Leben nach dem Aneurysma

Gian schwebte 2020 in Lebensgefahr: „Ich trauere noch immer um das Leben, das ich verloren habe”

Gian Vincent Issel heute
Dass Gian Vincent Issel noch lebt, ist ein Wunder. 2020 wäre er beinahe an einem Hirnaneurysma gestorben, ein paar Jahre später versagte seine Galle.
Gian Vincent Issel

Zweimal trotzte Gian Vincent Issel bereits dem Tod.
Als er 28 Jahre alt ist, löst ein geplatztes Aneurysma bei ihm eine Hirnblutung aus. Issel überlebt knapp, bekommt später wegen der vielen Medikamente jedoch Probleme mit der Galle und muss ein weiteres Mal ins künstliche Koma versetzt werden. Uns hat der heute 33-Jährige erzählt, wie die Diagnose mit all ihr Konsequenzen bis heute sein Leben belastet.

Hirnaneurysma kostet Issel fast das Leben

Schätzungen zufolge leben in Deutschland gut zwei Millionen Menschen mit einem Aneurysma, ohne es zu wissen. Meist bleiben diese Arterien-Ausbuchtungen unbemerkt, in manchen Fällen können sie allerdings platzen – wie bei Strabag-Chef Klemens Haselsteiner, der während einer Fastenkur an den Folgen starb. Laut Mediziner Dr. Christoph Specht haben Menschen mit einem geplatzten Hirnaneuyrsma kaum eine Überlebenschance. „Sie merken nur, dass sie massive Kopfschmerzen bekommen, doch dann verlieren sie schon das Bewusstsein“, sagt er vor wenigen Tagen im RTL-Gespräch.

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Wie sich das anfühlt, weiß auch Fotograf und Influencer Gian Vincent Issel. Im Oktober 2020 hat er mit einem Mal starke Kopfschmerzen, landet eigentlich viel zu spät im Krankenhaus. Bei einer Not-OP werden ihm Teile der Schädeldecke entfernt, während die Ärzte versuchen, die Hirnblutung zu stoppen. Anschließend liegt Issel mehrere Wochen im Koma. Er überlebt, hat aber bis heute, vier Jahre später, mit den Folgen zu kämpfen.

Epilepsie und künstliches Koma: Die Konsequenzen der Hirnblutung verfolgen Issel bis heute

„Ich hatte noch in der Reha meinen ersten epileptischen Anfall“, erinnert sich Issel im RTL-Interview. Das sei bei Menschen mit einer Gehirnblutung oder auch einem Schlaganfall nicht selten, bei ihm entwickelte sich daraus jedoch eine chronische Epilepsie. „Jeden Tag muss ich etwa zehn Tabletten schlucken, nur gegen die Epilepsie.“ Heute sei er relativ gut eingestellt und seit fast einem Jahr anfallsfrei, trotzdem habe er durch die Anfälle das Vertrauen in seinen eigenen Körper verloren.

Und das ist nicht alles. Im Oktober 2022 wird Issel als Folge seiner Hirnblutung ein weiteres Mal ins künstliche Koma versetzt. Die lange Zeit auf der Intensivstation, die vielen Narkosemittel und die Medikamente, haben seine Galle an ihre Belastungsgrenze gebracht. Bei der Routine-OP kommt es zu Komplikationen, Gallenflüssigkeit suppt in seinen Bauchraum, die Gallenblase muss entfernt werden. Die Folge: Issels Bauchraum entzündet sich, wenig später hat er eine Lungenembolie und wird erneut ins künstliche Koma versetzt, um dem Körper die notwendige Zeit zum Heilen zu geben.

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Wieder muss er in die Reha, Muskeln aufbauen und irgendwie zurück ins Leben finden. „Das Ganze hatte natürlich auch Auswirkungen auf mein Privatleben“, sagt Issel ehrlich. Mit Ehefrau Dilan ist er mittlerweile nicht mehr verheiratet, seinen Job hat er komplett auf die Videografie ausgelegt. So belastbar wie einst ist er nicht mehr. „Ich bin jetzt 33, hatte eine Hirnblutung und bin geschieden, ich habe mein Leben schon einmal komplett durchgespielt.“

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Issel will in ein einigermaßen normales Leben zurückfinden

Gian 2020
2020 platzt bei Gian Vincent Issel ein Gehirnaneurysma, woraufhin ihm ein Teil der Schädeldecke entfernt werden muss.
privat

Das Verrückte: An seiner Einstellung zum Leben hat sich nicht viel geändert. „Alle gehen immer davon aus, wenn dir sowas passiert, dann muss sich alles auf einmal komplett ändern, dann schätzt man das Leben erst so richtig. Dabei sind die Probleme, die vorher Probleme waren, noch immer Probleme.“ Man habe immer noch den gleichen Herzschmerz und immer noch denselben Stress bei der Arbeit. Issel hadert bis heute mit der Krankheit und den Konsequenzen, die sie auf sein Leben hat: „Ich trauere noch immer um das Leben, das ich verloren habe.“

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Er müsse seinen Körper und sein Leben erst wieder neu kennenlernen. „Das ist wie mit dem Führerschein“, sagt er. „Man darf dann zwar fahren, ist aber noch Fahranfänger und traut sich noch nicht viel zu.“ Er müsse jetzt neu lernen, was er bereits kann und was er noch lernen müsse und was er vielleicht nie lernen könne. „Nicht jeder Mensch kriegt ein Aneurysma, aber die Wahrscheinlichkeit ist trotzdem da”, sagt er. Und die Möglichkeit, danach wieder in ein einigermaßen normales Leben zurückzufinden!

Eine Sache sei ihm nun viel bewusster: Wie viele Menschen eine ähnliche Situation durchleben, wie er selbst sie durchlebt hat. „Es betrifft einfach extrem viele. Man kriegt das erst mit, wenn man selbst betroffen ist und irgendwie im engeren Kreis steckt.“ Es ist ihm wichtig, über seine Vergangenheit zu sprechen, um anderen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Und er will über das Thema aufklären. Aufmerksamkeit schaffen, auch unter Rettungskräften. Bei einem Gehirnaneurysma seien Kopfschmerzen ein gängiges Symptom, das laut Issel von Krankenhäusern und den Notruf-Leitstellen nicht immer ernst genommen werden würde. „Dabei zählt hier jede Sekunde!“, sagt er. Denn nur wenn man schnell reagiere und schnell operiert werde, hätten Patienten wirklich eine Chance.