Frankreich vor der Stichwahl

Madame Rechtsaußen gegen Monsieur Staatsmann

ARCHIV - 03.05.2017, Frankreich, La Plaine-Saint-Denis: Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), und Emmanuel Macron, heutiger Präsident von Frankreich und damaliger Präsidentschaftskandidat der Bewegung «En Marche!», stehen vor dem Beginn einer live übertragenen Fernsehdebatte am 3. Mai 2017 zusammen. Vier Tage vor der Endrunde der französischen Präsidentschaftswahl treffen Staatschef Macron sowie seine Herausforderin Le Pen in einem mit Spannung erwarteten Fernsehduell aufeinander. Die traditionelle und einzige TV-Debatte wird am Mittwochabend (20.04.2022) ab 21.00 Uhr auf mehreren französischen Sendern übertragen. Foto: Eric Feferberg/AFP POOL/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Franzosen müssen wählen: Zwischen dem Pro-Europäer Emmanuel Macron und der EU-Skeptikerin Marine Le Pen.
LR alf, dpa, Eric Feferberg
von Alexander Oetker

In Frankreich steht am Sonntag eine Richtungswahl an: Die Franzosen entscheiden zwischen dem Pro-Europäer Emmanuel Macron und der EU-Skeptikerin Marine Le Pen. Unser Reporter lebt in Frankreich. Wie steht es um das Land so kurz vor der Wahl?

Bange Frage: Krönt das Schreckgespenst von Rechtsaußen ihre Karriere mit dem Elysée-Palast?

Centrist candidate and French President Emmanuel Macron and his wife Brigitte Macron arrive at a television recording studio for a debate with centrist candidate and French President Emmanuel Macron, Wednesday, April 20, 2022 in La Plaine-Saint-Denis, outside Paris. In the climax of France's presidential campaign, centrist President Emmanuel Macron and far-right contender Marine Le Pen meet in a one-on-one television debate that could prove decisive before Sunday's runoff vote. (AP Photo/Francois Mori)
So einen wie Macron muss man doch wiederwählen, oder? So einfach ist es nicht, schreibt Frankreich-Korrespondent Alexander Oetker.
BC, AP, Francois Mori

Es könnte so einfach sein: Da ist ein Präsident, jung, charmant, gutaussehend, der sich in den letzten Jahren eigentlich ganz gut geschlagen – und damit auch sein Land nach vorne gebracht hat.

Zuerst hatte er noch Zeit für Reformen: Für eine Arbeitsmarktreform zum Beispiel. Die Rentenreform aber scheiterte am Druck der Straße, die Gelbwesten blockierten die längere Lebensarbeitszeit – und der Präsident beugte sich. Und dann kam Corona: erst waren die Zahlen hoch, doch Macrons Regierung schaffte es mit klaren, nachvollziehbaren Regeln und mit schnellen Entscheidungen, etwa der einer Impfpflicht fürs Krankenhauspersonal und in der Pflege – kaum einer revoltierte und es wurde auch nicht wie in Deutschland monatelang diskutiert. Stattdessen sanken die Zahlen, alle Maßnahmen, auch der Impfpass für Restaurants, Bars und Kino wurde aufgehoben – eine konsequente und erfolgreiche Politik, die bis heute anhält. Und nun, kurz vor der Wahl, der Krieg in der Ukraine. Auch hier gab Macron den Staatsmann, spricht regelmäßig mit Putin, er ist es, der Europas Linie vorgibt und die Politik zusammenhält.

So einen muss man doch wiederwählen, oder? Tja, so einfach ist das eben nicht, schließlich ist das hier immer noch Frankreich. So steht das ganze Land, nein, der ganze Kontinent nun vor der bangen Frage, ob sie es nun schafft, im dritten Anlauf, Marine Le Pen, das Schreckgespenst von Rechtsaußen, ob sie ihre Karriere krönt mit dem Sprung in den Elysée-Palast.

Le Pen hat ihr Image poliert: Moderat, als Frau von nebenan, Alleinerziehende mit drei Kids

Nach der verlorenen Wahl gegen Macron vor fünf Jahren hat sie ihr Image poliert: Sich von allzu krassen Forderungen freigemacht: Kein EU-Austritt, kein Frexit. Sie gab sich moderat, als Frau von nebenan, alleinerziehende Mutter von drei Kindern – als Gegenentwurf zu Macron, dem „elitären Schnösel“, dem „Präsidenten der Reichen“ wie viele einfache Franzosen über ihren Präsidenten sagen.

Damit erreichte sie viele Wähler, gerade auf dem Lande, in Regionen, die sich abgehängt fühlen. Gerade jetzt, wo die Benzinpreise steigen und die kleinen Verdiener, die oft sehr weit pendeln müssen, am Monatsende wirklich im Dispo leben. In Caudebec-en-Caux etwa, in der Normandie ist das so. Hier leben sie vom Tourismus und sonst ist nicht mehr viel, kaum Industrie, nur wenig gutbezahlte Arbeitsplätze.

Anne Carvalho ist die Wirtin der Bar im Dorf und sie sagt: „Macron hat die Mittelschicht vergessen. Diejenigen, die viel arbeiten und pendeln, die, die sich Sorgen machen, wie sie ihre Kinder großziehen. Und das wird ja nicht leichter, mit den Krisen, die wir gerade haben.“

Die hohen Benzinpreise, Strom, Gas, all das wird wahlentscheidend sein. Und genau auf diese Themen hat Le Pen gesetzt. Und doch wird sie es am Wahlabend schwer haben.

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Le Pen ist kein Phönix aus der Asche - die Franzosen kennen sie seit Jahren

 Marine Le Pen, d put e du parti et candidate  la pr sidentielle, lors d une visite du march de Haguenau, dans l est de la France, le 1er avril 2022. NEWS: Marine Le Pen, d put e du parti et candidate  la pr sidentielle, lors d une visite du march de Haguenau, dans l est de la France, le 1er avril 2022. ElyxandroCegarra/Panoramic PUBLICATIONxNOTxINxFRAxITAxBEL
Bei der TV-Debatte vor fünf Jahren war Marine Le Pen zu aggressiv, diesmal war sie moderater, schien gut vorbereitet – und schaffte es, sich deutlich näher am Bürger zu präsentieren als Emmanuel Macron.
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Denn sie ist ja kein Phönix aus der Asche, sie ist eine Politikerin, die lange im Geschäft ist. Jemand, den die Franzosen kennen, seit Jahrzehnten, mit ihren Stärken und ihren Schwächen. Bei der TV-Debatte vor fünf Jahren war sie zu aggressiv, diesmal war sie moderater, schien gut vorbereitet – und schaffte es, sich deutlich näher am Bürger zu präsentieren als Macron, der in Teilen der Debatte recht gönnerhaft wirkte, sogar ein wenig der Arroganz zeigte, die manche Bürger an ihm kritisieren.

Und doch schaffte er es in den entscheidenden Momenten, Le Pen zu stellen: Denn da ist noch die Sache mit Wladimir Putin. Immer hat Le Pen Russlands Präsidenten umworben, es gab sogar ein gemeinsames Photo in einer Wahlkampfbroschüre. Nach Kriegseintritt wurde die kurzerhand eingestampft. Doch die Nähe zu Kriegstreiber Putin verfolgt sie. Wie soll eine Frau, die so einem Mann nahe steht, in solch einer Krise auch noch die Codes für die französischen Atomwaffen bekommen? Das fragen sich viele im Land. Woher die vielen Gelder stammen, die Le Pen aus Russland erhalte, fragte Macron in der Debatte – und bekam keine Antwort – rumms, das saß.

Macron wird sich um die Abgehängten kümmern müssen

News Themen der Woche KW12 News Bilder des Tages President of France Emmanuel Macron, meets with, Chancellor of Germany Olaf Scholz and during an extraordinary summit of thee NATO North Atlantic Treaty Organization military alliance, Thursday 24 March 2022, in Brussels. PUBLICATIONxNOTxINxBELxFRAxNED BENOITxDOPPAGNE 25324228
Macron muss das einst müde Frankreich reformieren, in Europa den Ton angeben, jetzt noch mehr, da der deutsche Kanzler sichtlich schwach ist.
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Und so wuchs Macrons Umfragevorsprung zuletzt – sehr wahrscheinlich, dass er die Wahl am Sonntag gewinnen wird – und für weitere fünf Jahre im Elysée-Palast im Herzen von Paris bleiben kann.

Dort wird er seine Agenda vorantreiben: Das einst müde Frankreich zu reformieren – und auch in Europa will er weiter den Ton angeben, jetzt noch mehr, da der deutsche Konterpart Scholz sichtlich schwach ist.

Nur bei all den Reformen wird Macron sich auch um die kümmern müssen, die sich im ländlichen Frankreich abgehängt fühlen. Ansonsten könnte es in fünf Jahren, wenn er nicht wiedergewählt werden kann, wirklich eng werden – Marine Le Pen ist mit 53 Jahren jung genug, um darauf zu warten.

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