„Ich hätte die Behörden alarmieren sollen“Junge (9) lebte zwei Jahre allein - Nachbarin macht sich Vorwürfe

von Katrin Schmidt und Sabrina Suberg

Zwei Jahre lang musste ein kleiner Junge (damals 9) allein leben.
Seine Mutter (39) kam nur ab und zu vorbei, um ihm Essen zu bringen – den Rest der Zeit hauste das Kind in einer Sozialwohnung in Nersac (Frankreich).Die Menschen fragen sich, wie es passieren konnte, dass niemand auf das Schicksal des Jungen aufmerksam wurde. RTL war vor Ort, um mit Nachbarn zu sprechen.
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Kind klaut Tomaten, damit es mehr zu essen hat

Der Junge lebte in einer Sozialbausiedlung in der kleinen Gemeinde in der Region Nouvelle-Aquitaine in Westfrankreich. Laut französischen Behördenangaben schaute seine Mutter nur ab und zu vorbei, um Konserven zu bringen und Wäsche zu waschen.

Eine Nachbarin erzählt unserer Reporterin nun, sie habe den Jungen dabei beobachtet, wie er sich heimlich Tomaten nahm, damit er mehr zu essen hatte.

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Die Frau macht sich schwere Vorwürfe, dass sie nicht eher bemerkte, dass etwas nicht stimmte. „Er hatte einen traurigen Blick – aber er hat gelächelt, als wäre er glücklich“, sagt sie. Auf die Frage, ob sie die Behörden alarmiert habe, erklärt sie: „Nein, aber ich hätte es machen sollen.“

Frankreich: Junge musste im Winter unter drei Decken schlafen

Erstaunlicherweise meisterte der Junge seinen Alltag allein, steht allein auf, macht sein Frühstück und geht jeden Morgen den Weg allein zur Schule. „Ich wusste, dass er ein sehr guter Schüler war, er machte immer seine Hausaufgaben und war sauber. Also gab es keine Anzeichen dafür“, sagt Barbara Couturier, Bürgermeisterin von Nersac.

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Der Junge musste von 2020 bis 2022 für sich selbst sorgen. Seine Mutter lebte einige Kilometer weiter bei ihrer Partnerin und kümmerte sich nur ums Essen: Meist brachte sie ihrem Sohn Kuchen und verschwand wieder.

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Mutter des vernachlässigten Jungen bekam weiteres Kind

In diesem Sozialbau im französischen Nersac musste der Junge zwei Jahre lang für sich selbst sorgen.
In diesem Sozialbau im französischen Nersac musste der Junge zwei Jahre lang für sich selbst sorgen.
ENEX

Manchmal fielen in der Wohnung laut Medienberichten der Strom und die Heizung aus: Im Winter musste der Junge dann zum Teil unter drei Decken schlafen. In der Schule fiel den Lehrern aber offenbar nie auf, wie vernachlässigt er war.

In der Nachbarschaft des Hauses, in dem die Mutter mit ihrer Freundin lebte, ist wenig zu erfahren. Nur Anwohnerin Marie gibt unserer Reporterin Auskunft. Der Junge soll eine Zeitlang hier gelebt habe. „Aber plötzlich war er weg. Wir wussten nicht, wohin. Wir dachten dann, er sei bei seinem Vater.“ Über den ist wenig bekannt - er und die Mutter des Kindes sollen schon lange getrennt sein.

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Laut einem Bericht der englischen Zeitung Daily Mail ließ sich die 39-Jährige in Spanien künstlich befruchten und bekam weiteres Kind. Während ihr kleiner Sohn einsam in der Mietwohnung lebte, soll sie mit ihrer Lebensgefährtin einen Lottogewinn verprasst haben.

Das Strafgericht von Angoulême verurteilte die Mutter im Januar zu 18 Monaten Freiheitsstrafe. Der Junge lebt in einer Pflegefamilie. Er will keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter.