Prozess vor dem Landgericht HannoverStaatsanwalt soll Geld von Kokain-Bande genommen haben

Hat er Geld von denen genommen, die er hinter Schloss und Riegel bringen sollte?
Ein 39-jähriger Staatsanwalt aus Hannover hat sich angeblich von einer Kokain-Bande schmieren lassen. Er soll die Verbrecher mit Informationen versorgt und auch vor einer Razzia gewarnt haben.
Für 65.000 Euro soll er die Drogen-Gangster informiert und gewarnt haben
Seit Oktober vergangenen Jahres sitz der Jurist in Untersuchungshaft. Ab der kommenden Woche muss er sich vor dem Landgericht Hannover verantworten. Laut Anklage konnten sich führende Köpfe der internationalen Drogenbande vor der Polizeiaktion ins Ausland ab und sind bis heute nicht gefasst.
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Der Angeklagte war Dezernent der Abteilung Betäubungsmittel der Staatsanwaltschaft Hannover. Laut niedersächsischem Justizministerium bearbeitete er in der Drogen-Abteilung zwischen Mai 2019 und Mitte Februar 2024 insgesamt 247 Verfahren.
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Strenge Sicherheitsvorkehrungen im Prozess
Der Prozess im Landgericht Hannover beginnt am 13. April unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen: Medienvertreter, Zuhörer und Prozessbeteiligte werden durchsucht, bevor sie den Saal betreten dürfen. Konkret werden dem 39-Jährigen 14 Fälle von besonders schwerer Bestechlichkeit sowie Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen.
Mitangeklagt ist ein 41 Jahre alter Boxtrainer, der in zwölf Fällen als Mittelsmann fungiert und Informationen an die Kokain-Bande weitergegeben haben soll. Tatzeitraum war laut Anklage Juni 2020 und März 2021. Insgesamt soll der Jurist 65.000 Euro für seine Dienste erhalten haben.
Mutmaßlich korrupter Jurist bestreitet Vorwürfe
Der inhaftierte Staatsanwalt bestreitet alle in der Anklage vorgeworfenen Taten. „Mein Mandant wird sich in der anstehenden Hauptverhandlung vollumfänglich einlassen”, sagte der Rechtsanwalt des 39-Jährigen, Timo Rahn. „Aus der Sicht der Verteidigung werden sich die erhobenen Vorwürfe bei der gebotenen objektiven Betrachtung aller vorliegenden Fakten und Beweismittel nicht bestätigen.” Es gilt die Unschuldsvermutung.
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Laut niedersächsischem Justizministerium gab die Entschlüsslung der Chats von Kriminellen über Drogengeschäfte den Ausschlag für die Verhaftung des mutmaßlich korrupten Beamten. In den Chats ist laut dpa-Informationen von einem „Cop” und einem „Coach” die Rede: Der „Cop” soll der Staatsanwalt sein, der „Coach” der Boxtrainer.
Schon 2021 Hinweise auf „Maulwurf” in Behörden
Im Februar 2021 waren 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen entdeckt worden – ein Rekordfund. Wenig später organisierte das niedersächsische Landeskriminalamt eine bundesweite Razzia, jedoch war eine Vielzahl der Beschuldigten verschwunden. Ein Hauptverdächtiger setzte sich nach Dubai ab. Schon damals gab es dem Justizministerium in Hannover zufolge Hinweise auf einen „Maulwurf“, also Informanten, in den Behörden.
Die oppositionelle CDU bezeichnete den Fall bereits als „Justizskandal” und will wissen, warum ein erstes Verfahren gegen den verdächtigen Staatsanwalt eingestellt wurde. Der Verdacht war auch Thema in der Hauptverhandlung gegen den Spediteur der Kokain-Bande Anfang 2023. Schon im Oktober 2022 hatte dieser inzwischen verurteilte Mann in einer polizeilichen Vernehmung von dem mutmaßlichen Informanten berichtet und auf belastende Chats verwiesen.
Lange ermittelte die Staatsanwaltschaft Hannover gegen den eigenen Kollegen. Erst Ende 2024 übernahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück das Verfahren. Justizministerin Wahlmann veranlasste, dass künftig immer eine andere Staatsanwaltschaft derartige Ermittlungen übernimmt.
Versetzung wegen Verurteilung von Angehörigem
Ein Angehöriger des angeklagten 39-Jährigen erhielt 2021 wegen Drogendelikten eine Haftstrafe. Der Staatsanwalt wurde aber erst im Februar 2024 von der Drogen-Abteilung in die Abteilung Kapitaldelikte versetzt – laut Ministerium auch aus Fürsorgegründen und um den Anschein eines Interessenkonflikts zu vermeiden.
Obwohl ab Juni 2024 erneut gegen ihn ermittelt wurde, durfte der Staatsanwalt in dem Verfahrenskomplex „Adios”, in dem es um die 16 Tonnen Kokain ging, noch eine Anklage verfassen und im Sommer 2024 als Sitzungsvertreter in dem Prozess auftreten. Am Mittwoch wird der Jurist eine Verhandlung erstmals von der anderen Seite aus erleben, nämlich auf der Anklagebank. (uvo; dpa)