Dramatischer Bergungstod
Warum sterben Opfer oft kurze Zeit nach ihrer Rettung?
Einfach nur tragisch.
In Stutensee (Baden-Württemberg) ist in den frühen Morgenstunden ein 73-Jähriger beim Einsturz seines Hauses verschüttet worden. Stundenlang arbeiteten sich Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) zu dem schwerverletzten Mann vor. Mit Erfolg! Zwar kann er gerettet werden – doch nur kurze Zeit später stirbt er im Krankenwagen. Auch wenn seine Todesursache nicht bekannt ist, hört man immer wieder davon, dass Menschen, die aus Trümmern gerettet werden, kurz darauf versterben, wie zum Beispiel bei Erdbeben-Opfern. Mediziner sprechen dann vom sogenannten Bergungstod. Was genau es damit auf sich hat und wieso selbst erfahrene Ärzte nicht mehr helfen können, erklärt uns Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht.
Das hat es mit dem sogenannten Bergungstod auf sich
Wenn Menschen durch Trümmer verschüttet, oder auch nach Autounfällen eingeklemmt sind, werden Muskeln und Blutgefäße einiger Körperstellen abgeklemmt. Nach einiger Zeit werden die Betroffenen dann gerettet – eigentlich scheint das schlimmste überstanden.
Doch nur Stunden oder wenige Tage später versterben viele Opfer, trotz medizinischer Versorgung. Mediziner sprechen dann vom sogenannten Bergungstod. Doch wie kommt es dazu?
„Die Betroffenen haben eine Crush-Niere“, erklärt Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht bereits 2023 im Gespräch mit RTL. Aber nicht die gequetschte Niere selbst führt zum Tod, sondern das gequetschte Gewebe führt zu einer tödlichen Niereninsuffizienz. „Das ist typisch für Erdbebenopfer.“
„Die Blutgefäße und Muskeln werden an einer bestimmten Stelle gequetscht. Das Gewebe wird nicht mehr versorgt, hat aber auch den Vorteil, dass die durch die Quetschung des Muskels entstehenden Stoffwechselprodukte nicht in den Organismus gelangen“, so Dr. Specht.
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Schneller Wieder-Einstrom des Blutes und Herz-Rhythmus-Störungen stellen große Gefahr dar
Kritisch wird es dann im Moment der Rettung: „Bei der Rettung kommt es zu einem schnellen Wieder-Einstrom des Blutes“, beschreibt der Mediziner. „Und das führt sehr schnell zu einem akuten Nierenversagen, das ist meistens auch nicht medizinisch durch eine Dialyse aufzufangen.“
Erschwerend hinzu käme, dass vor allem in Katastrophenregionen diese medizinischen Mittel akut nicht zur Verfügung ständen.
„Eine weitere Form des Bergungstodes hat etwas mit dem Blutkreislauf zu tun und der Lagerung der Geretteten“, so Dr. Specht. Mittlerweile werden Gerettete, nachdem sie länger eingeklemmt ausharren mussten, im Liegen abtransportiert, auch wenn sie theoretisch laufen könnten. „Das ist ganz wichtig, denn dieser Wechsel von waagerecht zu aufrecht führt häufig zu unbeherrschbaren Herz-Rhythmus-Störungen“, erklärt der Mediziner. Und auch die seien oftmals nach der Rettung akut nicht behandelbar.
Aber auch aus anderen medizinischen Gründen können Erdbebenopfer noch an ihrer Rettung versterben. „Die genauen Gründe kennt man da nicht“, fasst Dr. Specht zusammen.
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