Zusammenhang entdeckt
Zwanghafter Nachrichtenkonsum macht krank - Studie offenbart Gesundheitsprobleme

Für viele gehört es zum Alltag, beim aktuellen Weltgeschehen auf dem neuesten Stand zu sein. Das Problem: Täglich prasseln unzählige Nachrichten über verschiedene Kanäle auf uns ein. Wir hören Schüsse in der Ukraine, sehen verheerende Waldbrände oder Überflutungen, lesen von Corona-Toten oder hohen Energiepreisen. Ein Klick führt zum China-Taiwan-Konflikt, der nächste zu einem schweren Verkehrsunfall im eigenen Viertel, dazwischen ploppt eine Eil-Meldung auf. Manche Menschen leiden jedoch unter ihrem News-Konsum. Hilft Betroffenen nur komplette Abstinenz oder gibt es einen anderen Ausweg?
Viele Befragte der Studie sehen Welt als "dunklen und gefährlichen Ort"
Einige Menschen scrollen von morgens bis abends immer wieder durch die Nachrichten und kommen damit gut klar. Andere leiden unter ihrem News-Konsum und merken, dass er ihnen nicht gut tut. Zwischen dem zwanghaften Drang nach Nachrichten und Gesundheitsproblemen könnte es einer Studie zufolge einen Zusammenhang geben. Bei Menschen mit als problematisch eingestuftem Nachrichtenkonsum besteht demnach ein höheres Risiko für körperliche und psychische Probleme, wie eine Wissenschaftlerin und zwei Wissenschaftler im Fachmagazin „Health Communication“ berichten.
Forscher im Team um Bryan McLaughlin der Texas Tech University untersuchten Daten einer Online-Umfrage, an der 1.100 Erwachsene in den USA teilgenommen haben. Unter anderem wurden die Teilnehmer zu ihrem Medienkonsum befragt und sollten angeben, ob sie körperliche Beschwerden oder psychische Probleme haben.
Sowohl die Autoren selbst als auch nicht an der Studie beteiligte Experten geben dabei zu bedenken, dass die Daten nicht zeigen, ob der problematische Medienkonsum ursächlich für die Beschwerden ist oder ob weitere Faktoren Einfluss nehmen.
Aber: 16,5 Prozent der Befragten wiesen Anzeichen eines als sehr problematisch eingestuften Nachrichtenkonsums auf: Sie kontrollierten zwanghaft Nachrichten, konnten sich schwer von ihnen lösen und dachten auch hinterher noch darüber nach. Die Welt erscheine ihnen oft „wie ein dunkler und gefährlicher Ort“, sagte Bryan McLaughlin. Laut den Ergebnissen haben solche Mediennutzer häufiger psychische oder körperliche Probleme. Corona-Pandemie, Klimawandel, politische Konflikte: „Bei manchen Menschen können solche Ereignisse in den Nachrichten einen ständigen Alarmzustand auslösen.“
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Sie lesen eher schlechte als positive Nachrichten? Das ist evolutionär bedingt!
Zur Klärung brauche es anders aufgebaute Studien, sagte Leonard Reinecke, Professor für Medienwirkung und Medienpsychologie an der Universität Mainz, der nicht an der Studie beteiligt war. Klar sei, dass schlechte Nachrichten kurzfristige Negativeffekte auf unsere Stimmung hätten. „Wir nehmen das Weltgeschehen über Nachrichten auf“, so Reinecke. „Wenn ein Krieg in Europa herrscht, wenn Menschen sterben, wenn wir von der Pandemie selbst betroffen sind, dann lässt uns das natürlich nicht kalt.“
Dass Menschen eher auf schlechte Nachrichten klicken, ist laut Nora Walter evolutionär bedingt. Die Professorin für Wirtschaftspsychologie an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management war ebenfalls nicht an der Studie beteiligt. „Wir klicken Katastrophen-Schlagzeilen an, um nach Informationen zu suchen, die uns vor einer möglichen Bedrohung schützen“, so Walter. „Aber wenn man sich ständig nur mit negativen Nachrichten umgibt, besteht die Gefahr, dass man irgendwann keinen positiven Gedanken mehr fassen kann.“
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Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.
Was tun, wenn einen schlechte Nachrichten stark beeinflussen?
Durch das Internet seien Mediennutzer zu jeder Zeit mit einer grenzenlosen Nachrichtenflut konfrontiert. „Auf Social Media kommt immer wieder eine neue Info, ein neuer Post, ein neues Video. Man scrollt und scrollt“, so Walter. „Da ist es schwierig zu sagen: Jetzt stoppe ich und mache etwas anderes.“ Wenn man sich durch seinen Nachrichtenkonsum beeinträchtigt fühle, könne man ihn aber wieder in den Griff bekommen. Eine Strategie: Man beschränkt sich auf eine gewisse Anzahl an Artikeln pro Tag, erklärt die Psychologin. „Oder man begrenzt sich zeitlich und nimmt sich zum Beispiel eine halbe Stunde zum Lesen. Sobald der Wecker klingelt, hört man auf.“
Auch die Autoren der Studie plädieren jedoch dafür, Nachrichten nicht ganz abzuschalten – sondern einen gesunden Umgang mit ihnen zu finden. Die Verantwortung hierfür sehen sie nicht nur bei den Nachrichtenkonsumenten selbst, sondern auch der Medienbranche. Journalisten sollten sich nicht nur auf aufmerksamkeitsgenerierende Geschichten konzentrieren, so McLaughlin. (dpa/vdü)