Krimi um hirntoten Jungen Ein letzter Funken Hoffnung? Familie will Archie Battersbee nach Japan bringen

Ein monatelanger Kampf vor Gericht, ein Kampf für das Leben eines zwölfjährigen Kindes, scheint verloren, und doch geben Archie Battersbees Eltern nicht auf: Wenige Stunden vor der geplanten Abschaltung der Geräte reichten die Anwälte der Familie einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein. Man hoffe und bete nun für eine positive Entscheidung des Gerichts, sagte Archies Mutter. Doch nur wenige Stunden danach steht die Antwort fest: Das Eurpäische Gericht wolle nicht in frühere Entscheidungen „nationaler Gerichte“ eingreifen, berichtet „Sky News.
Zuvor lehnte der Supreme Court in London am Dienstag einen Antrag ab, mit dem die Eltern die Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen erwirken wollten. Heißt: Archie soll sterben.
Nun sollen sich Ärzte aus Japan und der Türkei gemeldet haben, die sagen, dass sie Archie doch noch helfen können. Archies Mutter Hollie Dance zufolge überlegt die Familie gerade, ob und wie sie den Jungen dorthin verlegen kann.
„Es gibt so viele Möglichkeiten in anderen Ländern. Wieso denkt dieses Land hier (Großbritannien, Anm. der Redaktion) nur schwarz und weiß?“, so Archies Mutter. „Du hast Hirnschäden? Dann ist das hier das Ende für dich.“ Eine Verlegung Archies in ein Hospiz, damit er friedlich sterben könne, hätten die Ärzte verboten, berichtet Hollie Dance.
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Richter: Für Archie gibt es keine Chance mehr
Für die Ärzte des Royal London Hospitals, die Archie Battersbee behandeln, war schon lange klar: Weitere Maßnahmen, die den Jungen künstlich am Leben erhalten, seien nicht in seinem Interesse. Eigentlich sollten sie daher bereits am Montag (1. August 2022) eingestellt werden. Die Eltern des Zwölfjährigen, Paul Battersbee und Hollie Dance, hielten diese Entscheidung jedoch für verfrüht und kämpften weiter um ihren Sohn. Mit kurzweiligem Erfolg: Nach Interventionen der Regierung und der UNO fand eine weitere Anhörung vor dem Berufungsgericht statt.
Doch auch das Berufungsgericht fällte die Entscheidung, dass die Maschinen abgestellt werden dürfen. So sagte der Vorsitzende Richter: „Jeder Tag, an dem Archie weiter behandelt wird, geht gegen das, was für ihn am besten ist.“ Der Familienanwalt der Battersbees durfte sich daraufhin noch ein mal an das höchste Gericht, den Supreme Court, wenden.
Dieser kam zu dem selben Entschluss: Für Archie gebe es keine Chance mehr. Um 17.30 Uhr das Urteil: Die lebenserhaltenden Maschinen sollen abgeschaltet werden. Darauf hatte sich Archies Familie an den Europäischen Gerichtshof gewendet – doch ohne Erfolg. Das Gericht werde sich nicht in die Entscheidung des Supreme Courts einmischen, heißt es.
Archies Mutter äußert sich zu Urteil
„Das ist skandalös, wirklich beschämend“, sagte Archies Mutters nach der Entscheidung vor dem Krankenhaus im Osten Londons, in dem der Zwölfjährige liegt, zu Journalisten.
Ihr Sohn mache gesundheitliche Fortschritte, und in anderen Ländern würde die Familie ganz andere Chancen bekommen. Sie sei tief enttäuscht und werde „kämpfen bis zum bitteren Ende“, jedoch fühle es sich gerade nach dem „Ende des Weges“ an. Dem Sender Sky News zufolge sollten die Geräte am Mittwoch um 11.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr in Deutschland) abgestellt werden.
In einem Interview mit einem britischen TV-Sender sagte Hollie Dance: "Der Kampf meines Sohnes ist wichtiger als mein Wohl und meine Gefühle. Ich habe Archie versprochen, dass ich kämpfe, bis ich nicht mehr kann.“
Tiefe Trauer bei Hollie Dance und Paul Battersbee
Die Richter am Supreme Court folgten der vorherigen Entscheidung des Berufungsgerichts und erklärten, da es keine Aussicht auf eine wirkliche Genesung gebe, würden die lebenserhaltenden Maßnahmen nur „das Sterben verlängern“. Man treffe diese Entscheidung nicht leichtfertig und spreche den Eltern von Archie „tiefes Mitgefühl“ aus.
In einem schriftlichen Statement sagte das Gericht, dass es die Entscheidung schweren Herzens getroffen habe, aus medizinischer Sicht aber feststehe, dass Archie, auch wenn seine Maschinen angeschaltet blieben, in den nächsten Wochen oder Monaten sterben würde. Archies Familie ist entsetzt und in tiefer Trauer. Sie hatte bis zuletzt dafür gekämpft, dass ihr Kind weiter leben darf und gab die Hoffnung nicht auf. So waren sich Hollie Dance und Paul Battersbee sicher, dass Archie noch atme und Reaktionen gezeigt habe. Die Ärzte widersprachen und verwiesen auf körperliche Reflexe.
Fall Archie Battersbee: Das ist passiert
Warum genau Archie Battersbee überhaupt ins Koma gefallen ist, weiß niemand. Am 7. April fand ihn seine Mutter mit einer Binde um den Hals vor. Sie vermutet, dass der Junge an einer trendenden Online-Challenge teilgenommen und sich so selbst verletzt habe.
Seine Eltern kämpfen seitdem vor Gericht für ihn: Nach einem Urteil des britischen High Courts Mitte Juli sollten die Maschinen, die ihn am Leben erhalten, abgestellt werden. Hollie Dance und Paul Battersbee gingen jedoch vor das Londoner Berufungsgericht, um Einspruch einzulegen – doch ohne Erfolg. Erst Ende Juli hatten drei Berufungsrichter ihr finales Urteil abgegeben und entschieden, dass die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen des hirntoten Jungen rechtmäßig beenden dürfen.
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