Christian Bär liebt sein Leben trotz ALSWarum wir von diesem Mann verdammt viel lernen können!

„Es überwiegt die Freude am Leben.“
Das sagt Christian Bär aus voller Überzeugung. Dabei kann er mittlerweile nicht mehr essen, nicht mehr sprechen und nicht mehr selbstständig atmen. Denn bei seiner Krankheit ALS findet ein fortschreitender Muskelschwund statt. Im Interview, das der 46-Jährige per Sprachcomputer mit RTL führen konnte, zeigt er uns allen eindrücklich, wie man auch in völlig ausweglosen Situationen noch humorvoll bleiben und Optimismus versprühen kann.
ALS-Diagnose 2016: „Wusste, was die Uhr geschlagen hatte“
Christian Bär hat 2016 im Alter von 38 Jahren die Diagnose ALS bekommen.
Zu diesem Zeitpunkt ist er gerade Vater eines Sohnes geworden. Die Diagnose reißt dem sportlichen und lebenslustigen Informatiker mit voller Wucht den Boden unter den Füßen weg.
„Meine Frau sollte zur Diagnoseverkündung dazukommen, da wusste ich schon, was die Uhr geschlagen hatte. Ergebnis der Untersuchungen: Chronisch-neurogener Umbau im rechten Bizeps und unauffällige Degeneration des motorischen Kortex und der Pyramidenbahn links. Diagnose: Verdacht auf ALS“, erinnert sich Bär. Erlebt hat er damals ein professionelles Arztgespräch. Der Mediziner habe ihm einfühlsam, aber auch ehrlich erklärt, was von nun an Sache ist.
„Herr Bär, ich empfehle ihnen, ihre Angelegenheiten zu regeln und Dinge zu tun, die ihnen Spaß machen.“ Schon Monate vor der endgültigen Diagnose hatte der Informatiker bereits den Verdacht, ALS zu haben. Daher war er während er Diagnoseverkündung noch relativ gefasst.
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„Meine Sorge galt meiner Familie, insbesondere meinem Sohn“
Anders sah das bei Christian Bärs Angehörigen aus.
„Die wahre Tragik wurde mir erst beim Anblick des Entsetzens meiner bis dahin diesbezüglich stets optimistischen Frau bewusst – herzzerreißend. Meine Sorge galt meiner Familie, insbesondere meinem Sohn. Und wie, um Himmels willen, sollte ich das meinen Eltern sagen?“ Zunächst habe ihn ein hilfloses Gefühl erfasst, andererseits habe ihm die tragische Gewissheit auch gutgetan. „Trotzdem musste ich dringend raus und meine Verzweiflung im Auto hinausschreien“, beschreibt Bär.
Mittlerweile hat er sich mit seiner Erkrankung arrangiert und macht im wahrsten Sinne der Redensart wirklich täglich das Beste aus allem.
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Bär versprüht Optimismus: „Schöner Tag mit der Familie liegt hinter mir“
Positiv bleiben trotz ALS-Diagnose – wie schafft ein Mensch das?
Seine positive Einstellung macht Christian Bär sich bereits seit Jahren zu eigen. Und das trotz seiner Zukunftsaussichten, die wie bei allen anderen ALS-Patientenauch alles andere als hoffnungsstiftend ausfallen. Gedanken dazu beschreibt er auch in seinem Buch „ALS und andere Ansichtssachen“ – hier geht er im achten Kapitel auf seine gnadenlos optimistische Lebenseinstellung ein und fragt frei nach Alfred Jodocus Kwak: „Warum bin ich so fröhlich“?

Die Antwort auf diese Frage gibt er immer wieder auch in seinen Instagram-Posts, die sehr zur Freude seiner Follower vor Positivität nur so strotzen. In einem Post vom 6. Oktober lobt Bär zum Beispiel seinen Samstag: „Ein schöner Tag mit der Familie liegt hinter mir, welcher mit der Sportschau, einem Heimsieg für die Edelbock Hennes und einem anschließenden Nickerchen im Rollstuhl abgerundet wurde“, schreibt er. Danach geht er zwar auch noch darauf ein, an diesem Tag 30 Minuten ohne Beatmung gewesen zu sein, doch davon lässt sich ein Christian Bär nicht sein Wochenende vermiesen.
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„Verstehe das Leben jeden Tag als Geschenk“
Doch vor dem tragischen Hintergrund der ALS stellt sich unweigerlich die Frage: Wie schafft es Bär, so grenzenlos optimistisch zu bleiben?
„Ich lebe gerne, bin mit mir zufrieden und verstehe das Leben jeden Tag als Geschenk – über Geschenke freut man sich. Negative Sichtweisen sind mir nicht eigen. Mein Glas ist ständig halb voll. Ob mir dieser Blickwinkel auf mein Leben auf Dauer vergönnt sein wird, kann niemand sagen. Gelebt wird im Jetzt“, bekräftigt der ALS-Patient. Er habe sich seine Situation genau angeschaut, gute Freunde, ein großartiges Umfeld, einen guten Arbeitgeber und würde in einem Land leben, in dem kein Krieg herrscht. Alles in allem für den 46-Jährigen gute Voraussetzungen, um grundsätzlich zufrieden zu sein.
„Ich habe das mit mir diskutiert und bin zum Ergebnis gekommen, dass ich insgesamt glücklich bin. Das macht die Lage nicht weniger beschissen, aber mich glücklicher.“
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Christian Bär: „Leben hängt an einem sehr dünnen Faden“
Bei dieser Grundeinstellung scheint es für Bär fast schon unwichtig zu sein, was als Nächstes auf ihn zukommt.
„Mittlerweile lebe ich acht Jahre mit dieser vermaledeiten Diagnose und es gibt keine neue Prognose. Dies wäre auch nach meinem Ermessen nicht seriös möglich. Mein Leben hängt an einem sehr dünnen Faden, und es braucht nicht viel, dass dieser reißt“, weiß Bär ganz genau.

„Insbesondere die Beatmung erfordert die ständige Anwesenheit einer fachkundigen Person, die an meinem Wohlergehen aktives Interesse hat und im Notfall weiß, was zu tun ist. Einbrecher und Handwerker sind für diese Aufgaben also nicht geeignet.“ Was in dieser Antwort stark durchblitzt, ist Christian Bärs tiefschwarzer Humor, der ihm, wohl gerade wegen der schrecklichen Gewissheiten seines aktuellen Lebens mit ALS, immer wieder hilft.
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Denn: „Die durchschnittliche Überlebenszeit bei ALS beträgt drei bis fünf Jahre, und die Erkrankten fallen dann auch nicht tot vom Trampolin, auf dem sie bis zum Schluss quietschfidel, fröhlich hüpfend ihrer Vitalität frönten. Die Realität ist, dass die überwiegende Zahl der betroffenen Patienten innerhalb kürzester Zeit zu Pflegefällen werden, sie fast ihre gesamte willkürliche, vom Gehirn steuerbare und bewusst einsetzbare Muskulatur verlieren und komplett auf fremde Hilfe angewiesen sind, bei vollständig wachem Geist.“

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ALS-Wunder? „Alles scheint unmöglich, bis es jemand macht“
Trotz allem will Christian Bär die Hoffnung niemals aufgeben.
Könnte es in absehbarer Zeit zum Beispiel eine Heilung der schrecklichen Krankheit ALS geben? „Nur weil bis jetzt kein entscheidender Schlag gegen die Krankheit erzielt werden konnte, muss das ja nicht für alle Zeit so bleiben. Alles scheint unmöglich, bis es jemand macht“, gibt er zu bedenken und versprüht damit viel Zuversicht, die auch uns zutiefst gepackt hat.