Angeklagte Erzieherinnen schweigen zum Prozessauftakt

Ertrunken bei Kita-Ausflug: Zeugin schildert unter Tränen, wie sie Adam (†2) im Wasser entdeckte

19.08.2021, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Die drei angeklagten Frauen im Saal 1 im Amtsgericht zusammen mit einem Anwalt. Heute ist der Beginn vom Prozess gegen drei Erzieherinnen aus Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung. Ein zweijähriger Junge war Anfang Oktober mit seiner Kita-Gruppe unterwegs gewesen und plötzlich verschwunden. Bei einer großangelegten Suche wurde das Kind leblos im Wasser des Neustädter Sees entdeckt. Trotz sofort begonnener Reanimationsmaßnahmen konnte nur noch der Tod festgestellt werden. Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Prozessauftakt gegen drei Erzieherinnen in Magdeburg.
peg sb, dpa, Peter Gercke

Ein tragischer Fall wird seit heute am Amtsgericht Magdeburg verhandelt: der Tod des kleinen Adam. Der Zweijährige verschwand Anfang Oktober 2020 in Magdeburg bei einem Spaziergang mit seiner Kita-Gruppe und ertrank in einem See. Drei Erzieherinnen sind wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Ihnen wird die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vorgeworfen. Die Angeklagten im Alter von 60, 23 und 31 Jahren schwiegen beim Prozessauftakt am Amtsgericht Magdeburg. Eine Zeugin kämpfte mit den Tränen, als sie beschrieb, wie sie den Jungen fand.

Erzieherinnen bemerkten nicht, dass Adam allein am See blieb

ARCHIV - 06.10.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Kerzen, Blumen, Spielzeug und Kuscheltiere sind von anteilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern vor dem Tor einer Kindertagesstätte abgelegt worden. Zuvor war am 2. Oktober 2020 ein Zweijähriger bei einem Ausflug mit seiner Kita-Gruppe in Magdeburg verschwunden und leblos in einem See gefunden worden worden. Am 19. August beginnt der Prozess gegen drei Erzieherinnen wegen fahrlässiger Tötung. (zu dpa: «Prozess gegen Erzieherinnen nach Ertrinkungstod eines Zweijährigen») Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Kerzen, Blumen, Spielzeug und Kuscheltiere sind von anteilnehmenden Bürgerinnen und Bürgern vor dem Tor einer Kindertagesstätte abgelegt worden (Archivfoto, 6. Oktober 2020)
kdg lop, dpa, Klaus-Dietmar Gabbert

Staatsanwältin Martina Klein schilderte in ihrer Anklageschrift minutiös, was an jenem verhängnisvollen 2. Oktober 2020 geschah. Die drei Erzieherinnen einer integrativen Kindertagesstätte im Norden Magdeburgs waren demnach ab 10 Uhr mit einer Gruppe von 17 Kindern im Alter zwischen zwei und vier Jahren unterwegs zum Neustädter See. Acht Kinder benutzten dabei Laufräder, drei liefen zu Fuß, sechs saßen in einem Bollerwagen. Am See spielten die Kinder im Sand.

Etwa anderthalb Stunden später traten die Erzieherinnen mit der Gruppe den Rückweg zur Kindertagesstätte an. Nachdem gegen 11.45 Uhr alle Kinder ausgezogen waren, stellten die Erzieherinnen fest, dass Adam fehlte. Umgehend begann die Suche. Der Junge wurde um 13.22 Uhr leblos im Wasser gefunden. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen blieben erfolglos. Der Junge ist zweifelsfrei ertrunken, sagte Rechtsmedizinerin Kerstin Janke.

Zeugin: Schon vorher Nachlässigkeiten beobachtet

02.10.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Ein Rettungshubschrauber steht am Neustädter See. Ein zwei Jahre altes Kind ist in Magdeburg bei einem Ausflug mit seiner Kita-Gruppe verschwunden und zunächst leblos in einem See gefunden worden. (zu dpa «Zweijähriger im Wasser gefunden - lebensbedrohlicher Zustand») Foto: Thomas Schulz/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Rettungshubschrauber am Neustädter See nach dem Sucheinsatz.
thomas schulz, dpa, Zentralbild

Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Betreuerinnen vor, dass erkennbar war, dass ein kleines Kind am Strand, zumal unbeaufsichtigt, ins Wasser hätte fallen können. Die Erzieherinnen hätten die Kinder im Auge behalten und darauf achten müssen, dass sie zusammenblieben. Stattdessen war der Zweijährige allein am See zurückgeblieben.

Gefunden wurde Adam während einer großangelegten Suchaktion, an der sich auch die Polizei mit einem Hubschrauber beteiligte. Das Kind trieb leblos auf dem Wasser. Eine Zeugin kämpfte mit den Tränen, als sie schilderte, wie sie ihn entdeckte. Sie habe etwas Blaues auf dem Wasser gesehen, das sie erst für eine Mülltüte hielt, ehe ihr klar wurde, dass es sich um die Jacke des Jungen handeln müsse.

Die Frau hatte sich als Mitarbeiterin der Kita an der Suche beteiligt, nachdem das Verschwinden des Kleinen bemerkt worden war. Als Springerin habe sie bereits in der Vergangenheit Nachlässigkeiten beobachtet, sagte die Frau, die seit dem Vorfall arbeitsunfähig ist.

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Adams Vater: Familie ist bereit, zu verzeihen

Eine der Angeklagten teilte über ihren Anwalt mit, sie räume alle Anklagepunkte ein. Sie wisse nicht, wie und wann der Unfall geschehen sei, aber Fakt sei, dass er passiert sei. Sie mache sich schwerste Vorwürfe. Die Frau folgte den Ausführungen mit gesenktem Kopf und Tränen in den Augen, wirkte sichtbar betroffen. Momentan sei sie nicht in der Lage zu erzählen, wolle aber möglicherweise im späteren Verlauf des Prozesses Fragen beantworten.

Der Vater des Jungen nimmt als Nebenkläger an dem Prozess teil. In seinem Namen teilte sein Anwalt mit, die syrische Familie sei bereit, zu verzeihen. (dpa / uvo)