Das Mekka der stillen AbschiedeDiese Touristen kommen nur, um zu sterben

Die Schweiz überzeugt mit wunderschönen See- und Bergpanoramen –wie hier am Genfersee.
220 Mal pro Jahr gibt es hier Sterbehilfe (Symbolbild).
picture alliance / Zoonar | Êrik Lattwein

220 Mal Sterbehilfe pro Jahr!
Immer wieder kommen Touristen nach Nunningen in die Schweiz. Doch einen Termin für Rückreise brauchen sie nicht. Denn sie kommen in den Landgasthof Roderis, um zu sterben. Die Anwohner wussten davon lange Zeit nichts.

Touristen in Nunningen mit besonderem Vorhaben: Sterben „zwischen sanften grünen Hügeln“

Die 1973-Einwohner-Gemeinde Nunningen ist eine echte Idylle. „Das Dorf Nunningen gehört zum Schwarzbubenland und liegt eingebettet zwischen sanften grünen Hügeln“, heißt es auf der Internetseite des Ortes. „In Nunningen lässt es sich für Jung und Alt gut wohnen, arbeiten und genießen. Ein aktives Vereinsleben gehört genauso dazu wie die wunderschöne Natur, Landwirtschaftsbetriebe, ein attraktives Gewerbe und schöne Wohngegenden.“

Auch Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt zieht es immer wieder nach Nunningen, allerdings nicht wegen der „sanften grünen Hügel“ und der „wunderschönen Natur“. Sie kommen in den Landgasthof Roderis, um zu sterben!

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Rund 220 Sterbehilfen pro Jahr – doch die schweizer Gemeinde wusste zunächst von nichts

Denn vor ziemlich genau einem Jahr wurde der Landgasthof von dem Basler Verein Pegasos gekauft, saniert und umgebaut. Seitdem begleitet der Verein hier Menschen in den Tod. Circa 220 pro Jahr, wie die schweizer Zeitung Blick berichtet. Das entspricht rund einer Freitodbegleitung pro Werktag. „Seit Frühling 2024 bieten wir dort unheilbar kranken Menschen oder solchen mit unerträglichen Leiden einen würdigen Rahmen für ihren letzten Weg“, zitiert Blick den Verein.

Doch das gefällt nicht allen. Vor allem, weil die Organisation Gemeinde sowie Anwohnerinnen und Anwohner erst über die Tätigkeit informiert haben soll, als der Betrieb bereits lief. Auch der Gemeindepräsident Nunningens sagt, die Gemeinde habe keine Kenntnis davon gehabt, wie die Sterbehilfe-Organisation das Gebäude nutzen wolle.

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Anwohner über Sterbehilfe in Nunningen sauer

Es wurde sogar schon eine Online-Petition gestartet und eingereicht: „Wir fordern, dass die Freitodeinrichtung abseits unseres Dorflebens an einem unbesiedelten Ort ihre Tätigkeit weiterführt“, heißt es in der Petition. „Wir möchten den Wegzug von Familien und anderen Einwohnern verhindern, sowie die Bewohnerinnen und Bewohner der Behinderteneinrichtung vor der permanenten Konfrontation mit dem Thema Suizid schützen. Wir kämpfen für den Erhalt eines idyllischen und positiven Ausflugsziels, das weiterhin Erholung und Freizeit dienen soll.“

Aktuell laufen Ermittlungen, die die Abklärungen über die baurechtliche Zulässigkeit betreffen, berichtet Blick: „Das Verfahren läuft immer noch und könnte auch noch längere Zeit beanspruchen“, wird Gemeindepräsident Philipp Muster zitiert. Deshalb könne er keine weitere Auskunft erteilen.

Und das Sterbe-Mekka? Laut dem Verein habe alles seine Richtigkeit, berichtet Blick: Das Haus befinde sich in der Kernzone und erlaube somit stilles Gewerbe. Zum Widerstand aus der Nachbarschaft gegen die Freitodbegleitungen schreibt der Verein, er respektiere Vorbehalte gegenüber selbstbestimmtem Sterben. (jow)