US-Lungenärztin berichtet aus ihrem Alltag auf der Intensivstation
Diese 7 Phasen durchlaufen schwerkranke Corona-Patienten

Karen Gallardo arbeitet als Lungenärztin im Community Memorial Hospital in Ventura, im US-Staat Kalifornien. In ihrem Berufsalltag arbeitet sie eng mit Corona-Patienten zusammen. In einem so bewegenden wie erschütternden Bericht in der „Los Angeles Times“ beschreibt sie, was ihre Patienten mit schwerem Corona-Verlauf typischerweise erleben. Sie sagt: Wer schwer erkrankt, kann bis zu sieben Phasen durchlaufen – von der Aufnahme in die Klinik bis zum Tod.
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Phase 1
Die Corona-Symptome werden immer stärker, das Atmen fällt bereits schwer. An diesem Punkt suchten viele ihrer Patienten das Krankenhaus auf, berichtet Karen Gallardo in der "Los Angeles Times". „An Ihrer Sauerstoffsättigung sehen wir, dass Sie Hilfe benötigen, und zwar zusätzlich zwischen einem und vier Liter Sauerstoff pro Minute. Wir nehmen Sie auf und geben Ihnen antivirale Medikamente, Steroide, Gerinnungshemmer oder monoklonale Antikörper." Erst wenn ihre Patienten wieder eigenständig atmen, würden sie entlassen. Verschlimmert sich der Zustand, folgt Phase 2.
Phase 2
Die Behandlungen schlagen nicht an, das Atmen fällt immer schwerer. „'Wie beim Ertrinken', beschreiben viele Patienten das Gefühl", so die Lungenärztin weiter. Sogar kleine Dinge, wie Sitzen oder zur Toilette zu gehen, seien nun mit größten Anstrengungen verbunden. An diesem Punkt würden die Patienten dann auf die Intensivstation verlegt, erzählt Karen Gallardo.
Phase 3
In dieser Phase beginnen die Patienten zu hyperventilieren. Ihre Atmung wird immer schneller, um die Sauerstoffarmut irgendwie auszugleichen. Durch die Anstrengung seien die Patienten völlig erschöpft. An diesem Punkt komme eine Überdruck-Beatmungsmaske zum Einsatz: "Eine große, sperrige Gesichtsmaske, die mit Klettverschlüssen ums Gesicht herum befestigt werden muss, damit das Gerät effizient Druck auf die Lunge ausüben kann, um sie zu öffnen, damit sie genug Sauerstoff aufnimmt."
Phase 4
Der Sauerstoffgehalt im Blut wird kritisch niedrig, eine Intubation wird notwendig. Dabei wird ein Schlauch in die Luftröhre geschoben, über den der Patient künstlich beatmet wird. "Wenn Sie können und wir noch Zeit haben, schlagen wir Ihnen jetzt vor, dass Sie Ihre Lieben anrufen. Dies könnte das letzte Mal sein, dass sie Ihre Stimme hören", so die Lungenärztin in der "Los Angeles Times".

Phase 5
„Einige Patienten überleben Stufe 4“, sagt Karen Gallardo. Haben sich ihr Sauerstoffgehalt sowie ihr Allgemeinzustand nach mehreren Tagen am Beatmungsgerät nicht verbessert, müssten sie nun an eine sogenannte ECMO-Lungenmaschine angeschlossen werden. Durch diese könne das Blut mit Sauerstoff angereichert werden, erklärt die Ärztin. Doch in Karen Gallardos Krankenhaus ist dies nicht möglich. Denn: "Leider hat unser Gemeindekrankenhaus so eine Maschine nicht." Ihre Patienten müssen für diese Therapie also in ein anderes Krankenhaus verlegt werden. Doch das gehe nur, wenn sie stabil genug seien, so die Medizinerin.
Phase 6
Durch die Erkrankung und die intensive Behandlung würden die inneren Organe stark belastet, durch ihr geschwächtes Immunsystem seien die Patienten besonders anfällig für Infektionen. „Trotz blutdrucksenkender Mittel schwillt Ihr ganzer Körper durch Flüssigkeitsansammlung an, und Sie benötigen eine Dialyse, um Ihre Nierenfunktion zu unterstützen", beschreibt die Ärztin den Verlauf in diesem schweren Corona-Stadium. Flüssigkeit sammle sich nun auch in der Lunge, Blutgerinnsel könnten auftreten, das Herz stehenbleiben, Wiederbelebungsmaßnahmen nötig werden. „Bald muss Ihre Familie eine schwierige Entscheidung treffen", sagt Karen Gallardo.
Phase 7
Wenn die Familien nach mehreren Gesprächen mit dem Palliativpflegeteam beschlössen, die Behandlung abzubrechen, stehe die letzte Phase an. "Wir extubieren Sie und schalten die Atemmaschinerie aus. Wir vereinbaren einen letzten FaceTime-Anruf mit Ihren Lieben", erzählt die Ärztin. "Während wir in Ihrem Zimmer arbeiten, hören wir das Weinen und die liebevollen Abschiede. Auch wir weinen und halten Ihre Hand bis zu Ihrem letzten natürlichen Atemzug."
"Lasst euch impfen!"
Karen Gallardos simpler Ratschlag an alle, die das niemals am eigenen Leibe erleben wollen, lautet: „Lasst euch impfen!“ Denn auch wenn sich Menschen nach dem Pieks weiterhin mit Corona infizieren können, sei ihr Verlauf meist mild. „Wenn man sich impfen lässt, endet die Covid-Infektion meist nach Phase 1“, so die Fachärztin. (dhe)