"Irgendwas an meinem Bauchgefühl hat mir gesagt: lieber nicht!"
Kein Geld für Anna Sorokin! Warum ihre deutsche Ex-Chefin nicht auf die Hochstaplerin hereinfiel
30 weitere Videos
Sie gab sich als Millionenerbin aus, täuschte ein Leben im Luxus vor und betrog die New Yorker High Society sowie etliche Banken um mehrere Hunderttausend Dollar: Anna Sorokin alias Anna Delvey schaffte es über mehrere Jahre, die Reichen und Schönen über den Tisch zu ziehen. Bei einer Frau hatte die heute 31-Jährige allerdings keinen Erfolg: Ihre ehemalige Chefin aus Berlin entging ganz knapp einem von Annas Betrugsversuchen. In welcher Situation sie ihrer ehemaligen Praktikantin nicht traute und wie völlig anders Anna Sorokin war, als sie sich damals kennenlernten, hat sie uns exklusiv erzählt.
Doku-Tipp: „Anna Sorokin – die wahre Geschichte der Millionen-Schwindlerin“ bei RTL+
"Sie war ein super süßes, aber vor allem auch sehr schüchternes Mädchen"
Als Janina Scarlet Fisher Anna Sorokin 2011 kennenlernt, lässt sich kaum erahnen, dass die junge Frau aus dem nordrheinwestfälischen Eschweiler Jahre später die gesamte New Yorker Elite hinters Licht führen wird. „Ich erinnere mich, Anna hatte ihr Vorstellungsgespräch für ihr Praktikum bei mir und wir saßen uns gegenüber im Konferenzraum und sie war ein super süßes, aber vor allem auch sehr schüchternes Mädchen“, erzählt Marketingmanagerin Janina im Interview mit RTL. Vor allem Annas Stimme sei ihr im Gedächtnis geblieben. Hell, leise und piepsig sei diese gewesen. Beeindruckt habe Anna ihre damalige Chefin aber dann doch – mit ihrem Wissen über Mode.
Anna bekommt den Job und setzt so den ersten Fuß in das glamouröse Leben der Modebranche. Sie selbst ist damals noch weit entfernt von Glamour. Sie wohnt zur Untermiete in Berlin, soll ein Auto von ihrem Vater bekommen haben und wirkt auf Janina „eher ein bisschen durchschnittlich auf den ersten Blick“. Einen eigenen Stil hat sie trotzdem: Strickjacken, Kleider, Ballerinas oder High Heels seien das Markenzeichen der damals 19-jährigen Anna.
Lese-Tipp: Der große Hype um Hochstapler! Was uns an Anna Sorokin und dem "Tinder Schwindler" so fasziniert
"Meine Freunde haben sie manchmal als meinen Schatten bezeichnet"
Auch ihr Verhalten ist 2011 eher zurückhaltend. Sie sei sehr fleißig gewesen, habe Arbeiten direkt ausgeführt und kein Problem damit gehabt, Überstunden zu machen. Bei großen Veranstaltungen wirkt Anna aber fast schüchtern: „Ich erinnere mich an das Event im Soho House. Das war so das erste Mal, dass sie mit zu einer Fashion Show im Rahmen der Berlin Fashion Week gekommen ist. Da war sie sehr sehr zurückhaltend und hat sich ungern unters Volk gemischt“, erzählt Janina.
Schon da fällt Annas ehemaliger Chefin aber auf, wie sehr die junge Frau alles beobachtet: „Sie hat alles wahrgenommen, hat das alles in sich aufgesogen, das hat man von Anfang an gemerkt, und sie war immer unheimlich gerne mit dabei. Also wenn es ein Dinner Event gab, irgendein exklusives Event, war sie froh, mit auf die Gästeliste zu kommen und einen zu dem Event zu begleiten, aber immer eher in zweiter Reihe. [...] Meine Freunde haben sie manchmal als meinen Schatten bezeichnet.“
Empfehlungen unserer Partner
"In meinem Freundeskreis haben wir schon Witze darüber gemacht, dass ich Anna zu dem gemacht habe, was sie jetzt ist“
Für Anna selbst scheint diese Zeit aber enorm prägend zu sein. „Die ersten coolen Partys, das erste Mal Fashion Week, Promi-Begegnungen, wirklich dieses Gefühl von Blut lecken und sie auf den Weg bringen – in meinem Freundeskreis haben wir schon die Witze darüber gemacht, dass ich Anna zu dem gemacht habe, was sie jetzt ist“, erinnert sich Janina. „Das ist natürlich überzogen und eher als Witz gemeint, aber so ein bisschen das Gefühl hatte ich schon.“
Insgesamt arbeitet Anna neun Monate in der Berliner PR-Agentur. Eine Erfahrung, die ihr offenbar gezeigt hat, wo sie hin möchte, so Janina. „Ich hatte immer das Gefühl, Anna will dazugehören und sie will vor allem in exklusiven Kreisen dazugehören. Also zu einer Gruppe von Menschen, in die es nicht alle schaffen.“ Mit der Zeit, so Janina weiter, sei aber auch klar geworden, dass Berlin ihr nicht unbedingt ausreiche.
"Sie hat mich dann gebeten, ob ich ihr meine Kreditkarte geben kann"
Für Anna geht es daraufhin für ein Praktikum beim Purple Fashion Magazine nach Paris, anschließend nach New York. Erst Jahre später treffen sich Anna und Janina wieder. „Als ich sie zwei Jahre später wiedergesehen habe, nachdem sie schon in New York war, hab ich schon deutlich gespürt, dass sie viel offener, viel selbstbewusster war. Anna war plötzlich zu einer Persönlichkeit herangewachsen, die nicht mehr viel mit dem Mädchen zu tun hatte, was ich hier 2011 in Berlin kennengelernt habe“, erinnert sich Janina im Gespräch mit RTL.
Die beiden treffen sich im Soho House Berlin auf einen Drink. „Das war unser erstes Wiedersehen. Wir haben uns dann nach einem netten Abend verabschiedet. Ich bin zurück nach Hause gegangen und ein paar Stunden später klingelte mich mein Handy aus dem Schlaf“, erzählt Janina. „Anna war dran, weinend, und sagte mir, dass ihr Freund sie im Streit rausgeschmissen hat. Und sie war wohl mit ihm gemeinsam im Soho House eingecheckt und dass sie keinen Platz zum Schlafen hat. Sie hat mich dann gebeten, ob ich ihr meine Kreditkarte geben kann, weil ihre nicht funktioniert, damit sie die hier hinterlegen kann, damit sie erst mal wieder ein Zimmer hat im Soho House.“
"Irgendwas an meinem Bauchgefühl hat mir gesagt: lieber nicht"
Eine Frage, die einen heute, nach etlicher Berichterstattung über Anna Sorokin, sofort stutzig macht. Janina hat damals aber noch keine Ahnung, welche Folgen dieser Moment haben könnte. Und dennoch trifft sie die richtige Entscheidung: „Ich habe lange drüber nachgedacht, weil sie war meine Freundin, ich wollte ihr eigentlich helfen, aber irgendwas an meinem Bauchgefühl hat mir gesagt: lieber nicht. Und dann habe ich ihr die Karte nicht gegeben“, erzählt sie.
Heute ist Janina froh darüber, wie sie sich damals entschieden hat. Ein fader Nachgeschmack bleibt aber trotzdem: „Es war doch irgendwie auch relativ erschütternd, als ich dann realisiert habe, dass ich eine Erfahrung mit ihr gemacht habe, die sich so als kriminelles Muster danach wirklich ereignet hat.“
Anna Sorokin wird 2019 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Im Februar 2021 wird sie entlassen – und kurz darauf erneut festgenommen, weil ihr Visum abgelaufen ist. Seitdem sitzt die 31-Jährige wieder im Gefängnis in den USA und wartet auf ihre Abschiebung nach Deutschland. (akr)
Lese-Tipp: RTL erreicht Anna Sorokin - erstes Lebenszeichen nach geplatzter Abschiebung
„Anna Sorokin – die wahre Geschichte der Millionen-Schwindlerin“ bei RTL+
Das gesamte Interview mit Janina Scarlet Fisher und weiteres exklusives Material über Anna Sorokin sehen Sie ab Donnerstag, den 14. April, in der neuen Dokumentation „Anna Sorokin – die wahre Geschichte der Millionen-Schwindlerin“ bei RTL+.