Er war „über sich selbst erschrocken“
Das Doppelleben von Christoph Metzelder: Sein Anwalt spricht im exklusiven RTL-Interview
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Christoph Metzelders Anwalt räumt ein: "Er hat Fehler gemacht"
Er trägt das Bundesverdienstkreuz, setzte sich für Kinderrechte und Kinder in Not ein – und steht ab dem 29. April in Düsseldorf wegen Kinderpornografie vor Gericht. Wie passt das zusammen? Ex-Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder selbst spreche von einem Doppelleben, das er geführt habe, sagt sein Kölner Anwalt Dr. Ulrich Sommer im exklusiven Interview mit RTL. Was er über dieses „Doppelleben“ und die sexuellen Neigungen seines Mandanten erzählt - im Video.
Anwalt: Zeugin hat Christoph Metzelder provoziert
Metzelder wird vorgeworfen, einer Bekannten in 29 Fällen Besitz an kinderpornografischen Schriften verschafft zu haben. Außerdem lautet die Anklage auf Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften in einem Fall. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Die Hauptbelastungszeugin in dem Fall hatte der „Zeit“ kürzlich ein ausführliches Interview gegeben. Darin sagte sie, der ehemalige Kicker habe zunächst in sexuellen WhatsApp-Chats davon fantasiert, mit ihr „einen jungen Boy, ein junges Girl zu verführen“, circa 18 Jahre alt, später dann habe er das Wort „Teenager“ genannt. Die Zeugin behauptet, zum Schein darauf eingegangen zu sein. Schließlich sei Metzelder immer konkreter geworden, habe geschrieben, jünger als 14 Jahre solle die Gespielin sein. Am 10. August 2019 soll er ihr dann erstmals das Foto eines nackten Mädchens geschickt haben, laut „Zeit“ nicht älter als zehn Jahre alt. Es seien weitere Fotos gefolgt, behauptete die Frau in dem Gespräch.
Strafverteidiger Sommer geht im exklusiven RTL-Interview auf den konkreten Inhalt der Chats nicht ein, dies sei ein Thema für die Hauptverhandlung. Doch er sagt, die Geschichte der Frau sei “subjektiv gefärbt und im Endergebnis, wie wir meinen, schlicht falsch“. Man befürchte, dass sich die Zeugin „einer Befragung in der Hauptverhandlung entziehen wird. Und deswegen müssen wir die ein oder andere Frage aus unserer Sicht vielleicht schon vorher klären“. Die Frau, die damals Anfang 40 war und im „absoluten Mittelpunkt des Prozesses“ stehe, habe Metzelder zu den Handlungen angestachelt, „provokativ agiert“ und versucht „bestimmte Dinge aus ihm herauszulocken“. „Sie wären erstaunt und hätten, glaube ich, diese verbale Initiative einer Frau niemals zugetraut, was sie da lesen werden. Die hat schon gute Gründe, warum sie versucht, mit rosaroter Farbe ihr Verhalten in dem von ihr initiierten Artikel in der „Zeit“ so darzustellen, wie Sie es dann dargestellt hat.“
Herr Metzelder "hat Fehler gemacht"
War Metzelder also nur ein Opfer ihrer Provokationen? „Aber Herr Dr. Sommer“, hakt RTL-Reporter Ulrich Klose ein, „selbst, wenn ich dann solche SMS, was auch immer kriege, brauche ich darauf ja nicht zu antworten. Und ich würde mich ja eher wahrscheinlich von dieser Frau entfernen.“
„So ist es. Deswegen stehen Sie auch nicht vor Gericht.“
„Und warum hat er das nicht gemacht?“
„Dazu wird er sicherlich eine Erklärung abgeben. Ich gebe Ihnen völlig Recht, das hätte man nicht machen sollen. Und ich glaube, Herr Metzelder weiß das auch und er wird das sicherlich auch darstellen. Er hat Fehler gemacht“, räumt Sommer ein. „Man hätte da auch irgendwann Schluss machen können.“
Auch der Zeugin droht in dem Fall ein Hauptverfahren. Man werfe ihr vor, "sich den Besitz beschafft" zu haben, durch "motivierende Handlungen", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“. „Man weiß nicht so genau, an wen“. sagt Sommer. „Mit Sicherheit an einen anderen Polizeibeamten, mit Sicherheit an ihre Freundinnen und ähnliches und auch das erfüllt den Tatbestand.“
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Christoph Metzelders Anwalt deutet möglichen "Skandal" an
Lange, bevor sie die Ermittlungen ins Rollen brachte, soll die Hauptbelastungszeugin direkte Kontakte zu Polizisten gehabt haben. Den Hintergrund möchte der Anwalt im Prozess erfahren. Auch, „was sie mit dem „Bild“-Zeitungs-Reporter besprochen hat, bevor es zu diesen Provokationen kam“, würde der Verteidiger gerne wissen. „Und ich habe das Gefühl, das Ende einer solchen Befragung könnte jedenfalls die Andeutung tatsächlich eines Skandals sein, der aber ganz woanders liegt als da, wo die meisten aktuell ihn vermuten.“ Es sei juristisch von großer Tragweite, ob „nun tatsächlich ein bestimmter Sachverhalt ganz allein bei jemandem entstanden ist, der ihn dann an den Tag gesetzt hat“, so Sommer. „Oder ob er provoziert worden ist und, viel wichtiger, unter Mithilfe der Polizei provoziert worden ist.“ Harter Tobak, der vor Gericht zu klären sein wird.
Anfang September 2019 war Metzelder auf einem Trainerlehrgang an der Sportschule Hennef. „Da ist er dann, wie auch immer, durch die Polizei angetroffen worden“, erzählt sein Rechtsanwalt. „Die Bitte um einen Verteidiger wurde beiseite geschoben, das Handy wurde einfach weggenommen, wobei wir meinen, das sei unter Umständen passiert, die so hätten nicht passieren dürfen. Da gibt es auch kein Protokoll drüber zu allem Überfluss. Das Hamburger LKA, das das Ganze durchgeführt hat, hat sich nicht der Unterstützung, wie das eigentlich notwendig gewesen wäre, der nordrheinwestfälischen Polizei bedient. Auf der anderen Seite hat uns gewundert, dass die Hamburger gleich die „Bild“-Zeitungs-Reporter aus Hamburg mitgebracht hatten.“
"Frauen, die Sie und ich genauso attraktiv finden würden"
Der Sachverhalt als solcher sei „möglicherweise in seiner moralischen Bewertung nicht hinweg zu diskutieren“, so der Anwalt. „Um aber tatsächlich ein Verschulden im strafrechtlichen Sinne vernünftig aufarbeiten zu können, muss man sehen, in welchem Kontext das passierte.“ Es sei im Rahmen von sexualisierten Chats geschehen, „die sich natürlich immer steigern und die dann einen besonderen Kick suchen. Und dieser Kick wird dann in vielerlei Hinsicht gesucht von Sadomaso bis ich weiß nicht was“, sagt Sommer. „Und irgendwann gibt es diesen Kick auch mit Dingen, die man tunlichst nicht angefasst haben sollte.“
„Sie meinen jetzt Kinderpornografie?“, hakt RTL-Reporter Ulrich Klose nach.
„Ja“, bestätigt Metzelders Anwalt. „Und die haben aber nur eine bestimmte Funktion in diesem sexuellen Kontakt.“ Sein Mandant sei nicht pädophil. „Das weiß im Übrigen auch die Staatsanwaltschaft. Es fehlen alle kriminologischen Anhaltspunkte dafür, dass er aus dem Darknet irgendwie was runtergeladen haben soll“, sagt Sommer. „Er ist nicht in irgendwelchen Chatgroups oder hat sich sonst mit irgendwelchen angeblich Gleichgesinnten zusammengetan.“ Bei den inkriminierten Bildern handele es sich „einfach nur“ um „Screenshots von Internetseiten, die Sie und ich genauso ohne Aufpreis, ohne alles schlicht und einfach aufrufen können. Also frei verfügbare Bilder. Das macht die Sache nicht sehr viel besser, zeigt aber aus meiner Sicht sicherlich den nachvollziehbaren Hintergrund der ganzen Angelegenheit.“ Er selbst habe, als es ausgewertet worden ist, Metzelders Handy gesehen. „Da findet man vieles an jungen attraktiven Frauen, die Sie und ich genauso attraktiv finden würden.“
„Da findet man aber auch eine ganze Menge Kinder und sexualisierte Gewalt.“
„Gerade nicht eine ganze Menge“, so Metzelders Anwalt. „Das wird immer maßlos übertrieben.“
Wusste Christoph Metzelder nichts von den kinderpornografischen Fotos?
Ob er denn ausschließen könne, dass sein Mandant jemals wieder Kinderpornografie auf seinem Handy, auf seinem Computer haben wird, will RTL-Reporter Klose wissen? Hier stellt Sommer noch einmal klar, dass Metzelder nicht pädophil sei, wie die Frage suggeriere. „Ich würde gerne mal Ihr Handy untersuchen lassen, wo da möglicherweise im Cache oder was auch immer für Bilder auftauchen, von denen Sie gar nicht wissen, wer die Ihnen da überspielt hat“, ergänzt er. „Weil, wenn Sie immer auf irgendwelche Internetseiten gehen, dann wird Ihnen andauernd irgendwas überspielt, das sehen Sie dann hinterher daran, wenn sie mit einer besonderen Entwicklersoftware drangehen.“ So sei das auch bei Herrn Metzelder gewesen, „wir haben dazu ja einen Gutachter untersuchen lassen“.
„Reden Sie das gerade ein bisschen klein?“, wirft Klose daraufhin ein.
„Nein, aber so ist es, so ist es“, antwortet Metzelders Verteidiger. Aber wenn der RTL-Reporter ihm sein Handy gebe, könne er das von seinem Gutachter untersuchen lassen, „der dieselbe Software hat wie die Polizei auch und Sie werden erstaunt sein, was da alles drauf ist. Auch an Bildmaterial, was Sie eigentlich niemals tatsächlich wahrgenommen haben“.
Kompensierte Metzelder mit Sexabenteuern die Leere nach dem Karriere-Ende?
Sein Mandant sei „über sich selbst erschrocken“ gewesen, „dass es sowas wie ein Doppelleben gibt“, erklärt der Verteidiger. „Wenn Sie Psychologen befragen, dann wissen Sie, dass ein solches Doppelleben - gerade im Hinblick auf Sexualität - die allermeisten von uns führen. In Ihrem Kopf haben Sie möglicherweise ein Bild von sich und über sexuelle Aktivitäten, was erheblich von dem abweicht, von dem Bild abweicht, das Sie ansonsten der Gesellschaft vorspielen. Und ich glaube, gerade in Zeiten des Internets ist es besonders schwierig, weil das, was sich eigentlich nur bei Ihnen im Kopf abspielt, unter der Semi-Anonymität eines Chats und mit Hilfe von Bildern, die Sie jederzeit aus dem Internet runterladen können, diese Fantasie, Ihr zweites Ich, noch ein wenig mehr an die Realität heranrücken können.“
Er glaube, dass es bei Metzelder „tatsächlich eine Grundkonstellation gibt, die bei vielen, bei allen Menschen angelegt ist und die in seiner besonderen Konstellation halt zu einem Ausbruch kam, zu dem es nicht kommen sollte.“ Das Sexleben des heute 40-Jährigen sei sehr intensiv gewesen, er habe den Kick gesucht, gebraucht. Er sei „relativ berühmt“ gewesen, habe „auch gut ausgesehen“. „Der brauchte sich also da nicht zu bemühen, Frauen irgendwie anzumachen, um tatsächlich in Kontakt zu kommen“, sagt Sommer. „Und da spielen viele, viele Dinge eine Rolle. Dann vielleicht, wie bei jedem Fußballspieler, das ist aber meine persönliche Spekulation, eine gewisse Leere nach der Beendigung der Fußballer-Karriere. Da gab es zwar Kompensationen, andere Aufgaben, aber vielleicht fühlt man da doch eine gewisse Leere, die dann halt durch Sexualität und dann den besonderen Umgang mit Sexualität gefüllt wurde.“
„Kann man ja alles tun“, lenkt Klose ein, „aber wenn dann Kinder ins Spiel kommen, dann ist das meines Erachtens eine ganz andere Qualität.“
„So ist es, deswegen sind wir ja auch bei Gericht“, sagt Sommer. „Deswegen unterhalten Sie sich ja auch mit einem Strafverteidiger.“
Christoph Metzelder hat sich professionelle Hilfe gesucht
Seit über einem Jahr befinde Christoph Metzelder sich nun in Therapie, allerdings gehe es nicht um pädophile Neigungen, wie sein Anwalt beteuert. Vielmehr helfe die Therapie ihm, „das, was da passiert ist, aufzuarbeiten“, herauszufinden, wie es dazu gekommen sei und „sich bewusst zu machen, wie man selbst, in seiner besonderen Situation, mit bestimmten Fragen wie Sexualität, Umgang mit Frauen und Ähnlichem umgegangen ist“, sagt Sommer. „Die Allermeisten tun das nicht, sondern hoffen, dass sie irgendwie nicht entdeckt werden, dass sie sich heimlich vor ihrer Ehefrau versteckt einen Porno angucken“, führt er aus. „Aber das machen sie natürlich auch heimlich und sind dann immer peinlich berührt, wenn sie von ihrer Ehefrau dabei entdeckt werden. Statt sich damit mal auseinanderzusetzen, warum mache ich das Ganze überhaupt?“
„Aber wenn dann Kinder ins Spiel kommen, dann hat das doch eine ganz andere Qualität“, beharrt Klose.
„Klar. Deswegen sind wir ja auch bei Gericht“, sagt Metzelders Verteidiger. „In der Tat, so ist es“.
Eins interessiert RTL-Reporter Ulrich Klose dann noch: „Warum hat ein Prominenter wie Christoph Metzelder, bei einer derart extrem wirkenden Neigung, nahezu fremden Frauen gegenüber so vertraut? Wieso hat er die Gefahr von möglicher Erpressung oder einer möglichen Anzeige so außer Acht gelassen?“ Die Frau habe er zuvor nur zwei Mal persönlich getroffen. Als Strafverteidiger sehe er sehr viele Chatverläufe „und da hat sich mir jedenfalls (...) der Eindruck aufgedrängt, dass gerade Chats und die gefühlte Anonymität zu Dingen führen, zu Verhaltensweisen, zur Aufgabe von Vorsicht, die Sie im normalen Leben, wenn Sie jemandem in die Augen gucken können, nie und nimmer an den Tag legen würden“, antwortet der Rechtsanwalt. „Das scheint mir das Hauptproblem zu sein, das bei Herrn Metzelder und bei Millionen anderen in solchen Kontexten an den Tag tritt.“
Metzelder zum „Spielball höherer Interessen“ geworden
Der Verteidiger von Ex-Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder kritisierte das Verfahren gegen den 40-Jährigen als unfair kritisiert. „Prominenten-Malus ist noch sehr vorsichtig umschrieben für das, was ihm widerfährt“, sagte Ulrich Sommer schon im März der dpa. Verfahren von weit größerem Ausmaß würden sonst per Strafbefehl beendet, sagte er RTL. Aber in Metzelders Fall komme es zu einem Gerichtsprozess, mit dem dieser an den Pranger gestellt werde. Sein Mandant sei offenbar zum „Spielball höherer Interessen“ geworden. Mit Metzelders Prominenz solle die Verschärfung des Strafrechts in Bezug auf Kinderpornografie durchgesetzt werden.
Das sehe man auch daran, dass der Rechtsausschuss des Landtags in Düsseldorf die Sache erörtert habe. Das Gremium hatte sich auf Antrag der oppositionellen SPD-Fraktion von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) über den damaligen Stand des Ermittlungsverfahrens berichten lassen. Metzelder habe sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert und werde das vor der Gerichtsverhandlung auch nicht tun, betonte der Kölner Rechtsanwalt. Es sei falsch, dass er ein Geständnis abgelegt habe, wie es das Düsseldorfer Verwaltungsgericht in einer Beschlussbegründung geschrieben habe.
Der in Haltern am See geborene Metzelder spielte unter anderem für Borussia Dortmund und Real Madrid. 2002 wurde er Vizeweltmeister. Nach seiner Karriere als Profi-Fußballer engagierte er sich für wohltätige Zwecke - unter anderem mit einer eigenen Stiftung für Kinder. Anfang September 2019 wurden die Vorwürfe gegen ihn öffentlich bekannt, am 29. April muss er sich in Düsseldorf vor Gericht verantworten.