Zwölfjähriger liegt seit April im KomaHirntoter Archie Battersbee: Was passiert, wenn die Maschinen abgestellt wurden?

Archie mit Schläuchen im Krankenbett
Archie Battersbee (12) liegt seit April im Koma.
action press
von Vera Dünnwald

Das Schicksal des hirntoten Archie Battersbee (12), der seit April im Koma liegt, bewegt weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus die Welt. Am Mittwoch, den 3. August, sollen die lebenserhaltenden Maßnahmen voraussichtlich beendet werden – auch wenn seine Eltern, Hollie Dance und Paul Battersbee, vor Gericht alles gegeben haben.
Was passiert mit seinem Körper, wenn die Maschinen abgestellt wurden? Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht schätzt ein.

Tod tritt innerhalb weniger Minuten ein

RTL-Interview mit Dr. Christoph Specht.
Wenn Archies Maschinen abgestellt werden, dauere es nur wenige Minuten, bis er stirbt, so Dr. Specht.
RTL

Die britischen Ärzte des Royal London Hospitals, die Archie Battersbee behandeln, argumentierten bereits vor Gericht: Der Junge ist hirntot, weitere Maßnahmen, die den Jungen künstlich am Leben erhalten, seien nicht in seinem Interesse. Heißt: „Für seinen Zustand gibt es keine Aussicht auf Besserung, geschweige denn auf Heilung“, erklärt Dr. Specht im RTL-Interview.

„Wenn Archie die lebenserhaltenden Maßnahmen braucht, um zu ‘leben’ und diese abgestellt werden, ist davon auszugehen, dass er nicht mehr selbstständig atmen kann. Wenn die Maschinen, die ihn künstlich beatmen, dann abgestellt werden, wird der Junge nicht mehr mit Sauerstoff versorgt“, so der Mediziner. Archies Gehirn sei zudem aufgrund seines Unfalls bereits sehr geschädigt: „Die Ärzte sagten ja bereits, dass der Hirnstamm tot ist, daher die Diagnose Hirntod. Man kann daher auch davon ausgehen, dass das Großhirn schon längst tot ist. Das ist dem Hirnstamm nämlich übergeordnet, und das verabschiedet sich meist vorher, da dort, im oberen Teil, die geistigen Fähigkeiten eines Menschen angesiedelt sind.“

Bedeutet: Wenn Archie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, werde auch die letzte Hirnversorgung nicht mehr vorhanden sein, sagt Dr. Specht. „In einem letzten Schritt kommt es dann zum Herzstillstand, denn auch das bekommt als Muskel keinen Sauerstoff mehr.“ Alles in allem sei es also nur eine Frage von Minuten, bis Archie nach dem Abstellen der Maschinen stirbt.

Lese-Tipp: Hirntod: Was bedeutet das eigentlich - und kann man sich davon erholen?

Dr. Specht: Sedierende Medikamente sind essenziell!

Nach Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen ist sich Dr. Specht sicher: Ihm werden höchstwahrscheinlich trotzdem noch Medikamente verabreicht werden. Warum? „Der eigentliche Sterbeprozess nach dem Abschalten kann für den Betrachter sehr unangenehm sein. Ich würde gerne sagen, dass solche Patienten ohne Medikamente einfach ruhig einschlafen würden, aber das ist nicht immer der Fall. Deswegen sind sedierende Medikamente notwendig, damit die Zuck-Reaktionen des Körpers unterdrückt werden. Der Weg ist klar – aber die Frage, wie der Weg vonstatten geht, ist wichtig“, erklärt der Arzt.

Wichtig: „Die Medikamente wirken begleitend. Es sind keine Medikamente, die ihn umbringen. Es geht nur um die Sedierung.“

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Fall Archie Battersbee: Das ist passiert

Warum genau Archie Battersbee überhaupt ins Koma gefallen ist, weiß niemand. Am 7. April fand ihn seine Mutter mit einer Binde um den Hals vor. Sie vermutet, dass der Junge an einer trendenden Online-Challenge teilgenommen und sich so selbst verletzt habe.

Seine Eltern kämpfen seitdem vor Gericht für ihn: Nach einem Urteil des britischen High Courts Mitte Juli sollten die Maschinen, die ihn am Leben erhalten, abgestellt werden. Hollie Dance und Paul Battersbee gingen jedoch vor das Londoner Berufungsgericht, um Einspruch einzulegen – doch ohne Erfolg. Erst Ende Juli hatten drei Berufungsrichter ihr finales Urteil abgegeben und entschieden, dass die Ärzte die lebenserhaltenden Maßnahmen des hirntoten Jungen rechtmäßig beenden dürfen.