Vom Bunker ins Klassenzimmer
Nach erfolgreicher Flucht: Anton (17) kommt langsam im deutschen Alltag an
Der Ukrainer Anton Keyselyov hat es geschafft. Mit gerade einmal 17 Jahren ist er ganz alleine von der Ukraine nach Deutschland zu seinem Vater geflohen und kann jetzt sogar wieder in die Schule gehen. Wir haben mit Anton und seinem Vater Andriy über die bewegende Reise gesprochen.
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Vater bangt in Deutschland um Sohn Anton: "Das Kopfkino war schlimm"
Als die russischen Streitkräfte den Angriff auf die Ukraine starteten, versteckte sich Anton zunächst in einem Bunker. Sein Vater suchte sofort den Kontakt zu ihm: „Wir haben ständig telefoniert und trotzdem habe ich immer gedacht: Was ist in den nächsten fünf oder zehn Minuten passiert? Ich konnte aber auch nicht so oft anrufen. Das Kopfkino war schlimm“, erzählt Andriy Kyselyov.
Da eine Flucht mit dem Auto zu dem Zeitpunkt schon sehr schwierig war, entschied sich die Familie für eine Bahnreise: „Er musste von dem Bunker zehn Minuten zur U-Bahn Station laufen, dabei hat er sich sehr unsicher gefühlt. Wir haben währenddessen telefoniert und ich habe versucht, ihn abzulenken“, sagt der Vater.
Antons erste Reise ganz alleine

Ausgerechnet die Flucht aus seinem Heimatland war Antons erste Reise, die er ganz alleine antritt. Die Familie wusste, dass es nicht viele Plätze geben wird und dass die Flucht sehr anstrengend werden wird. Antons Mutter und der Großvater wären dafür zu schwach gewesen und bleiben in Kiew.
Als Anton losfährt, wissen er und sein Vater noch nicht einmal, wo sie sich treffen: „Ich hatte selbst keinen Plan. Ich wusste nur, dass er aus Kiew rausfahren soll, weil mir klar war, dass die Russen die Hauptstadt haben wollen“. Vater Andriy macht sich zeitgleich mit Antons Zug auf den Weg. Immer wieder telefonieren sie mit der ständigen Angst, dass der Handy-Akku leer gehen könnte.
"Ich weiß nicht, wie oft ich geblitzt worden bin"
Doch sie schaffen es: Treffpunkt von Anton und Andriy ist die slowakische Grenze. „Ich weiß nicht, wie oft ich geblitzt worden bin. Alles war egal, mein Führerschein war mir egal. Hauptsache ich war schnell“, erzählt der Vater über der Fahrt von Deutschland in die Slowakei.
Als die beiden sich endlich treffen konnten, waren sie zu erschöpft, um sich richtig zu freuen: „Wir haben uns umarmt und sind gleich ins Auto. Die Seele war nur noch leer“, erzählt Andriy, der bereits seit 2009 in Deutschland lebt und als Arzt arbeitet.
Anton kann zurück in die Schule

Ein paar Tage nach seiner Ankunft in Deutschland durfte Anton zum ersten Mal wieder in die Schule. In Schlüchtern (Hessen) wurde er als Gastschüler aufgenommen. „Ich stell mir das für ihn ziemlich schwierig vor. Direkt in einem neuen Land in eine neue Schule, eine neue Klasse zu gehen. Respekt, dass er das durchzieht“, bewundert ihn ein Mitschüler im RTL-Interview.
Anton freut sich darüber, wieder in die Schule gehen zu können. Vor allem möchte er aber dort anknüpfen, wo er aufgehört hat – an seinen guten Noten: „Wir sind daran, ein Zeugnis aus der Ukraine zu bekommen, aber wir wissen nicht, wann und ob das klappt. Deswegen ist es für meine weitere Ausbildung sehr wichtig, dass ich hier jetzt zur Schule gehe“, sagt uns der 17-Jährige nach seinem ersten Schultag. Denn Anton hat weiterhin große Ziele: Er möchte in die Fußstapfen seines Vaters treten und Medizin studieren.
Im Moment hat der 17-Jährige aber nur einen Wunsch: „Natürlich bin ich glücklich hier zu sein, aber es wäre besser, wenn auch meine Mitbürger in so einer Sicherheit wären“. (ast)