Wenn der Schnelltest nicht anschlägt, hat das Gründe...

Negativer Test trotz eindeutiger Symptome - kann das trotzdem Corona sein?

Corona oder nicht?
Negativ trotz Symptomen? Warum Sie wahrscheinlich KEIN Corona haben. Das sagt Medizinjournalist Dr. Specht.
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Der Kopf pocht, der Hals kratzt, die Glieder schmerzen – das kann doch eigentlich nur Corona sein, oder? Immer wieder kommt es vor, dass Menschen Kontakt mit an Covid-19 Erkrankten haben, danach über Symptome klagen, die Schnelltests aber durchgehend negativ bleiben. Also doch nur eine Erkältung? Oder schlagen die Tests wegen zu geringer Viruslast nicht an? Was steckt dahinter – und wie schlimm ist das? Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht hat es uns erklärt.
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Kommt Ihnen das bekannt vor?

Vermutlich hat jeder schon mal von einem solchen oder ähnlichen Fall gehört: Man geht auf eine Hochzeitsfeier, anschließend haben viele der Hochzeitsgäste Corona. Man selbst hat auch Symptome, die anschließenden Schnelltests bleiben aber negativ – auch über mehrere Tage hinweg. Wird wohl doch nur eine Erkältung gewesen sein, oder?

Oder vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Ihr Partner infiziert sich mit Corona, auch Sie weisen Symptome auf, die Tests bleiben aber negativ. Nur eine Erkältung? Oder doch Corona mit zu geringer Viruslast? Geht das? Oder ist alles Zufall?

Kann es sein, dass es sich bei solchen Fällen doch um Corona handelt, obwohl die Tests nicht anspringen?

„Es ist gut möglich, dass jemand Erkältungssymptome hat, macht einen Schnelltest und der ist negativ, weil er gar kein SARS-CoV-2 hat“, erklärt Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht im Interview mit RTL. „Es kann aber natürlich auch sein, dass die Tests ziemlich lange nicht anschlagen, obwohl es SARS-CoV-2 ist und erst später, wenn die Symptome weiter fortgeschritten sind oder sogar abklingen, ein positives Ergebnis zeigen.“ Auch das gebe es häufiger, so der Medizinjournalist.

Generell sei das ein bekanntes Phänomen, sagt Specht. „Mit dem Beginn der BA.5-Variante war das ganz verstärkt und es tritt sehr häufig auf, dass Leute sich testen, negativ sind, aber Erkältungssymptome haben.“ Dies könne vier verschiedene Gründe haben:

  1. Die Viruslast war zum Testzeitpunkt zu gering.

  2. Der Abstrich wurde nicht korrekt durchgeführt.

  3. Der Test springt trotz großer Viruslast nicht an, auch das kann in Ausnahmen passieren.

  4. Es ist gar kein SARS-CoV-2.

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Also vielleicht doch gar kein Corona?

Tatsächlich ist es laut Specht sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Erkältungssymptomen gar nicht um Corona handelt. Das bestätige auch der Bericht zur aktuellen Grippelage vom Robert Koch-Institut (RKI). „Da ist eindeutig zu entnehmen, dass Corona längst weg ist von der Wichtigkeitsskala. Es ist lediglich auf der vierten Position der viralen Erreger“, erklärt der Mediziner.

Laut aktuellem Wochenbericht zur Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen (ARE) der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) ist die Rangfolge derzeit folgende:

  1. Influenza (17 %)

  2. Rhinoviren bzw. Parainfluenzaviren (PIV) (14 %)

  3. Respiratorische Synzytialviren (RSV) (10 %)

  4. SARS-CoV-2 (8 %)

  5. andere endemische Coronaviren (3 %)

„Das heißt, die Vorstellung, alles ist SARS-CoV-2 und das ist alles ganz schlimm, ist einfach falsch, das stimmt einfach nicht“, sagt Specht. „Zwei Drittel der Virusinfektionen, die wir sehen aktuell, sind NICHT durch SARS-CoV-2 ausgelöst, sondern durch andere Viren.“ Dem Mediziner zufolge sei es darum einfach unsinnig, sich so an Corona festzuhalten: „Es spielt einfach nicht mehr so die Rolle.“

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Wie schlimm ist es, nicht genau zu wissen, ob wir Corona haben?

Natürlich können wir andere anstecken, wenn wir SARS-CoV-2 haben, der Test es aber nicht erkennt, erklärt Specht. Relativ unwahrscheinlich sei aber die Ansteckung, wenn die Virenlast so gering sei, dass der Test deswegen nicht anschlage. „Dann ist sie wirklich so gering, dass ein PCR-Test bei einem Ct-Wert von weit über 30 ist. Da muss man dann fragen, ob so jemand überhaupt noch ansteckend ist – im Zweifelsfall nicht.“

Wichtig sei aber nicht zu vergessen: Wir können neben Corona auch eine andere Infektion haben – und sind dann natürlich auch ansteckend! „Das ist ja das Hirnrissige“, sagt Specht. Auf Corona werde immer fleißig getestet. Falle ein Test dann positiv aus und man hatte Kontakt, ist das eine Katastrophe. Aber wenn man in der Öffentlichkeit „herumschnupfen“ würde, wäre das halb so wild. „Das ist Blödsinn, weil ich stecke die anderen ja genauso an.“

Doch woran liegt das, dass wir Corona immer noch als so viel schlimmer wahrnehmen? „Was den Leuten so schwerfällt, ist: Es heißt ja nicht, dass das vor zwei Jahren Blödsinn war“, weiß Specht. „Natürlich war das kein Blödsinn, denn da waren wir Corona schutzlos ausgesetzt. Da hatten wir auch keinen Impfstoff und die Leute waren noch nicht geimpft.“

Die Situation sei heute aber eine völlig andere: „Wir haben jetzt eine Situation mit 95 Prozent Antikörpern. Die Abwehrreaktion der Bevölkerung ist so gut, besser kriegen wir die nicht. Wir werden nie 100 Prozent Antikörper bei einem Menschen finden. Noch nicht mal gegen Masern haben wir das.“

Es gibt wieder mehr andere Infektionen als Corona - ist das ein weiterer Schritt Richtung Ende der Pandemie?

„Eindeutig, wir sind definitiv im Übergang von Pandemie und Endemie“, sagt Specht. Das heiße nicht, dass Corona vorbei sei. „Das Virus ist überall und wir können uns wunderbar mit dem SARS-CoV-2-Virus anstecken, aber zu zwei Dritteln haben Sie momentan eher eine andere Infektion und zwar eine, die wir alle schon längst kennen“, so der Mediziner weiter.

Dass Virus-Infektionen gerade verstärkt zu sehen sind, liege Specht zufolge vermutlich immer noch an dem Nachholeffekt, weil Viren während der Pandemie zwei Jahre lang abgehalten worden sind. „Jetzt müssen vor allem Kinder vieles nachholen.“ Aber auch das werde sich eines Tages wieder regulieren.

Wichtig sei laut Specht zurzeit einfach – wie früher auch – alte und kranke Leute nicht noch mit einer Erkältung oder Corona anzustecken. „Aber die Extra-Behandlung von SARS-CoV-2 ist nicht mehr gerechtfertigt.“