Rechtsanwältin gibt Tipps

Hilferuf per RTL-Zuschauerpost! Familie kauft Grundstück - und bleibt auf Müllberg sitzen

Tini Krämer hat sich per RTL-Zuschauerpost gemeldet, weil ihr Bruder ein Grundstück mitsamt chemischen Altlasten gekauft hat.
Das Haus ist gekauft, die Arbeiten sind in vollem Gange - und auf einmal findet man unter der Erde ganz viel Müll, der danach auf dem Grundstück verweilt.
Tini Krämer

Stellen Sie sich vor, Sie finden nach langer Suche endlich das passende Grundstück, sodass Ihr Traum vom Eigenheim endlich wahr wird – nur um dann eine halbe Müllhalde unter der Erde vorzufinden. So ist es dem Bruder von Tini Krämer ergangen, die uns per RTL-Zuschauerpost kontaktiert hat. 25.000 bis 50.000 Euro soll die Familie vermutlich jetzt blechen – obwohl sie nach eigenen Angaben nichts von dem Müll wusste. Wie kann das sein? Wir haben mit Rechtsanwältin Nicole Mutschke gesprochen.

Die Entsorgung des Müllbergs könnte die Familie 25.000 bis 50.000 Euro kosten

Im Jahr 2015 hat der Bruder von Tini Krämer aus Schwepnitz in Sachsen ein 1.600 Quadratmeter großes ausgeschriebenes Baugrundstück gekauft. Die Freude muss riesig gewesen sein! Endlich geht der Traum vom Eigenheim in Erfüllung. Als die Arbeiten beginnen, erlebt die Familie jedoch eine böse Überraschung: Beim Aushub für die Bodenplatte findet sie eine „halbe Müllhalde“ vor. Auf dem frisch erworbenen Grundstück befinden sich Unmengen an Altlasten des insolventen Glaswerks, das vorher auf dem Gelände stand.

Die giftigen und illegal entsorgten Reste, die vermutlich sogar bis ins Grundwasser gesickert sind, müssen entfernt werden, aber niemand möchte sich schuldig bekennen, erzählt Krämer im RTL-Gespräch. Die Kosten für die Entsorgung sind enorm: 25.000 bis 50.000 Euro soll die Familie blechen. Geld, das sie eigentlich nicht hat. Und was noch viel ärgerlicher ist: Eigentlich kann sie ja auch gar nichts dafür, schließlich haben die Familienmitglieder die fiese Entdeckung erst gemacht, nachdem sie das Grundstück gekauft haben.

Auch wenn das Haus am Ende zwar gebaut wird, ist das Grundstück so gut wie gar nicht nutzbar, wie Tini Krämer erzählt: „Mein Bruder und seine Familie haben vorne ihr Haus stehen, dahinter liegt ein Mini-Stück Terrasse. Aber alles, was dahinter ist, ist voller Müllberge. Die Hunde haben sich dadurch schon im Garten an den Pfoten verletzt, die Müllhalde nimmt fast das gesamte Grundstück ein. Und auch einen kleinen Spielplatz für ihr Kind Marty zu bauen, ist aktuell unmöglich.“ Aber was kann die Familie tun?

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Für die Familie sieht's schlecht aus

Rechtsanwältin Nicole Mutschke hat schlechte Nachrichten im Gepäck: „Leider ist so etwas total üblich bei einer Glasfabrik. Und von solchen Problemen hört man tatsächlich öfter, als man denkt. Das ist gar nicht mal so selten, auch wenn dieser Fall natürlich extrem ist“, erklärt sie im Gespräch mit RTL. Aber was macht man, wenn man ein Grundstück kauft – und den darunter versteckten Müll gleich mit?

„Das Gesetz ist hier unmissverständlich. Von einem Grundstück dürfen keine Gefahren durch Altlasten ausgehen. Neben dem Verursacher, dem Mieter oder Pächter, ist jedenfalls auch der Grundstückseigentümer verpflichtet, ein belastetes Grundstück zu sanieren.“ Dies steht, so Mutschke, im Bundes-Bodenschutzgesetz. Somit sieht die aktuelle Situation für die kleine Familie alles andere als gut aus, weil sie als Eigentümer haftet.

Der Garten des Bruders von Tini Krämer, die sich per RTL-Zuschauerpost gemeldet hat.
So sieht der Garten, der an das Haus grenzt, aktuell aus. Platz für Klettergerüst oder Ähnliches? Fehlanzeige.
Tini Krämer
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Bleibt die Familie auf den Kosten sitzen?

Muss der Bruder von Tini Krämer also wirklich für die horrenden Kosten aufkommen? „Tatsächlich kann die zuständige Behörde zur Gefahrenabwehr die notwendigen Maßnahmen treffen. Die Kosten hat dann gegebenenfalls auch der Eigentümer zu tragen. Sind mehrere verpflichtet, besteht untereinander ein Ausgleichsanspruch.“ Heißt also: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Familie aus Sachsen für die Kosten aufkommen muss. „Das heißt aber nicht, dass man sich die Kosten nicht irgendwo wieder zurückholen kann, wie zum Beispiel vom vorherigen Eigentümer. Wenn der allerdings auch nichts von den Altlasten wusste, wird es eng.“

Und das ist in diesem Fall wahrscheinlich, schließlich ist der Chemie-Müll höchstwahrscheinlich illegal auf dem Grundstück entsorgt beziehungsweise vermutlich wissentlich zurückgelassen worden. „Sonst wäre der Verkäufer des Grundstücks selbstverständlich verpflichtet, den Käufer auf die Altlasten hinzuweisen. Sind diese ihm bekannt und er unterlässt dennoch den Hinweis, kann eine arglistige Täuschung vorliegen. Dann könnte der Käufer den Kaufvertrag anfechten. Parallel dazu kann der Käufer, im Fall einer arglistigen Täuschung, auch die Mängelbeseitigung, also die Kostenübernahme verlangen.“

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Ein echter Teufelskreis!

Ein Blick ins Bundes-Bodenschutzgesetz hilft, da ein Ausgleichsanspruch besteht: „Wenn es mehrere Verpflichtende gibt, schaut sich der Staat beide Seiten an. Im Kaufvertrag stehen ja nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Verursacher beziehungsweise der vorherige Eigentümer mit drin. Ist die Übertragung des Grundstücks nach dem 1. März 1999 erfolgt – was hier der Fall ist – haftet auch der frühere Eigentümer, solange er die schädlichen Altlasten kannte. Selbst wenn die Familie also erst zahlen muss, sollte sie sich danach an den eigentlichen Verursacher wenden“, so die Rechtsanwältin weiter.

Hier eröffnen sich allerdings völlig neue Probleme, der Teufelskreis geht weiter: „Es kann sein, dass die Familie trotzdem auf dem Geld sitzen bleibt. Die Verursacher sind oft pleite und können eh nichts mehr zahlen. Oder sie sind erst gar nicht (mehr) ausfindig zu machen. Und wenn sie ausfindig gemacht werden können, ist es schwierig, einen Nachweis zu erbringen.“

Tipps der Rechtsanwältin

Rechtsanwältin Nicole Mutschke im Interview bei Stern TV.
Rechtsanwältin Nicole Mutschke
Stern TV

Viel, was in einem solchen Fall getan werden kann, gibt es nicht. Trotzdem lohne sich laut Mutschke ein genauer Blick in die jeweiligen Versicherungen, die man abgeschlossen hat. „Es gibt sogenannte Bodenkaskoversicherungen. Manchmal deckt aber auch die Hausrat- oder private Haftpflichtversicherung mehr ab, als man denkt.“ Aber auch hier käme die Versicherung nur für den Schaden auf, wenn der Bruder von Tini Krämer eine solche Versicherung im Voraus abgeschlossen hat.

Ansonsten gilt: immer vorab schlau machen! Nicole Mutschke erklärt: „Wer ein Grundstück erwirbt, sollte sich vorab gründlich über Grundschulden und auch mögliche Altlasten informieren. Auch wenn man in Deutschland nicht die Schulden des vorherigen Eigentümers übernimmt, sollte man sehr genau prüfen, ob nicht auf dem Grundstück gegebenenfalls Grundschulden bestehen oder sonstige böse Überraschungen wie eben Altlasten vorliegen, die gegebenenfalls für den Käufer sehr unangenehme Folgen mit sich bringen können.“

Ein wichtiger Tipp der Rechtsanwältin aus Düsseldorf lautet daher: „Man sollte sich im Voraus – und zur Sicherheit – ein Gutachten von einem professionellen Sachverständigen gönnen, der das Grundstück einschätzt. Der wirft dann auch einen genauen Blick darauf, ob es vor Ort irgendetwas gibt, was schlimme Folgen haben könnte.“

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Vorerst gibt es keine Lösung

In jedem Fall gilt, dass jeder für sein eigenes Grundstück verantwortlich ist – auch für die Gefahren, die von ihm ausgehen. Dann ist man selbst zum Beispiel verwaltungsrechtlich verantwortlich, weil man der Störer ist. Wie es für den Bruder von Tini Krämer weitergeht, bleibt abzuwarten. (vdü)

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