Babys vor mehr als 70 Jahren auf Entbindungsstation vertauschtAls ein Fremder Susan kontaktiert, kommt die Wahrheit ans Licht

Mit über 70 hat sie plötzlich eine neue Familie.
Eine britische Frau, die von der BBC nur Susan genannt wird, will mit einem handelsüblichen DNA-Test eigentlich nur etwas über ihren Großvater herausfinden. Als der Test ihr irische Wurzeln bescheinigt, wundert sie sich - das könne doch gar nicht sein. Doch Jahre später wird sie von einem Fremden kontaktiert. Er behauptet, ihr leiblicher Bruder zu sein.
Eine Email versetzt Susan in Panik
Susan hatte den DNA-Test schon fast vergessen und das Abonnement der Test-Webseite auch nicht mehr verlängert. Zwar wunderte sich die Seniorin gelegentlich, dass sie als Einzige in ihrer Familie hellblonde Haare hatte und größer war als die anderen, aber niemals hegte sie den Verdacht, dass sie gar nicht mit den Menschen, die sie als Familie bezeichnet, verwandt ist. Die Frau in den Siebzigern denkt an eine heimliche Adoption, doch da beide Eltern bereits tot sind, kann sie sie nicht mehr fragen. Aber sie öffnet sich ihrem (wie sie bis dahin glaubt) leiblichen Bruder. Und nicht zuletzt er ist sich absolut sicher, dass eine seiner ersten Erinnerungen seine schwangere Mutter war.
Etwa sechs Jahre nach dem DNA-Test erhält sie die E-Mail eines Mannes. Die Nachricht macht Susan deutlich, dass alles, was sie bisher über ihre Familiengeschichte weiß, komplett falsch ist. Nachdem sie die E-Mail gelesen hat, ist sie zunächst voller Panik. Denn der Absender behauptet, dass ihre genetischen Daten übereinstimmen. Dies lasse nur den einen Schluss zu: Sie seien leibliche Geschwister.
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Babys auf der Entbindungsstation verwechselt?
Susans älteste Tochter begibt sich auf Spurensuche. Über den NHS (Nationaler Gesundheitsdienst im Vereinigten Königreich) findet sie eine Liste mit allen registrierten Geburten am Tag, als ihre Mutter zur Welt kam. Das Mädchen, welches kurz nach ihr im gleichen Krankenhaus geboren wurde, trägt denselben Nachnamen wie der Absender der E-Mail. Das kann doch kein Zufall sein! Die einzige Erklärung: Vor mehr als sieben Jahrzehnten muss es einen Fehler oder fatale Verwechslung auf der Entbindungsstation gegeben haben.
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Säuglinge nach Geburt vertauscht
In den 50er Jahren wurden Mütter und Kinder für gewöhnlich nach der Geburt getrennt. Während die Mütter in ihren Mehrbettzimmern schliefen, lagen die Babys in Kindersälen und wurden von Hebammen betreut. Susan und ihr Anwalt vermuten, dass das Personal vergessen hat, den Neugeborenen ein Bändchen anzulegen oder es verloren ging. So sei es dazugekommen, dass die beiden Säuglinge vertauscht wurden. „Das ganze System war damals weit weniger ausgereift” so Susans Anwalt Jason Tang.
Heutzutage werden den Babys sofort nach der Geburt Bändchen um die Knöchel gebunden. Mutter und Kind bleiben zudem während ihres Klinik-Aufenthalts die ganze Zeit zusammen.
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„Du bist noch immer Teil der Familie.”
Susan erfährt im Laufe der nächsten Monate viel Unterstützung aus beiden Familien. Natürlich trifft sie sich mit dem Absender der E-Mail. Sie scherzt, dass man „ihm nur eine Perücke aufsetzen und ein wenig Make-up auftragen müsste” dann sähe er aus wie sie. Ihre biologischen Eltern sind bereits seit längerer Zeit tot, doch Susan hat Fotos gesehen. Sie soll ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich sehen.
Natürlich hat Susan auch Fotos der Frau gesehen, mit der sie damals vertauscht wurde. Aber eine tiefe emotionale Bindung zu den neuen Verwandten habe sie nicht. Die existiert nach wie vor zu der Familie, in der sie aufgewachsen ist. Die Verbindung zu dem Mann, den sie als älteren Bruder kennt, sei noch enger geworden. „Wir treffen uns noch häufiger und ich bekomme Karten, auf denen ‚meine liebe Schwester’ steht” sagt Susan. Und auch ein Cousin versichert ihr in einem Brief „Du bist noch immer Teil der Familie.”
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„Wenn ich es objektiv betrachte und logisch nachdenke, dann war ich besser dran, so wie ich aufgewachsen bin”, merkt Susan an. Der NHS Trust habe ihr nach einem zweiten DNA-Test eine Entschädigung gezahlt, den Fehler anerkannt und sich bei ihr entschuldigt. Sie hat die Einigung nicht wegen des Geldes erzielen wollen, sondern damit sie ihren Irrtum eingestehen. „Vermutlich will man immer einen Schuldigen haben, nicht wahr?” so Susan zur BBC. Und „ich weiß, dass mich dies bis an mein Lebensende begleiten wird.” Sie wolle damit abschließen. (ajo)
































