Psychologin sieht lebenslange Traumafolgen nach dem HorrorhausAngst, Isolation, Medikamente – diese Kinderseelen tragen Narben für immer

Es ist ein Albtraum, der sich hinter verschlossenen Türen abspielte.
Jahrelang eingesperrt, umgeben von Dreck, Angst und Dunkelheit – das war der Alltag der drei Kinder vom „Horrorhaus” in Oviedo (Nordspanien). Jetzt sind sie endlich befreit, doch Psychologin Dr. Rüya Kocalevent warnt im RTL-Interview vor den Konsequenzen ihrer Gefangenschaft im eigenen Elternhaus.
Windeln, Gitterbett, Medikamente – die Kindheit im Horrorhaus
Als die Polizei die Kinder nach einem Hinweis einer Nachbarin befreite, bot sich ein Bild des Grauens: Die Jungen waren verwahrlost, unterernährt, trugen Windeln und schliefen in zu kleinen Gitterbetten. Sie mussten Masken tragen und waren völlig isoliert. Selbst erfahrene Ermittler waren schockiert von den katastrophalen hygienischen Zuständen im sogenannten „Horrorhaus“. Beim ersten Schritt ins Freie berührte eines der Kinder erstaunt das Gras und alle drei atmeten tief durch, als hätten sie nie zuvor frische Luft gespürt, sagt ein Ermittler der spanischen Zeitung La Nueva España.
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Sie konnten nicht mal aufs Klo gehen
Wie gravierend die Folgen einer solchen Isolation sind, erklärt Psychologin Dr. Rüya Kocalevent im RTL-Interview: „Von außen kann man sagen, dass die Kinder bestimmte Entwicklungsschritte nicht vollziehen konnten, wie zum Beispiel Hygienemaßnahmen, auf die Toilette gehen.“ Gerade im Grundschulalter sei es wichtig, soziale Regeln zu lernen. Doch all das bleibt den drei Brüdern im Horrorhaus von Oviedo verwehrt. „Da beginnt dann auch schon die Konzentration auf: Ich habe Freunde und eine Werte-Ausbildung, also eine beginnende. Und das wird ja alles genommen, wenn die Kinder eben nur im Haus verbleiben dürfen”, so Kocalevent.
Was macht das mit der Kinderseele?
Die Bedingungen im Haus waren katastrophal – überall Dreck, Angst und Unsicherheit. Dr. Kocalevent schildert im Gespräch mit RTL: „Auch physische Vernachlässigung scheint da im Raum zu stehen. Also auch Gewalterfahrungen sind hier mutmaßlich nicht auszuschließen, sodass die Kinder eben traumatisiert sein dürften.“
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Die Angst wird nie ganz verschwinden
Die Angst vor der Außenwelt, die ihre Eltern schürten, werden die Kinder wohl noch lange begleiten. „Es wird vermutlich ihr Leben lang so ein Grundanspannungsniveau da sein, denn Angst scheint ja sehr präsent gewesen zu sein in der Familie. Also ich vermute mal, dass so eine Emotionsregulation ein Thema sein wird, also dass sie mit innerer Angst und Spannungszuständen ihr Leben lang zu tun haben werden”, mutmaßt die Psychologin.
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Im Video: Polizei befreit drei Kinder aus Horrorhaus in Oviedo
Medikamente ohne Kontrolle – eine zusätzliche Gefahr
Der Vater gab in polizeilichen Vernehmungen zu, den Kindern eigenmächtig Medikamente vom Schwarzmarkt verabreicht zu haben. Die Eltern begründeten dies mit der Sorge um die Gesundheit der Kinder während der Corona-Pandemie. Sie diagnostizierten ihnen außerdem Krankheiten wie ADHS und Herzprobleme. Doch das kann auch im Erwachsenenalter noch schwerwiegende Konsequenzen haben. Dr. Kocalevent warnt: „Die Einnahme von Medikamenten in dem Alter kann tatsächlich dazu führen, dass bestimmte Areale im Gehirn, die für Emotionen zuständig sind, dann unkontrolliert feuern.“
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Ein langer Weg „zurück” ins Leben
Inzwischen wurden die Eltern einer Ermittlungsrichterin vorgeführt. Sie ordnete Untersuchungshaft an. Die Kinder sind nun in einem Heim untergebracht und werden medizinisch sowie psychologisch betreut. Für die drei beginnt nun ein Neustart – mit der Hoffnung, eines Tages all das aufzuholen, was ihnen so lange verwehrt war. Doch die Schatten der Vergangenheit werden die Kinder wohl auch in Freiheit noch lange begleiten. (vhö)