Mit nur 22 Jahren wird ihr ihre Unabhängigkeit genommen

Kollegen denken, Annie sei ständig betrunken - dann folgt die Schock-Diagnose

Annie Newcomen erzählt dem "Liverpool Echo" von ihrer Epilepsie-Diagnose.
Annie Newcomen bekommt mit nur 22 Jahren die Diagnose Epilepsie.
BPM / Liverpool Echo

Annie Newcomen aus Liverpool (Großbritannien) ist erst 22 Jahre alt. Doch schon jetzt weiß sie: Sie wird nie wieder Auto fahren und alleine schwimmen gehen können; ein großer Teil ihrer Unabhängigkeit wird ihr innerhalb von einem kurzen Moment genommen. Der Grund: Bei ihr wird Epilepsie diagnostiziert. Dass irgendetwas nicht stimmt, bemerkte die Britin nur, weil sie von Kollegen auf ihr merkwürdiges Verhalten aufmerksam gemacht wird, das einem Betrunkenen ähnelt.

Komisches Verhalten zurückzuführen auf Stress? Annie ist sich sicher: Das kann nicht sein!

Besorgte Kollegen von Annie Newcomen stellen eine verrückte These auf: Sie hätten das Gefühl, dass Annie regelmäßig betrunken zur Arbeit erscheine und das dann zu vertuschen versuche. Zumindest wirke es so. Einer ihrer Kollegen bemerkt jedoch kurz darauf, dass etwas nicht stimmt. Er beschließt, mit ihr in die Notaufnahme zu fahren, wie der „Liverpool Echo“ berichtet. Eine Logopädin scheint vor Ort erst einmal Entwarnung zu geben: Die Symptome der 22-Jährigen seien stressbedingt.

Mit dieser ersten Diagnose gibt sich Annie jedoch nicht zufrieden: „Ich habe mich nicht gestresst gefühlt. Die Arbeit, die ich mache, kann manchmal stressig sein, aber ich war nicht wirklich gestresst. Schließlich ist jeder Job manchmal ein bisschen stressig.“ Sie sucht ihren Hausarzt auf, der sie letztendlich an einen Spezialisten, einen Neurologen, verweist. „Bei der Arbeit fühlte ich mich immer wieder seltsam, ich hatte viele Déjà-vu-Erlebnisse. Ich hatte das Gefühl, alles vergessen zu haben. Ich vergaß teilweise, warum ich überhaupt dort war oder was ich tat.“ Sie schildert dem Neurologen ihre Symptome: „Ich konnte nach den Anfällen nicht mehr sprechen, und mein Gehirn war wie benebelt.“ Die hammerharte Diagnose trifft Annie wie ein Schlag: Sie hat Epilepsie.

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Sprachtherapeutin Annie wird wegen ihrer starken Symptome ein großer Teil ihrer Unabhängigkeit genommen

„Ich war schockiert. Ich dachte, Epilepsie ist etwas, das man nur als Kind bekommt und mit dem man aufwächst. Ich dachte nicht, dass es im Erwachsenenalter auftreten kann. Aber der Arzt sagte mir, dass man es in jedem Alter bekommen kann“, erzählt die 22-Jährige gegenüber der britischen Zeitung.

Sie muss ihren Führerschein abgeben. Alleine im Meer oder im See zu schwimmen kommt für sie in Zukunft nicht mehr in Frage, zumindest ohne dass jemand auf sie aufpasst. Zu der Zeit hat die junge Britin rund zwei bis drei Anfälle pro Tag, etwa drei Wochen lang. „Ein großer Teil meiner Unabhängigkeit wurde mir einfach genommen.“ Dank verschiedener Medikamente werden ihre Anfälle weniger. „Mein Körper zuckt. Es ist kein Anfall, bei dem ich auf den Boden falle. Meine Augen flackern, ich bin völlig weggetreten – es ist, als ob ich den Raum verlasse – ich bin noch bei Bewusstsein, aber mein Verstand ist nicht da. Danach dauert es etwa sechs oder sieben Minuten, bis ich wieder sprechen kann.“

Von Beruf ist Annie Newcomen Sprachtherapeutin: Eigentlich ist sie diejenige, die Patienten behandelt, die zum Beispiel Sprachen neu erlernen müssen: „Ich musste mich mit der Tatsache abfinden, dass ich jetzt der Patient bin.“ Damit sie normal weiterarbeiten kann, muss sie ihre Anfälle noch mehr unter Kontrolle kriegen. Aber ihre Kollegen würden sie jedoch sehr unterstützen, wie sie sagt.

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„Ich weiß, es ist ein Klischee, aber das Leben ist zu kurz"

Annies Form der Epilepsie wird durch Stress, Müdigkeit und ihre Ernährung ausgelöst. Durch das Führen eines Anfalltagebuchs kann sie feststellen, dass sie beispielsweise einen fokalen Anfall – also epileptische Anfälle, die nur in Teilen des Gehirns oder in bestimmten Hirnregionen auftreten – bekommt, wenn sie eine Mahlzeit auslässt.

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Dem „Liverpool Echo“ gegenüber erklärt sie, dass sich ihre ganze Lebenseinstellung verändert habe: „Ich weiß, es ist ein Klischee, aber das Leben ist zu kurz.“ Mittlerweile ist die 22-Jährige „froh“ darüber, dass sie „nur“ Epilepsie habe. Sie versucht, die Dinge nun positiv und nichts mehr als selbstverständlich zu sehen. (vdü)