Entwurf für Tierschutzgesetz sorgt für WirbelZuchtverbot für Dackel, Schäferhund und Co.? DAS sagt eine Tierärztin dazu

Bald könnte jeder Hund, der vom Urtyp Wolf abweicht, auf der Verbotsliste stehen.
Das behauptet zumindest der Verband für das Deutsche Hundewesen. Grund für den Aufruhr? Ein Entwurf, der das Tierschutzgesetz abändern soll. Zukünftig soll es weniger Qualzuchten geben. Wie steht eine Tierärztin zu dem Vorstoß? RTL hat nachgehakt.
Neuer Entwurf für Tierschutzgesetz: Weniger Qualzuchten
Der Schreck, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH), sitzt tief. Liebhaber von Dackeln, Deutschen Schäferhunden, Beagle, Boxer, Zwergschnauzer und viele andere Hunderassen würden um den Fortbestand der Rassen bangen. Grund für die Panik, die aktuell von diversen Zuchtverbänden geschürt wird? Ein neuer Entwurf zum Tierschutzgesetz.
Dieser enthalte zwar „viele sinnvolle Änderungen zum Wohl der Tiere“, aber lasse auch „viel Spielraum für Interpretation bei der Auslegung“, wie es in einer Pressmitteilung des Verbands heißt. Der Spielraum sei so groß, dass „im Extremfall jeder Hund, der optisch vom Urtyp Wolf abweicht, in Deutschland schon bald auf der Verbotsliste stehen könnte.“
Werden bald wirklich all diese Hunde verboten?! Sehr unwahrscheinlich.
Tatsächlich steht in dem Entwurf, der sich aktuell noch im Referentenstadium und daher weit von einem Gesetz entfernt befindet, lediglich, dass man Qualzuchten einschränken will.
In dem Entwurf, den RTL eingesehen hat, heißt es konkret: „Es wird verboten, ein Tier, bei dem Qualzuchtmerkmale vorliegen, zur Zucht einzusetzen.“ Die Entscheidung, ob ein Fall von Qualzucht vorliege, werde im Einzelfall von den zuständigen Behörden getroffen.
Hier sieht man vonseiten der Züchter bereits das erste Problem. „Die Auslegung der relevanten Vorschriften ist regional sehr unterschiedlich und teilweise überzogen“, erklärt Leif Kopernik, Hauptgeschäftsführer des VDH, gegenüber RTL.
Zudem seien noch Details unklar. Der Verband befürchtet nun, dass ganze Hunderassen bald pauschal mit einem Zuchtverbot belegt werden. Kann das wirklich passieren?
Was gilt überhaupt als Qualzucht?
Nein, betont Dr. Tanja Pollmüller, auch als Doc Polly bekannt. Denn nicht alle Hunde aller Rassen weisen Qualzuchtmerkmale auf. Doch sie sagt auch: Die Liste der Tiere, die genetisch Probleme haben, ist lang. „Wir haben mittlerweile Hunde mit zu kurzen Beinen, zu kurzen Schnauzen, zu langen Rücken, zu kurzen Köpfen, ohne Haare, mit herausstehenden Augen, es gibt Gendefekte – das ist Wahnsinn“, so Pollmüller.
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Tatsächlich gibt es eindeutige Kennzeichen, was als Qualzucht gilt. Diese sind online nachzulesen, etwa in einem Merkblatt der Bundestierärztekammer. Für alle, die sich nicht durch den langen Katalog lesen wollen, hat die Tierärztin eine einfache Merkregel. „Alles, was übertrieben gezüchtet wird, ist ungesund. Zu kleine Köpfe führen oft zu Problemen und starken Schmerzen im Gehirn, zu große Hunde haben ein höheres Risiko für Knochentumore, zu kurze Schnauzen führen zu Atemproblemen – die Liste geht immer weiter.“
Darin sind allerdings nicht solche Krankheiten aufgeführt, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. So haben Dalmatiner je nach Punktvorkommen ein höheres Risiko, taub zu sein oder Cavalier King Charles Spaniel neben seinen chronischen Kopfschmerzen durch einen zu kurzen Kopf ein sehr hohes Risiko für Herzerkrankungen.
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So schätzt eine Tierärztin den Entwurf ein
Fakt ist also aus tiermedizinischer Sicht: Viele Rassehunde leiden unter Qualzucht-Merkmalen. Dennoch ist das Ziel des neuen Gesetzes nicht, die entsprechenden Hunderassen von einem Tag auf den anderen verschwinden zu lassen.
Sondern, laut Doc Polly, vielmehr dafür zu sorgen, „dass diese Krankheiten für immer verbannt werden.“ Es müsse „uns ins Bewusstsein geraten, dass viele Hunde starke Schmerzen, Leiden und Schäden haben“, betont Pollmüller. „Was immer an erster Stelle stehen sollte, wenn wir mit Tieren züchten, ist das Tierwohl – und NICHT das Aussehen.“
In diesem Punkt sind sich eigentlich alle einig. Denn auch der VDH unterstützt nach eigener Aussage die Bekämpfung von Qualzuchten. „Niemand möchte einen Mischling oder Rassehund haben, der Atemprobleme, chronische Augen- und Hautentzündungen oder Erkrankungen an der Hüfte hat“, heißt es vonseiten des Verbands. Man arbeite daher „an der stetigen Verbesserung der Gesundheit“ der Hunde.
Auch Tierärztin Pollmüller betont: „Es gibt viele Zuchtverbände, die genau darauf achten, dass etwa Gendefekte nicht weitergegeben werden. Ich würde den neuen Entwurf eher als eine Verbesserung und Erweiterung der bestehenden Regeln des VDH sehen.“
Was ist also das Problem? Leif Kopernik erklärt RTL, dass es derzeit vor allem wegen unklaren Formulierungen hapert. Ein Problem sei etwa der vage Begriff „Anomalien des Skelettsystems“, der genutzt werden könne, „um zahlreiche Einzeltiere und ganze Hunderassen wie den Dackel, Beagle oder den Boxer als verboten einzustufen, da sie phänotypisch aufgrund von ‘Anomalien des Skelettsystems’ von anderen Hunderassen und vom Wolf abweichen.“
Auch sechs weitere Formulierungen in dem Entwurf müssen, so Kopernik, genauer bestimmt werden.
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Züchter fürchten, dass illegaler Welpenhandel zunimmt
Geschieht dies nicht und kommt es zu einem Zuchtverband bestimmter Rassen, fürchtet der Verband, dass der illegale Welpenhandel zunimmt. Der Grund? Fans bestimmter Rassen könnten sich mit Tieren, die nicht mehr genau den Standards entsprechen, nicht anfreunden. Es sei „verständlich, wenn Liebhaber dieser Hunde auch zukünftig nicht auf sie verzichten wollen.“
Und weiter: „Kommt es tatsächlich zum Zuchtverbot in Deutschland, liegt der nächste Schritt nahe. Dann werden Dackel, Deutscher Schäferhund & Co. demnächst aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt.“
Der Verband hat Grund zu dieser Annahme. Denn: „Wir beobachten dies bei Französischer Bulldogge und Mops, bei denen der VDH aufgrund strenger Zuchtvorgaben nur einen Marktanteil von fünf bis zehn Prozent hat“, sagt Kopernik.„Ein großer Teil der Tiere wird aus dem Ausland importiert.“
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Warum muss es überhaupt ein Rassehund sein?

Doc Polly hat dazu eine klare Meinung: „Wir müssen generell weg von dieser Rasse-Fixierung. Wenn wir immer die gleichen Tiere miteinander paaren, wird der Genpool immer enger. Und Krankheiten kommen häufiger vor.“
Ihr Rat? Rassen mischen! „Wir müssen gar nicht zum Ursprungswolf zurück. Es reicht, wenn wir einfach mal den Pudel auf den Collie, wenn diese gesund sind und frei von Defekten sind, springen lassen – auch wenn der Welpe dann vielleicht nicht ganz so lockiges Haar hat wie gewünscht“, so Doc Polly.
Und auch, wenn das Ergebnis vielleicht keinen offiziellen Rasse-Zucht-Kriterien entspricht: Niedlich ist es allemal. Und eventuell sogar gesünder.