Ukraine-Krieg

Politische Wirkung trotz wenig Schaden: Das bedeuten Kiews Drohnenangriffe auf Russland für Putins Militär

February 27, 2023, Kyiv, Kyiv Oblast, Ukraine: Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy listens to U.S Treasury Secretary Janet Yellen during a face-to-face meeting at the Mariinsky Palace, February 27, 2023 in Kyiv, Ukraine. Kyiv Ukraine - ZUMAp138 2
Kiew schlägt zurück: Die Drohnenangriffe der Ukraine auf Russland setzen das Militär unter Druck
www.imago-images.de, IMAGO/ZUMA Wire, IMAGO/Pool /Ukrainian Presidentia

von Gernot Kramper

Mit einer ganzen Welle von Drohnen hat die Ukraine Ziele in Russland angegriffen. Der eigentliche Schaden ist gering, doch diese Attacken setzen Putin und sein Militär gewaltig unter Druck.

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Drohnenangriff auf Russland: Ukraine modernisiert alte "Brummer" aus Sowjetzeit

Die Ukraine trägt den Drohnenkrieg tief nach Russland – eine ganze Welle von ukrainischen Drohnen attackierte Ziele in Russland. Eine kam bis kurz vor Moskau. Eine andere traf eine Raffinerie in Tuapse. Schon im Dezember wurde auf diese Weise ein Bomber auf einem Flughafen getroffen. Dieses Mal war die Luftverteidigung besser vorbereitet, dennoch ist der Einsatz ein großer Erfolg für Kiew – denn auf diese Weise kann nun auch die Ukraine Ziele im russischen Hinterland angreifen. Und das hat Konsequenzen für das russische Militär.

Vermutlich wurden auch bei diesem Angriff keine Waffen westlicher Bauart verwendet, sondern alte "Brummer" aus der Sowjetzeit vom Typ Tu-141 "Strizh" ("Mauersegler"). Die Tu-141 wurde Anfang der 1970er als Aufklärungsdrohne ohne Bewaffnung gebaut. Ihre Reichweite betrug damals 1000 Kilometer. Die Drohne selbst musste nur mäßig modifiziert werden. Vermutlich wurden die alten Aufklärungssensoren entfernt und durch eine moderne GPS-basierte Steuerung ersetzt.

Um die Sprengladung unterbringen zu können, hat man wahrscheinlich den Tank und damit die Reichweite reduziert. Schon kurz nach Beginn des Krieges im März 2022 hatte es einen Vorfall mit diesem Typ gegeben. Eine in der Ukraine gestartete Drohne kam vom Kurs ab und stürzte nahe Zagreb ab. Nach kroatischen Angaben hatte auch sie einen Sprengkopf an Bord, der ursprünglich nicht in der Tu-141 verbaut wurde. Von 1979 bis 1989 wurden insgesamt nur 141 Stück gebaut. Mit über 14 Metern ist die Tu-141 relativ lang und besitzt mit 1000 km/h eine hohe Marschgeschwindigkeit. Trotz des Alters bewegt sich die Tu-141 wie eine moderne Drohne. In geringer Höhe nähert sie sich ihrem Ziel, dabei wird der Kurs so abgesteckt, dass er Senken folgt und so den "Schatten" der Höhen ausnutzt.

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Mehr Symbolik als Schaden: Das bringen die Drohnenangriffe der Ukraine

Die eigentliche Wirkung solcher Angriffe ist gering. Drohnen tragen nur eine geringe Bombenlast mit sich, wenn man sie mit den Waffen eines Kampfbombers vergleicht. Hinzu kommt beim Mauersegler die geringe Anzahl der Systeme. Dafür ist die politische Bedeutung umso größer. Die Bevölkerung der Ukraine, die in U-Bahn-Stationen und Bunkern Schutz vor den russischen Angriffen suchen muss, wird es mit Genugtuung aufnehmen, dass das eigene Militär nun auch tief in Russland zuschlagen kann und dort die Sirenen losheulen. Ein Treffer in einem symbolischen Gebäude wie dem Verteidigungsministerium oder dem Kreml hätte eine starke PR-Wirkung, auch wenn der Schaden gering wäre. Diese Bedrohung hat bereits dazu geführt, dass in Moskau Luftverteidigungssysteme für den Nahbereich auf den Dächern von Regierungsgebäuden platziert worden sind.

Offen bleibt, ob es Kiew gelingt, eigene Waffen großer Reichweite zu bauen. Waffen, die die Alliierten nicht liefern wollen. Mit der Tu-141 wurde nur ein vorhandenes altes System gewartet und umgebaut. Grundsätzlich könnte Kiew auch versuchen mit "Bordmitteln" Billig-Drohnen wie die iranischen Modelle oder gar ballistische Raketen zu bauen. Für so einen Versuch gäbe es mehrere Vorbilder. Etwa das Konzept einer Bündelrakete, so wie die OTRAG, die der Deutsche Lutz Kayser in Libyen bauen wollte.

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Was sind die Konsequenzen für das russische Militär?

Für das russische Militär ist das eine schwere Lage. Grundsätzlich lassen sich Drohnen abfangen, wie etwa die Luftverteidigung der Ukraine beweist. Doch mit bis zu 1000 Kilometer Reichweite gibt es viele lohnende Ziele für die Mauersegler und entsprechend viele Anflugrouten. Sie alle zu schützen ist nicht möglich. Und jedes Abwehrsystem, welches nun im Hinterland stationiert wird, kann die Invasionstruppen in der Ukraine nicht weiter schützen. Die Alliierten haben Kiew bereits zugesagt, Distanzwaffen mit größerer Reichweite zu liefern. Sie reichen nicht an die 1000 Kilometer der Mauersegler heran, aber sie werden die bedrohte Zone auf russischer Seite von derzeit etwa 70 Kilometern auf fast 200 ausdehnen. Die russische Abwehr wird überfordert sein, wenn sie dieses Gebiet und zugleich das russische Hinterland schützen soll.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de

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