Todesraser von Neumünster überfuhr im Januar 2021 drei Menschen

Beim Prozessstart kommt die tiefe Trauer von Witwer Marvin wieder hoch

18.08.2022, Schleswig-Holstein, Kiel: Der Angeklagte (Ml), ein 26-jähriger Mann, sitzt neben seinem Anwalt Martin Schaar (Mr) in einem Gerichtssaal des Kieler Landgerichts. Er soll im Januar 2021 unter Einfluss von Drogen und ohne Fahrerlaubnis mit einem Auto bei überhöhter Geschwindigkeit in einer langgezogenen Rechtskurve von der Fahrbahn abgekommen sein und eine Fußgängergruppe auf dem Gehweg erfasst haben. Dabei starben drei Menschen. Foto: Markus Scholz/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Angeklagte (mitte), sitzt neben seinem Anwalt Martin Schaar (mitte rechts) in einem Gerichtssaal des Kieler Landgerichts.
Foto: Markus Scholz, deutsche presse agentur
von David Meyer-Wilmes und Nicole Ide

Zweiter Versuch: Zum ersten Prozesstag erschien der Angeklagte nicht. Nach erheblichem Kokain-Konsum kam er stattdessen in eine Klinik. Jetzt geht das Verfahren gegen den Autofahrer weiter, der in Neumünster bei einem Unfall drei Fußgänger getötet haben soll. Auch die Angehörigen der Opfer sind zum Prozess gekommen. Der Ehemann einer getöteten Frau erzählt im RTL-Interview, wie sich das Aufeinandertreffen mit dem Angeklagten anfühlt.

Familie empfindet Wut und Trauer gleichzeitig

Marvin Beckmann ist einer der Angehörigen der Opfer. Er verlor seine Ehefrau bei dem Unfall.
Marvin Beckmann im RTL-Interview. Er verlor seine Ehefrau bei dem Unfall.
RTL Nord

„Tatsächlich ist es allen kalt den Rücken runtergelaufen und es kam natürlich wieder diese Wut hoch und diese Trauer gleichzeitig“, fasst Marvin Beckmann die Empfindung der Angehörigen zusammen, als sie den Unfallverursacher das erste Mal sehen. Beckmann ist der Ehemann einer der Verstorbenen. „Deswegen war es heute wirklich ein komisches Gefühl für mich“, erzählt er im Interview mit RTL. Trotz des schweren Verlustes wirkt er gefasst, tröstet während der Verhandlung seine Schwiegermutter, deren zwei Töchter bei dem Unfall gestorben sind. Immer wieder fließen Tränen im Gerichtssaal 132.

Klinik statt Kieler Landgericht

18.08.2022, Schleswig-Holstein, Kiel: Der Angeklagte, ein 26-jähriger Mann, wird in Handschellen von Bediensteten der Justiz in einen Gerichtssaal des Kieler Landgerichts gebracht. Er soll im Januar 2021 unter Einfluss von Drogen und ohne Fahrerlaubnis mit einem Auto bei überhöhter Geschwindigkeit in einer langgezogenen Rechtskurve von der Fahrbahn abgekommen sein und eine Fußgängergruppe auf dem Gehweg erfasst haben. Dabei starben drei Menschen. Foto: Markus Scholz/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
In Handschellen geht es für den Angeklagten in den Gerichtssaal am Landgericht Kiel.
sei, dpa, Markus Scholz

Zur Verhandlung wird Henrik B. am Donnerstagmorgen (18.8.2022) in Handschellen vor das Kieler Landgericht geführt. „Gestern ist gegen den Angeklagten ein Haftbefehl erlassen worden, daraufhin ist er in Haft genommen und heute vorgeführt worden, damit die Hauptverhandlung auch beginnen konnte“, erklärt Lea Otten, Pressesprecherin am Landgericht auf Anfrage von RTL. Beim geplanten Prozessauftakt am Montag war der angeklagte Autofahrer nicht aufgetaucht, nur sein Anwalt erschien und ließ ausrichten, dass sich sein Mandant auf dem Weg in die Imland Klinik in Rendsburg befinde. Wie sich später herausstellte, hatte der 26-jährige Altenpfleger so viel Kokain genommen, dass er zitterte und nicht in der Lage war zu sprechen.

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Unfall-Opfer stammen aus einer Familie

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 26-Jährigen vor, eine Fußgängergruppe am 20. Januar 2021 mit seinem Golf erfasst zu haben. Noch am Unfallort starben ein 34 Jahre alter Mann und dessen 30 Jahre alte Lebensgefährtin, beide waren Polizisten. Wenige Tage später stirbt auch die 27-jährige Isabella Beckmann, die Schwester der 30-Jährigen, an ihren schweren Verletzungen im Krankenhaus. Für die Angehörigen ein schwerer Schlag. Den Hinterbliebenen gehe es schlecht, sagt der Vertreter der Nebenkläger Sascha Böttner. „Sie leiden unter Albträumen. Sie können die Sachen nur schwer verarbeiten. Und auch heute nochmal die Belastungssituation, dass sie den Angeklagten wahrnehmen mussten, der schweigt und keine Gemütsregung zeigt“, berichtet Böttner. „Tatsächlich war es auch ein kleiner Flashback. Man wurde nach eineinhalb Jahren doch ziemlich zurückgeholt und es ist einem ziemlich flau im Magen geworden“, beschreibt Marvin Beckmann, Isabellas Ehemann, die belastende Situation.

Angeklagter: "Ich werde mit dieser Schuld leben müssen"

Gleich zu Beginn liest der Vorsitzende Richter Stephan Worpenberg ein Entschuldigungsschreiben des Angeklagten vor: „Mir ist klar, dass Sie mir niemals verzeihen können“, heißt es darin. „Niemand sollte so aus der Welt gerissen werden. Ich werde mit dieser Schuld leben müssen.“ Der Angeklagte muss sich wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verantworten. Nach Ansicht der Kammer kommt auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Betracht. Er soll ohne Fahrerlaubnis und unter Einfluss von Drogen gefahren sein. (mit dpa)