16 Monate nach dem Anschlag von Hanau
650 Radler erinnern an die Opfer des Anschlags

Über 600 Menschen haben für Mercedes, Fatih, Ferhat, Gökhan, Hamza, Kaloyan, Said Nesar, Sedat und Vili Viorel in die Pedale getreten: Sie zeigten sich bei einer Fahrrad-Sternfahrt zum Gedenktag des Hanau-Anschlags solidarisch mit den Opfern der rechtsextremen Tat vor 16 Monaten.
#saytheirnames - die Angehörigen wollen an die Namen der Opfer erinnern

Viele Teilnehmer der Sternfahrt und einer späteren Kundgebung auf dem Hanauer Freiheitsplatz trugen gelbe Warnwesten mit "#SayTheirNames"-Aufdrucken und T-Shirts mit den Gesichtern der neun Opfer, die am 19. Februar 2020 bei dem Attentat ermordet wurden.
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Zur Kundgebung hätten sich rund 500 Menschen versammelt. Zuvor hatten sich ungefähr 650 Personen an der Sternfahrt vor allem mit Fahrrädern beteiligt. Diese führte über fünf Routen nach Hanau: etwa aus Frankfurt oder Aschaffenburg.
Hinterbliebene äußern schwere Vorwürfe gegen die Polizei
Bereits an den unterschiedlichen Startpunkten der Sternfahrt hatten Angehörige der Opfer zu den Teilnehmern gesprochen, wie Hagen Kopp, Sprecher der "Initiative 19. Februar Hanau" sagte. Bei der Versammlung in Hanau forderten Familienmitglieder zudem eine lückenlose Aufklärung der Ereignisse vor, während und nach der Tat sowie Antworten auf offene Fragen zum Vorgehen der Behörden und der Polizei.
So forderte Cetin Gültekin, der Bruder des getöteten Gökhan Gültekin den Rücktritt des Innenministers: „Beuth ist der direkt verantwortliche Kopf des fortgesetzten hessischen Polizei- und Behördenversagens.“ Bei der Polizei habe sich „bis heute nichts geändert Bis heute keine Entschuldigung. Kein Versuch einer kritischen Aufarbeitung. Im Gegenteil: Sie bewegen sich zwischen Ahnungslosigkeit, Unverschämtheit und neuem Rassismus.“
OB Kaminsky zur Tataufklärung: "Geduld neigt sich dem Ende"

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky von der SPD forderte auf der Kundgebung, die ermittelnde Bundesanwaltschaft möge "endlich" einen Abschlussbericht vorlegen: "Die Geduld neigt sich dem Ende zu." Auch nach 16 Monaten habe es der Staat immer noch nicht geschafft, Tathergang und -ursachen abschließend zu beurteilen. Dass im demokratischen Rechtsstaat alles auf den Tisch müsse, auch staatliches Versagen, habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereits angemahnt.
DOSSIER: Der Anschlag von Hanau
Es dürfe „nicht wahr sein“, dass Angehörige, die aufgrund des Attentatsgeschehens bisher nicht wieder eine Arbeit aufnehmen konnten, „am Ende noch auf Sozialhilfe angewiesen sind“, rief Kaminsky vom Podium auf der Abschlusskundgebung. Der Staat müsse ihnen die Finanzhilfe gewähren, „die den Angehörigen moralisch zusteht.“ Der Hanau-OB fordert einen speziellen Opferfonds für Hanau.
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Ein 43 Jahre alter Rechtsextremist hatte am 19. Februar 2020 neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Erst am Freitag hatte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier einen der Getöteten, den damals 22-jährigen Vili Viorel Paun, posthum mit der hessischen Medaille für Zivilcourage geehrt. Dieser hatte den Täter verfolgt, um ihn zu stoppen - und war von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden.
dpa/bho