Angestellter zu "Team Wallraff"-Reporterin: "Ich hab nur Burger King und das Hotel bisher gesehen"
Hilfe für ausländische Mitarbeiter oder Ausbeutung und Isolation? Was ist los in diesem "Burger-King-Hotel"?
Während der Recherchen ist „Team Wallraff“ auf eine Burger-King-Filiale in Dachau gestoßen. Hier werden anscheinend viele Menschen mit Migrationshintergrund eingestellt. Der Ton scheint rau, die Arbeitszeiten lang, dennoch trauen sich offenbar viele Mitarbeiter nicht zu kündigen. Liegt das daran, dass sie ihre Rechte nicht kennen? Da die Mitarbeiter hier teilweise noch keine Aufenthaltsgenehmigung haben, entsteht der Eindruck eines Abhängigkeitsverhältnisses. Steckt hier womöglich ein System dahinter? Und was hat es mit dem Hotel auf sich, in dem einige der Burger-King-Mitarbeiter untergebracht sind?
Informantin: "Die Leute wurden nur niedergemacht"
Schon am ersten Tag ihres Undercover-Einsatzes bemerkt „Team Wallraff“-Reporterin Amra die angespannte Stimmung in der Dachauer Burger-King-Filiale. Obwohl hier kaum einer der meist aus Osteuropa oder Nordafrika stammenden Mitarbeiter Deutsch spricht, erkennt man schnell den rauen Umgangston.
Eine Informantin bestätigt diesen Eindruck im Gespräch mit „Team Wallraff“-Reporter Alex: „Ich bin schon lange in der Gastronomie und ich hab noch nie so ein schlechtes Arbeitsklima erlebt. Es war ein sehr bedrücktes Gefühl, sobald der Besitzer kam, war es noch schlimmer, die Leute wurden nur niedergemacht.“
Burger-King-Mitarbeiter: "Eine Woche war es so schlimm, ich wusste nicht mehr, wie ich heiße"
Auch ein weiterer Burger-King-Mitarbeiter berichtet von einem latent aggressiven Umgangston. Amras Kollege Andrej* erzählt der Undercover-Reporterin, wie unglücklich er sei:
„Was soll ich machen, eine Woche war es so schlimm, ich wusste nicht mehr, wie ich heiße. Ich werde kündigen, meinte ich zu meiner Frau. Sie sagte, du musst es aushalten, du darfst nicht kündigen. Ich weiß nicht, wie das geht, weil es der erste Job ist, ich habe noch keinen ‘Aufenthalt’.“
Das Problem: Andrej versteht die Sprache kaum und scheint von dem Arbeitsverhältnis abhängig zu sein. Reporterin Amra hat den Eindruck, dass er sich deshalb möglicherweise nicht traut, den Chefs die Stirn zu bieten.
R.O.I. Burger King Dachau GmbH & Co. KG schreibt hierzu:
„Als Arbeitgeber muss und will meine Mandantin einen sicheren Arbeitsplatz bieten, an dem ein respektvoller Umgang miteinander gepflegt wird. Trotz aller Bestrebungen kann es im Einzelfall dennoch einmal zu individuellen Unstimmigkeiten kommen, deren Beilegung […] für unsere Mandanten stets oberstes Ziel ist.“
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Rechtsexperte: "Das ist eine Form der Ausbeutung"
Ähnlich wie Andrej geht es offenbar auch anderen Mitarbeitern. Viele sind nach Deutschland gekommen, weil sie arbeiten und ein besseres und sichereres Leben führen wollen. Für viele ist es zudem der erste Job in Deutschland. Welche Problematik damit einhergehen kann, weiß auch Rechtsexperte Dr. Sven Jürgens:
„Das ist leider ein Phänomen, was man immer öfter beobachtet, gerade im Bereich Niedriglohnsektor oder Jobs, die relativ leicht anlernbar sind oder wo ungelernte Tätigkeiten gefragt sind, dass genau diese Schwächsten der Schwachen akquiriert werden. Weil die Schwierigkeiten haben, die Sprache nicht können, das Rechtssystem nicht können und ich glaube, da steckt eine Systematik dahinter und das ist eine Form der Ausbeutung“, erklärt er im Gespräch mit Günter Wallraff.
Jürgens bestätigt zudem Günter Wallraffs Vermutung, dass viele Mitarbeiter aus dem Ausland oft gar nicht über ihre Rechte Bescheid wüssten und auch nicht darüber aufgeklärt werden. Zudem lassen sich die betroffenen Mitarbeiter dem Rechtsexperten zufolge vielleicht darum auch leichter einschüchtern.
„Team Wallraff“-Reporterin Amra fragt sich, wie gut die Burger-King-Mitarbeiter in der Dachauer Filiale wirklich aufgehoben sind.
R.O.I. Burger King Dachau GmbH & Co. KG schreibt uns, dass gute Arbeitsbedingungen zentral für das Unternehmen seien. Und weiter:
„Im Unternehmen sind […] u. a. auch Auszubildende aus Drittstaaten beschäftigt. Nach erfolgreichem Durchlaufen des behördlich vorgesehenen Visaverfahrens, erhalten […] (sie) einen Aufenthaltstitel zum Zwecke der Ausbildung […]. […] Die Anbahnung von Ausbildungsverhältnissen […] erfolgt auf marktüblichen Wegen.“
Wieso wird manchen Angestellten von Burger King Geld für eine Unterkunft abgezogen?
Wie abhängig von ihrem Job bei Burger King die Mitarbeiter teilweise sind, zeigt eine weitere Situation, die Amra während ihres Undercover-Einsatzes erlebt. Ihr Kollege Marik* erzählt ihr, dass er täglich zwölf Stunden arbeitet. Sein Lohn dafür? Nur 600 Euro. Wie kann das sein?
Unsere Informantin erzählt uns: „Ich habe erlebt, dass ein, zwei Leute sechs Tage die Woche gearbeitet haben, teilweise zehn, elf Stunden am Tag. Denen angeblich Geld abgezogen wurde fürs Wohnen.“
Stellt sich die Frage: Wieso zahlen einige Angestellte ihrem Chef Geld für eine Unterkunft?
„Die waren hart arbeitende Leute. Und dann kommen sie nach Deutschland und leben in einem Hotel, wo ihnen das Geld abgezogen wird. Die haben um die 600 bis 700 Euro bekommen im Monat, haben aber sechs Tage die Woche gearbeitet“, berichtet die Informantin weiter.
Die Arbeitszeiten seien nicht zutreffend, schreibt uns die R.O.I. Burger King Dachau GmbH & Co. KG. Und weiter: „Der Ausbildungsvertrag des Unternehmens regelt ausdrücklich eine 40-Stunden-Woche. Es gilt eine absolute Höchstgrenze von insgesamt zehn Arbeitsstunden pro Tag.“
Überstunden würden gesondert vergütet – eine sechs Tage Woche sei nur aufgrund kurzer oder Teil-Schichten möglich.
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Wer im Hotel wohnt, ist irgendwie doppelt an Burger King gebunden
Wie Marik „Team Wallraff“-Reporterin Amra erzählt, verdient er im Monat 1.000 Euro, 400 Euro werden ihm dafür abgezogen, dass er im Hotel wohnen kann, die restlichen 600 Euro bekommt er ausgezahlt.
Was erstmal klingt wie eine praktische Lösung, wenn man schnell eine Unterkunft braucht, hat auch einen Haken: Damit sind sowohl Mariks Job als auch seine Unterkunft an Burger King gebunden. Verliert er seinen Job, ist er demnach vermutlich erst mal auch obdachlos.
Aufenthaltsgenehmigung ist an Burger-King-Vertrag gebunden
Reporterin Amra besucht eine Kollegin der Dachauer Filiale, die ebenfalls in dem Hotel wohnt, in dem Burger King offenbar einige seiner Mitarbeiter unterbringt. 750 Meter ist es von den Fast-Food-Restaurant entfernt, es wirkt trostlos. Mitarbeiterin Zonja* lebt hier in einem etwa 15 Quadratmeter großen Dreibettzimmer mit einer Mitbewohnerin. Eine weitere könnte jederzeit dazukommen.
Wie sie im Gespräch mit einem ehemaligen Burger-King-Mitarbeiter erzählt, gefällt es hier nicht besonders: „Keiner mag es hier. Das Hotel ist nicht gut.“ Vor allem die fehlende Privatsphäre scheint sie zu stören. „Ich will umziehen. Sag es keinem. Aber ich will umziehen“, flüstert sie uns zu. „Es ist mir zu viel. Ich habe keine verdammte Privatsphäre.“
Dennoch ist die junge Frau von der Situation abhängig: Denn Zonjas Aufenthaltsgenehmigung ist an den Burger-King-Vertrag gebunden. Was sie für ihre Unterkunft bezahlt, weiß sie gar nicht so genau. 250 Euro vermutet sie.
Rechtsexperte: "Die Unterbringung ist eine Katastrophe. Das kann so nicht richtig sein"
„Das, was wir hier sehen, ist natürlich so eine Jugendherberge-Schlafsaal-Situation, die meines Erachtens nicht angemessen ist, die aber jedenfalls nicht diesen Preis rechtfertigt, der dann in Rechnung gestellt wird“, erklärt Rechtsexperte Dr. Sven Jürgens im Gespräch mit Günter Wallraff.
„Und [der Preis] muss angemessen oder sogar subventioniert sein für den Auszubildenden, damit der eben auch unter vernünftigen Bedingungen seine Ausbildung absolvieren kann. Das passt ja alles nicht, das ist viel zu teuer. Die Unterbringung ist eine Katastrophe. Das kann so nicht richtig sein.“
R.O.I. Burger King Dachau GmbH & Co. KG schreibt uns, man würde lediglich bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft unterstützen.
„Insoweit hat meine Mandantin in der Region mit diversen Vermietern, darunter auch mit dem […] Hotel, Sonderkonditionen aushandeln können, […]. Da die Miete in der Regel im Voraus an den Vermieter zu zahlen ist, gewährt meine Mandantin im Bedarfsfall, […], einen individuellen Lohnvorschuss für die fällige Miete. Dieser Lohnvorschuss wird anschließend im Rahmen der Lohnabrechnung berücksichtigt und mit dem Gehalt verrechnet.“
Hilfe oder Ausbeutung?
Die Frage bleibt: Ist eine solche Unterbringung eine pragmatische Hilfe für Mitarbeiter aus dem Ausland, die eine Unterkunft brauchen, oder eine Art der Isolation? „Team Wallraff“-Reporterin Amra hat den Eindruck, dass die betroffenen Burger-King-Mitarbeiter unter der Situation leiden:
„Der eine Kollege, den ich gefragt hab, meinte, ‘ich hab nur Burger King und das Hotel bisher gesehen.’“ Traurig, wenn man eigentlich nach Deutschland kam, um hier ein besseres Leben zu führen.
Für Reporterin Amra ist diese Situation schrecklich zu beobachten. „Da wird man isoliert und ich glaube, dass so auch das ganze System funktioniert“, vermutet sie. „Dass die Leute keinen Kontakt haben, ausgebeutet werden und da wohnen und das wars“, so ihre Einschätzung. (akr)
*Namen von der Redaktion geändert.