Isoliert zur Belustigung der Kundschaft

"Einsamster Gorilla der Welt" Bua Noi muss weiteres Weihnachten alleine in ihrem Käfig verbringen

Der Pata Zoo auf dem Dach eines schmuddeligen Einkaufszentrums in Bangkok wird oft als „traurigster Zoo der Welt“ betitelt. Hier lebt Bua Noi, Thailands einziger Gorilla, „in einer Welt aus Beton und Stahl“. Seit Jahren kämpfen Tierschützer für die Freiheit der Primatin. Kurz gab es wieder Hoffnung, denn angeblich wollte ein Zoo aus Deutschland den Gorilla freikaufen. Doch die Besitzer wollen davon nichts wissen, der Laden brummt.
Im Video sehen Sie, wie es kurz Hoffnung für Bua Noi gab und woran die Rettung gescheitert ist.

Gorillaweibchen ist Kassenschlager im "Horror-Zoo"

ARCHIV - 17.03.2015, Thailand, Bangkok: Der weibliche Gorilla Bua Noi (Little Lotus) blickt durch die Gitterstäbe seines Käfigs im Pata-Zoo im obersten Stockwerk eines Einkaufszentrums. (zu dpa «Neues Ringen um Bua Noi · Thailands einziger Gorilla im Horror-Zoo») Foto: Rungroj Yongrit/EPA/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das Erbgut von Gorillas stimmt zu 98 Prozent mit dem des Menschen überein. Das heißt, Bua Noi kann fühlen und denken. Kaum vorstellbar, was das Primatenweibchen seit über drei Jahrzehnten erdulden muss.
ry jak hjb, dpa, Rungroj Yongrit

Bua Noi liegt apathisch in der hintersten Ecke ihres Käfigs. Zehn mal 20 Meter ist ihr Gefängnis groß, umgeben von Gitterstäben und dickem Glas. Sonnenlicht fällt nur an einer Stelle ein, ringsum Beton, ein paar Seile und ein alter Autoreifen sollen dem Gorilla-Weibchen die Zeit vertreiben – seit mehr als 30 Jahren. Vor über zehn Jahren starb ihr Gefährte, seither ist Bua Noi allein. Die Menschenmenge im privat betriebenen Pata Zoo auf dem Dach eines alten Einkaufszentrums in Bangkok will mehr sehen. Und so lockt ein Mitarbeiter Bua Noi („kleiner Lotus“) mit einem Trinktütchen Milch. Schließlich rafft sie sich langsam auf und kommt näher.

Dutzende Handys filmen und fotografieren das traurige Tier, den einzigen Gorilla im ganzen Land. Die Primatin blickt mit leeren Augen auf ihr Publikum. Sie ist der Kassenschlager des Pata Zoo. Als „Horror-Zoo“ wird das düstere Areal, in dem Hunderte Affen, Reptilien und Vögel dahinsiechen, auch oft betitelt.

Forderten Bua Nois Besitzer Riesensumme für Freilassung?

Immer wieder gab es Versuche, Bua Noi in eine Umgebung umsiedeln zu lassen, in der sie ihre letzten Lebensjahre in Würde und inmitten von Natur verbringen kann. Zahlreiche Tierschützer und Prominente wie Pop-Ikone Cher haben sich schon für sie stark gemacht. Eine Petition auf Change.org haben bisher rund 117.000 Menschen unterschrieben. „Sie lebt allein in einer Welt aus Beton und Stahl, ohne jegliche Stimulation. Ein Leben voller Langeweile und Einsamkeit ist für unsere großen Primaten-Cousins das grausamste Schicksal von allen“, heißt es da. Manchmal schien es, dass Bewegung in das Drama kommen könnte – so in der vergangenen Woche, kurz vor Weihnachten.

Da hieß es plötzlich aus dem thailändischen Umweltministerium, die Besitzer wollten 30 Millionen Thai Baht (800.000 Euro) für die Freilassung des Gorillas haben. Dann könne das Tier in einen Zoo nach Deutschland gebracht werden – denn da stamme der Menschenaffe auch ursprünglich her. Um welchen Zoo es sich handeln könnte, wurde nicht bekannt. Aber die Ankündigung sorgte umgehend für Schlagzeilen.

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Bua Noi lebt seit ihrem ersten Lebensjahr in Gefangenschaft

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Der Pata Zoo. Der Zoo auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Bangkok wird auch als "Höllen-Zoo" bezeichnet. (zu dpa «Neues Ringen um Bua Noi · Thailands einziger Gorilla im Horror-Zoo») Foto: Carola Frentzen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Pata Zoo auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Bangkok wird auch als "Höllen-Zoo" bezeichnet.
hjb, dpa, Carola Frentzen

Der Zoo selbst dementierte die Geldforderung kurze Zeit später auf seiner Facebook-Seite und erklärte, Bua Noi sei zu alt, um sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, und sie werde zudem gut versorgt. Dennoch ist das Schicksal der Primatin seither nicht nur in Thailand, sondern auch international wieder in aller Munde.

Nachforschungen von Tierschützer Daniel Stiles zufolge stammt die Gorilladame nicht aus Deutschland, sondern vermutlich aus Äquatorialguinea, wo sie als Baby gefangen wurde. Ein deutscher Tierschmuggler brachte sie Ende der 1980er Jahre nach Thailand. „Bua Noi kommt nicht aus einem deutschen Zoo, sondern ist ein trauriges Ergebnis des Wildtierhandels. Sie wurde in Afrika von einem deutschen Tierhändler direkt nach Thailand verkauft“, sagte auch Daniel Merdes, Geschäftsführer der Organisation „Borneo Orangutan Survival Deutschland“ (BOS).

Reise nach Deutschland "wäre Tierquälerei"

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Ein Orang-Utan liegt auf dem Betonboden in seinem Käfig im Pata Zoo. Der Zoo auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Bangkok wird auch als "Höllen-Zoo" bezeichnet. (zu dpa «Neues Ringen um Bua Noi · Thailands einziger Gorilla im Horror-Zoo») Foto: Carola Frentzen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Orang-Utan liegt auf dem Betonboden in seinem Käfig im Pata Zoo.
hjb, dpa, Carola Frentzen

Mit BOS Deutschland setzt Merdes sich schon lange für die Befreiung aller Tiere aus dem Zoo ein - vor allem der Orang-Utans und Dutzender anderer Primaten wie Lemuren und Makaken, die unter ebenso desaströsen Bedingungen ihr Dasein fristen müssen.

Für Bua Noi sei die einzige Lösung, sie in Thailand in ein Schutzzentrum zu bringen. „Nur so könnte sie ihre letzten Jahre in Würde und in natürlicher Umgebung leben. Noch eine lange, traumatisierende Reise wäre lebensgefährlich beziehungsweise Tierquälerei - egal ob Deutschland oder Afrika“, so der Experte.

Pata Zoo brummt, Rückendeckung aus Politik

Einer, der ihre Aufnahme angeboten hat, ist Edwin Wiek. Der Holländer ist Gründer der Wildlife Friends-Stiftung in Thailand und betreibt seit vielen Jahren eine Auffangstation mit viel Natur in Phetchaburi, etwa 200 Kilometer von Bangkok. Zuletzt kamen dort bereits die Tiger des Konkurs gegangenen Phuket Zoo unter. „Wir glauben, dass es moralisch nicht richtig wäre, eine enorme Geldsumme für das Highlight des Pata Zoo zu zahlen“, sagte Wiek der Deutschen Presse-Agentur. 30 Millionen Baht seien viel Geld für ein Tier, das vermutlich nur noch wenige Jahre zu leben habe. „Zudem möchten wir, dass ein Deal für alle Tiere des Zoos - oder zumindest der Primaten - gemacht wird.“

Die Besitzer des Pata Zoo scheinen daran aber nicht interessiert - denn der Laden brummt. Sie versichern, Bua Noi gehe es gut. Umweltminister Varawut Silpa-Archa sagte jetzt: „Der Pata Zoo hat versprochen, sich bis zu ihrem letzten Tag um sie zu kümmern. Und als ihr Besitzer hat er das Recht dazu.“ Dem Zoo könne nicht weggenommen werden, was ihm gehöre - zunächst müssten viele Dinge geregelt werden. Was es mit der angeblichen Geldforderung auf sich hatte, ist unklar.

„Kein Tier sollte in so einem dunklen Betonverlies leben müssen"

23.10.2022, Thailand, Bangkok: Das Gorilla-Weibchen Bua Noi. Die Primatin lebt seit mehr als 30 Jahren in dem als "Höllen-Zoo" betitelten Zoo auf Betonboden ohne Tageslicht oder Natur. Sie ist Thailands einziger Gorilla. (zu dpa «Neues Ringen um Bua Noi · Thailands einziger Gorilla im Horror-Zoo») Foto: Carola Frentzen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das Gorilla-Weibchen Bua Noi lebt seit über 30 Jahren auf Betonboden, ohne Tageslicht oder Natur.
hjb, dpa, Carola Frentzen

„Gorilla in Alcatraz“, war der Titel eines Leserbriefs in der „Bangkok Post“ - die Wortwahl ist treffend. Daniel Merdes sagt: „Kein Tier sollte in so einem dunklen Betonverlies leben müssen. Kein Grün, nur Grau und die schrillen Schreie der anderen Tiere. Es ist mir unbegreiflich, wie sich Besucher hier unterhalten fühlen.“

Bua Noi sitzt derweil auf dem Betonboden, dem einzigen Boden, den sie kennt. Immer wieder atmet sie in kurzen Schüben Luft ein und starrt hilflos an die Decke. Es sieht aus, als würde sie weinen, ja schluchzen. Gorillas und Menschen teilen 98 Prozent ihres Erbgutes, das heißt sie können denken. Fühlen. (dpa)