Vom Vater sexuell missbraucht

Missbrauch im Kinderzimmer - Opfer heute: "Ich dachte immer, ich bin schuld"

Sie möchte nicht ihren echten Namen nennen, ihre Aussagen dürfen wir im Beitrag nur nachsprechen: So groß ist Frauke Müllers (Name von der Redaktion geändert) Angst vor Vorurteilen. Denn sie erzählt im RTL-Interview vom jahrelangen sexuellen Missbrauch durch ihren Vater und wie sie endlich Hilfe einforderte. Mehr zur ihrer erschütternden Geschichte gibt es im Video.

"Das größte Gefühl ist diese Hilflosigkeit"

Frauke schämt sich für das, was ihr im Alter von vier bis zwölf Jahren angetan wurde. „Das größte Gefühl ist die Scham – dann der Ekel vor dem eigenen Körper und diese Hilflosigkeit,“ erzählt sie im Interview. „Ich dachte immer, das sei normal und ich bin Schuld.“ Sie erinnert sich an ihre Gefühle als Kleinkind: „Als 4-Jährige sind die Eltern das Universum. Man lebt in dem elterlichen Kosmos, ohne infrage zu stellen, was die Eltern tun.“

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Auch die Mutter unterstützt ihre Tochter nicht, als diese sich ihr nach acht Jahren Missbrauch trotz der Drohungen seitens ihres Vaters endlich anvertraut. „Wir hatten oft Streit, ich habe regelrecht rebelliert. Sie hat die Tatsache, dass ich ihr es erzählte, für eine weiter Eskapade gehalten.“ Die Teenagerin steht allein da, bis sie im Alter von 15 zu einer Freundin flüchtet und das Jugendamt sie aus der Familie holt. Erst dann erfährt Frauke, dass auch ihre jüngere Schwester vom Vater missbraucht wurde. Der Täter wird zu Therapie und Bewährungsstrafe verurteilt.

Nach 20 Jahren kam alles Erlebte wieder hoch

Frauke verdrängt nun ihre Erlebnisse, wird selbst Mutter und übt ihren Beruf als Lehrerin aus. Dann – nach 20 Jahren ohne Kontakt zur Familie – erfährt sie 2017 vom Tod ihres Vaters, ihres „Missbrauchers“, wie sie ihn selbst nennt. „Da bin ich erst einmal zusammengebrochen.“
Der Glaube, über die schlimmen Erlebnisse hinweg zu sein, schwindet – Frauke sucht sich Hilfe bei der kostenlosen Frankfurter Organisation Wildwasser e.V.. „Ein großartiges Angebot, ohne berufliche Konsequenzen befürchten zu müssen,“ schwärmt Frauke. Denn viele Betroffene befürchten Folgen im Beruf, wenn sie eine offizielle Verordnung für den Psychotherapeuten holen. Die Beratungsstellen von Wildwasser e.V. gibt es bundesweit, telefonisch (in Frankfurt 069/ 95 50 29 10), per Email (info@wildwasser.de) oder vor Ort bekommen Missbrauchsopfer anonyme Hilfe. Auf der Website finden Betroffene Anlaufstellen in ihrer Nähe.

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Berater: "Sexueller Missbrauch kommt in allen Teilen der Gesellschaft vor"

Bei Wildwasser e.V. arbeiten nur Frauen, aus Fraukes Sicht ein klarer Vorteil vor allem für weibliche Missbrauchsopfer, die akut betroffen sind: „Wenn ich vor 20 Jahren hingegangen wäre, hätte ich auf keinen Fall mit einem Mann sprechen können.“
Eine der Frauen ist Nana Melling. Die Beraterin berichtet von ihren Erfahrungen: „Sexueller Missbrauch kommt in allen Teilen der Gesellschaft vor, in allen Klassen, allen Schichten. Und es ist nicht der unbekannte Fremdtäter, sonder oft ein Familienangehöriger.“ Behutsam macht sie mit ihren Kolleginnen den Opfern deutlich, dass sie nicht allein und vor allem nicht Schuld an der Situation sind.

Weitere Anlaufstellen für Betroffene:

  • N.I.N.A. e. V.: Hilfetelefon sexueller Missbrauch 0800/2255530 – Beratung von Betroffenen und Helfenden

  • Nummer gegen Kummer Kinder- und Jugendtelefon: 116111

  • Weißer Ring: Opfertelefon 116 006 – Beratung online, telefonisch und vor Ort

  • jugend.support: Infos und Beratungsstellen

  • Telefonseelsorge, Tel.: 0800/1110111 – rund um die Uhr besetzt

  • Juuuport: Beratungsangebot von jungen Menschen für junge Menschen über Online-Formular und Whatsapp

  • Jugendnotmail: Onlineberatung in Krisensituationen

  • Hilfeportal sexueller Missbrauch: Onlinesuche nach Beratungsstellen in der Nähe

"Heute sind wir eine ganz normale Familie"

Frauke hat sich Hilfe gesucht und Hilfe bekommen. Sie konnte ihrer Mutter verzeihen und sagt: „Heute sind wir eine ganz normale Familie.“ Außenstehende würden gar nicht merken, dass in der Familie so Schlimmes vorgefallen ist. Frauke hat ihre Vergangenheit verarbeitet und möchte auch anderen Opfern Mut machen, sich Hilfe zu holen und endlich über den sexuellen Missbrauch zu sprechen.

Im Talk: Ulrich Warncke, Präventionsbeauftragter beim Weissen Ring

Ulrich Warncke arbeitet als Präventionsbeauftragter bei der Hilfsorganisation „Weisser Ring“. Die Organisation setzt sich für Kriminalitätsopfer und deren Familien ein. Im Gespräch mit RTL Hessen-Moderatorin Juliana Müller berichtet er über die Arbeit des Weissen Ringes. (bcr/mlu/gmö)