trauma-Therapie und eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis.”
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Experten-Rat: Lasst euer inneres Kind aufleben!
Und: „Alles, was das innere Kind aufleben lässt, ist erlaubt und gut.“
Wichtig sei in erster Linie, sich mit dem inneren gehetzten Kind auseinanderzusetzen und in Kontakt zu kommen. „Und es ist auch hilfreich, Erlebnisse im Nachgang angemessen zu betrauern. Zu lernen, mit unterdrückten Gefühlen wie Wut, Ärger und Trauer umzugehen. Heilung einzuladen und dadurch den inneren Frieden zu finden“, rät Marquardt abschließend.