Prozess in Bochum Influencerin spritzte als falsche Heilpraktikerin illegal Lippen auf
Schon kurz nachdem die Angeklagte den Saal des Landgerichts Bochum betreten hat, laufen Duygu Ö. die Tränen über die Wangen. Eine Angestellte reicht ihr ein Taschentuch, irgendwann versucht die 26-Jährige gar nicht mehr, ihr Gesicht mit den Händen vor den Fotografen zu verbergen. Es ist das traurige Ende einer Influencer-Karriere. Auf Instagram hatte sie im Januar fast 100.000 Follower, gab sich laut Staatsanwaltschaft mit gefälschten Dokumenten als Heilpraktikerin aus. Duygu Ö. spritzte Tausenden Menschen Hyaluronsäure ins Gesicht – teils mit fatalen Folgen.
Zeugin: Ich wurde als "Schlampe" und "Hure" beschimpft
Eine 23-Jährige aus Niedersachsen erzählt im Prozess, sie habe das Angebot der Angeklagten bei Instagram entdeckt, sie per Whatsapp angeschrieben und dann in einem Privathaus getroffen. Die vermeintliche Heilpraktikerin habe ihr dort eine Hyaluronspritze verabreicht. Anschließend habe die Zeugin Schmerzen gehabt und nachts nicht schlafen können.
Nach einer zweiten Behandlung habe sich nichts gebessert; beim dritten Besuch habe ihr die Angeklagte gesagt, sie werde ihr das Hyaluron wieder aus dem Körper entfernen. Als sie ihr Geld zurückforderte, sei sie von der Schwester und dem Bruder der Angeklagten als "Hure" und "Schlampe" beschimpft worden Duygu Ö. entschuldigt sich im Gerichtssaal bei der Zeugin. Mit tränenreicher Stimme sagt sie: "Mir tut es leid, dass das so ausgegangen ist. Ich hoffe, du hast keine Folgeschäden."
Schwarz verfärbte Lippen, Schwellungen, Infektionen

Eine andere Zeugin erzählt vor Gericht, sie musste unterschrieben, dass sie über mögliche Nebenwirkungen informiert worden sei – auch darüber, dass die Schwellungen mehrere Wochen anhalten könnten. Nach dieser Zeit würden "Anrufe zu Nebenwirkungen wie Schwellungen nicht mehr entgegengenommen", habe es von Seiten der falschen Heilpraktikerin geheißen. Die Anklage listet die Probleme auf: Lippen, die sich schwarz gefärbt haben, Schwellungen oder Infektionen.
Rund 3.000 Mal soll Duygu Ö. insgesamt zur Spritze gegriffen haben. 34 Fälle, bei denen es zu zum Teil erheblichen Komplikationen gekommen sei, stehen in der Anklageschrift. Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz. Die Staatsanwaltschaft beziffert die illegalen und nicht versteuerten Einnahmen der 26-Jährigen auf knapp 1,3 Millionen Euro.
"Da hätte jeder, der ein bisschen nachdenkt, drauf kommen können"
„Sie hat nicht viel nachgedacht“, sagt ihr Verteidiger – das treffe jedoch auch auf die Opfer der Angeklagten zu: "Die überwiegende Zahl der hier angeklagten Straftaten soll sich in den Privatwohnungen zugetragen haben. Da war dann der Behandlungsraum. Ich glaube, da hätte jeder, der so ein bisschen nachdenkt drauf kommen können, dass er hier nicht in einer professionellen Heilpraktikerpraxis befindet.“
Die Staatsanwaltschaft forderte für die Taten mindestens fünf Jahre Haft.